B2B-Marktplätze: die nächste Generation der Beschaffung

Wie wird B2B Beschaffung in Zukunft funktionieren? Ein Einblick in die nächste Generation von B2B-Marktplätzen

Von neuen Abriegelungen in China bis hin zu einer rasant steigenden Inflation – das Jahr 2022 hat ein neues Kapitel in der Ära der Unsicherheit aufgeschlagen.

In einer Zeit vieler Veränderungen haben Beschaffungsteams, die auf Modelle und Technologien des 20. Jahrhunderts zurückgreifen, oft Mühe agil zu bleiben. Die Digitalisierung ermöglicht dem Beschaffungswesen sich selbst neu zu erfinden, Prozesse zu beschleunigen und Flexibilität einzubinden, ohne dabei die Kontrolle über Kosten und Risiken zu verlieren.

Dies mag wie Neuland erscheinen, aber die nächste Generation der Beschaffung wird auf einem Modell aufbauen, das so alt ist wie die Zeit selbst. Um einen Blick in die Zukunft zu werfen, müssen Unternehmen sich von Tabellenkalkulationen lösen und in eine neue Richtung schauen.

Ein vernetztes Ökosystem

Ein Wald ist mehr als eine Gruppe einzelner Bäume, die alle um Licht, Wasser und Nährstoffe konkurrieren. Sie alle sind durch ein riesiges, mikroskopisch kleines Netzwerk aus Myzel – einem fadenförmigen Pilz – verbunden, dass in die Wurzeln jeder Pflanze eingewoben ist. Dieses „Wood Wide Web“ holt die benötigten Ressourcen aus dem Netz und sorgt dafür, dass sie dorthin gelangen, wo sie gebraucht werden. Es überträgt sogar Informationen: Wenn ein Baum beispielsweise von Insekten angegriffen wird, sendet er über das Netz Warnungen an andere, damit diese ihre Abwehrmaßnahmen vorbereiten.

Was Konnektivität, Flexibilität und sogar Daten angeht, sind die Beziehungen innerhalb der Lieferkette Lichtjahre hinter diesen natürlichen Netzwerken zurück. Aber genau so wird sich das Beschaffungswesen in den nächsten Jahren entwickeln: weg von fragilen, individuellen Geschäftsbeziehungen hin zu organischeren, dynamischeren und widerstandsfähigeren Netzwerken. Das beste Beispiel für diese neuen Netzwerke sind B2B-Marktplätze, die globale Käufer und Lieferanten zu einem einzigen, symbiotischen Ökosystem verweben.

Der perfekte Sturm

Die Betreiber von Lieferketten hatten schon vor langer Zeit erkannt, dass die B2B-Beschaffung ineffizient und zeitaufwändig ist, vor allem im Vergleich zu der Auswahl und Effizienz, die Verbraucher-Marktplätze auszeichnen. Während die Prozesse allmählich digitalisiert wurden, blieben die Beziehungen analog. Covid war der Katalysator für eine digitale und Lieferantenorientierte Revolution.

Versorgungsunterbrechungen zeigten das Risiko, das mit der „just in time“ Beschaffung verbunden ist. Wenn Lieferanten ausfallen, müssen Unternehmen in der Lage sein nahtlos zu einem anderen Lieferanten zu wechseln, dem sie in Bezug auf Qualität und Lieferung vertrauen.

Wie bei den B2C-Marktplätzen geht es auch bei den B2B-Marktplätzen darum, die große Auswahl an Lieferanten aus aller Welt zu nutzen. Aber sie sind mehr als das: Das Marktplatzmodell adressiert die beiden Trends Digitalisierung und Widerstandsfähigkeit der Lieferkette.

Echte B2B-Marktplätze bieten einen Mehrwert in einer Reihe von Schlüsselbereichen:

  • Inhalt: Sie beschleunigen die Beschaffung, indem sie Zugang zu einer großen Auswahl an Produkten, Anbietern und Preisen bieten, die digital mit dem Käufer verbunden sind.
  • Leistungsfähigkeit: Sie verbessern die Prozesseffizienz dank einer gemeinsam genutzten, standardisierten Infrastruktur, die schnelle, präzise und zunehmend automatisierte Transaktionen in großem Umfang auf Cloud-nativen Plattformen ermöglicht.
  • Kontrolle: Sie reduzieren das Risiko, indem sie jeden Teilnehmer vorab prüfen, um sicherzustellen, dass er die erforderlichen Produktstandards und digitalen Prozesse erfüllt.
  • Konnektivität: Sie sorgen für Ausfallsicherheit, indem sie im Falle einer Lieferunterbrechung schnellen Zugang zu alternativen Anbietern bieten. Marktplatzbetreiber, die über Fachwissen verfügen, sind in der Lage, Hinweise auf gleichwertige Beschaffungsoptionen zu geben.
  • Bequeme Nutzung: Sie sind intuitiv und einfach zu bedienen und ermöglichen es Mitarbeitern, Zeit zu sparen, Arbeitsabläufe zu vereinfachen, Prozesse zu verbessern und stärkere, aussagekräftigere Beziehungen zu Partnern und Lieferanten aufzubauen.

Der Übergang zu diesem Modell stellt keine große technische Herausforderung dar. Es erfordert jedoch eine Änderung der Denkweise. Der digitale Netzwerk-Charakter ermöglicht es allen Teilnehmern direkt von einem ausgewählten Lieferantenstamm zu kaufen. Kleine und mittelständische Unternehmen können ihre Digitalisierungsreise beginnen und mit globalen Anbietern konkurrieren.

Der Markt für B2B-Marktplätze

McKinsey berichtet, dass mehr als drei Viertel der Käufer und Verkäufer die digitale Selbstbedienung und den Kontakt mit Menschen aus der Ferne dem persönlichen Gespräch vorziehen. Forrester schätzt, dass grenzüberschreitende B2B-E-Commerce-Transaktionen bis 2023 ein Volumen von 1,8 Billionen Dollar erreichen werden, was 17 % aller B2B-Verkäufe in den Vereinigten Staaten entspricht.

Es gibt eine große Auswahl an Marktplätzen auf dem Markt und es kann schwierig sein, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Viele von ihnen geben sich als B2B-Marktplätze aus, obwohl es sich nur um schlecht getarnte B2C-Netzwerke handelt, die weder die Arten von Transaktionen noch die besonderen Kriterien für den B2B-Handel unterstützen. Worauf sollten Unternehmen bei einem Marktplatz achten?

Die meisten Marktplätze, ob B2B oder B2C, sind einfach und intuitiv zu bedienen. Um ihren wahren Wert und ihre Belastbarkeit zu ermitteln, müssen Unternehmen unter die Oberfläche schauen. Im B2B-Einkauf gibt es viel mehr bewegliche Teile als im B2C-Einkauf, von der Beschaffung und Auswahl von Anbietern und Produkten bis hin zur Abwicklung von Anfragen, Verträgen, Zahlungen und Logistik.

Ein weltweites Netzwerk für den Handel im 21. Jahrhundert

Unternehmenskunden möchten vielleicht die gleiche Art von Benutzererfahrung, die sie von Netflix oder Amazon gewohnt sind. Aber sie brauchen auch robuste Prozesse für Verwaltung, Compliance und Integration im Backend. Während sich die Nachfrage nach B2B-Marktplätzen weiterentwickelt, gibt es nach wie vor eine hohe Anzahl an Lösungen, die sich als unternehmenstaugliche Produkte tarnen aber einer genauen Prüfung nicht standhalten.

Eine gute B2B-Marktplatzplattform sollte Einkäufern echte Transparenz und wettbewerbsfähige Angebote bieten, während sie Lieferanten eine breite Interessentenbasis zu niedrigen Kundenakquisitionskosten zur Verfügung stellt. Eine effizientere, widerstandsfähigere und flexiblere Lieferkette wird nur möglich, wenn alle Beteiligten – vom Lieferanten bis zum Spediteur, von den Banken bis zu den Käufern – in demselben digitalen Netzwerk verbunden sind. In diesem Netzwerk können Unternehmen ihren eigenen Marktplatz einzurichten, vertrauenswürdige Geschäftspartner einladen und die Vorteile eines branchenspezifischen Gruppeneinkaufs zu nutzen oder eine völlig neue, vertikal integrierte Lieferkette zu schaffen.

Angesichts des wirtschaftlichen Sturms und weiterer Umwälzungen könnte es noch eine Weile dauern, bis die Weltwirtschaft über den Berg ist. Durch Nutzung von B2B-Marktplätzen schaffen Unternehmen die Basis für einen neuen Handel, der sich durch Wahlmöglichkeiten, Transparenz und vor allem durch Widerstandsfähigkeit auszeichnet.

Autor: Christian Lanng, CEO von Tradeshift

Tradeshift ist im Bereich E-Invoicing und Automatisierung der Kreditorenbuchhaltung sowie im Bereich B2B-Marktplätze und Zugang zu Lieferantenfinanzierung tätig. Seine Cloud-basierte Plattform unterstützt Einkäufer und Lieferanten, den Einkauf und die Rechnungsbearbeitung zu digitalisieren sowie die Arbeitsabläufe in Beschaffung und der Kreditorenbuchhaltung zu automatisieren und schnell zu skalieren. Das Tradeshift-Netzwerk umfasst eine schnell wachsende Gemeinschaft von Einkäufern und Lieferanten, die in mehr als 190 Ländern tätig sind. Weitere Informationen: Tradeshift.com/de

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