Business 5.0: Wie wir der Zäsur jetzt richtig begegnen

Die 5. Industrielle Revolution wird neue Chancen bringen

Lesen Sie hier, wie sich Unternehmen auf das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz und Business 5.0 einstellen können, um Innovationskraft, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Künstliche Intelligenz (KI) polarisiert: Die einen sind vom Hype bereits genervt und wenden sich ab. Die anderen fokussieren sich ausschließlich auf die zur Verfügung stehenden Tools, (oft sogar) ohne ihren Nutzen fürs Unternehmen vorab realistisch einzuordnen. Ganz nach dem Motto „Egal was und wie, Hauptsache mit KI!“. 

Weder das eine noch das andere ist sinnvoll. Stattdessen muss KI als das betrachtet werden, was sie wirklich ist: Eine progressive Technologie, die ein neues Informationszeitalter (mit) einleitet: Business 5.0. Dieses wird sich auf alle auswirken – auf den Manager im DAX-Unternehmen und den Schüler in der dritten Klasse gleichermaßen. Aber von vorne: 

Business 5.0 erklärt 

Was ist Business 5.0 überhaupt? Kurz gesagt ersetzen die sogenannten großen KI-Sprachmodelle wie ChatGPT einen erheblichen Teil der menschlichen Geistesarbeit. In vielen Bereichen liefern sie schnellere Ergebnisse als wir, ohne an Qualität einzubüßen. Sie steigern die Effizienz maßgeblich, sodass wir Arbeit ganz neu denken können. 

Ausführlicher erklärt: Der Begriff ist angelehnt an die Entwicklungsphasen der industriellen Revolution(en). Die im Zuge der ersten (Industrie 1.0) entwickelten Maschinen haben den Menschen weitestgehend von schwerer körperlicher Arbeit befreit. Industrie 2.0 ermöglichte schließlich die Massenproduktion. Ab dem Ende der 1970er-Jahre war die Industrie dann geprägt von Elektronik und IT (Industrie 3.0). Und Industrie 4.0 ist das, was wir heute als vernetzte Produktion und als Internet der Dinge (Industry of Things, IoT) bezeichnen.

Durch die Nutzung der Large Language Models (Generative KI) startet jetzt Industrie 5.0. In vielerlei Hinsicht greift dieser Begriff jedoch zu kurz: Die Revolution wird nicht nur die Industrie betreffen, sondern die gesamte (Wirtschafts-) Welt. Erste Wegweiser, welches Potenzial dadurch gehoben werden kann, gibt es schon: Darunter fallen sowohl neue via KI eingestellte Mitarbeiter als auch erste KI-generierte Diagnosen beim Arzt 

Auswirkungen auf die (Wirtschafts-) Welt 

Länder wie China oder die USA haben diesbezüglich Pionierarbeit geleistet und werden sie für ihre Unternehmen zu nutzen wissen. Effizienz, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sind hier die Stichworte. Denn der Einsatz von KI ermöglicht ein bisher ungeahntes Maß an Automatisierung bei einem gleichzeitig sehr hohen Individualisierungsgrad. Zahlreiche Branchen und Bereiche werden davon profitieren – und ihrerseits entsprechend viele junge Talente anziehen, die verständlicherweise nicht mehr „in der Steinzeit“ arbeiten wollen. Kurzum: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis neue innovative Produkte den globalen Markt revolutionieren. 

Deutschland sollte es aufwecken, dass nach dem Internet und den Smartphones jetzt auch die nächsten technologischen Durchbrüche aus anderen Ländern stammen – nicht zuletzt, weil dies ernsthafte Herausforderungen birgt: 

  1. Die neuen Anwendungen werden so immersiv sein, dass wir als Wirtschaftsmacht abgehängt werden, positionieren wir uns hierzu nicht auf Augenhöhe im globalen Markt. 
  2. KI greift auf Daten von deutschen Privatpersonen, Firmen, Verwaltungen etc. zurück, die Länder wie China oder die USA (kommerziell) verarbeiten – ohne dass bekannt ist, wie sie heute, in zehn oder fünfzig Jahren genutzt werden. 
  3. KI basiert auch immer auf dem Weltbild der Entwickler, deshalb ist es wichtig, dass unser europäisches Verständnis von Gleichheit und Freiheit in dieser bald allumfassenden Technologie verankert wird. 

Die Aufzählung demonstriert: Deutschland sollte sich schnellstmöglich vollständig auf KI einstellen und sie zu nutzen wissen. 

Was die Wirtschaft jetzt tun sollte 

Folgerichtig ist die Wirtschaft zum Handeln aufgerufen. Unabhängig von der Unternehmensgröße muss es jetzt heißen: Umdenken. Zu viele Entscheider fokussieren sich immer noch auf Geschäftsprozesse und Effizienzsteigerungen, ohne die Bandbreite der (potenziellen) Daten einzubeziehen. Dadurch bleiben viele Entwicklungsmöglichkeiten und der Einfallsreichtum derjenigen, die im statt am Unternehmen arbeiten, auf der Strecke – oft auch, weil es keine richtige Datenstrategie im Unternehmen gibt. Noch immer scheitern die meisten KI-Projekte an der Datenqualität.

Sie ist jedoch zwingend erforderlich, um von der rasant wachsenden Anzahl bahnbrechender Anwendungen profitieren zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben. Zugleich müssen bestehende Fachkräfte kontinuierlich weiterentwickelt, Kreativität und neue Prozesse gefördert und attraktive Arbeitsbedingungen für neue Bewerber geboten werden. Die Führungsetage ist hier klar in der Verantwortung, entsprechende Prozesse einzuleiten. 

Wie es funktionieren kann, zeigt beispielsweise die Fressnapf Holding SE: Das Unternehmen hat im letzten Jahr rund 4 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet – durch Expansion und Umbau der Märkte, aber vor allem auch aufgrund neuer digitaler Serviceleistungen. Damit liefert das Unternehmen ein hervorragendes Exempel, wie viel Sinn es macht, sich für den technologischen Wandel und entsprechende neue Geschäftsmodelle zu öffnen.  

Dass wir unseren (Tech-) Fähigkeiten trotz ruckelndem Digitalisierungsprozess vertrauen sollten, bestätigt auch die Entscheidung von Microsoft, zwei Rechenzentren in der Kölner Region zu bauen. Dieser „Hyperscale Data Center Campus“ soll bei der Entwicklung von KI helfen und wird so eine Sogwirkung auf andere (Technologie-) Unternehmen ausüben. Das kann die deutsche Innovationskraft weit nach vorne katapultieren. 

Bildung endlich neu denken 

Doch es reicht nicht, Business 5.0 und die Verantwortung, die damit einhergeht, allein den Unternehmen zu überlassen. Wir müssen viel früher ansetzen: Um einen souveränen Umgang mit den neuen Technologien zu lernen, ist eine flächendeckende Bildung von „Kindesbeinen an“ essenziell. Diese sollte deshalb bereits in den Grundschulen beginnen. Sinnvoll wäre an dieser Stelle beispielsweise ein Fach namens „Datenkunde“, in dem Kinder möglichst früh lernen, verantwortungsbewusst mit Informationen über sich umzugehen.

Zudem müssen auch Auszubildende und Studenten aller Fächer in der Lage sein, Daten sinnvoll zu verarbeiten und Handlungsoptionen aus ihnen abzuleiten. Das gilt gleichermaßen für Personen, die selbst nicht in technischen Berufen tätig sind. Auch sie dürfen den Anschluss an die Digitalisierung nicht verlieren. Nur so wird ein ganzheitlicher, souveräner Umgang mit den neuen technologischen Möglichkeiten sichergestellt und zugleich das Fundament für eine breite Innovationslandschaft errichtet. 

Warum die Politik beim Prozess unterstützen muss 

Bei alledem muss die Politik unterstützen. Baden-Württemberg lebt es engagiert vor. Die Landesregierung strebt eine umfassende Innovationsagenda zum Thema Künstliche Intelligenz an. Außerdem hat sie sich die Entbürokratisierung und Digitalisierung als erklärtes Ziel gesetzt. 

Zugleich wartet das Bundesland mit einem Netz an herausragenden Universitäten, Instituten und Hochschulen auf, die von politischer Seite unterstützt werden. Dies trägt dazu bei, dass Baden-Württemberg die höchste Weltmarktführerdichte der Welt aufweist und sich bislang erfolgreich im internationalen Wettbewerb um hoch qualifizierte Arbeitskräfte und eine industrielle Basis behauptet. 

Was hier auf einer rund 36.000 km2 großen Fläche passiert, benötigen wir in dieser Form dringend in ganz Europa. Es gilt, an einem Strang zu ziehen und Europa in einen zentralen Markt zu verwandeln, der mit einer einheitlichen Technologieoffenheit und Rechtssicherheit die besten Bedingungen für Innovationskraft schafft.  

Gescheiterter Versuch: der AI Act 

Der sogenannte AI Act, der erstmals auf eine solche europäische Rechtssicherheit für KI abzielt, erfüllt diesen Sinn leider nicht: Einerseits schießt er durch Überregulierung über das Ziel hinaus. Andererseits regelt er nicht die Belange, die wirklich von Bedeutung wären. Ein Beispiel: Die sogenannte Plattformarbeit, bei der Unternehmen auf externe Spezialisten zurückgreifen, um Probleme lösen oder Dienstleistungen erbringen zu lassen. Bekannte Vertreter dieser Art sind unter anderem Fiverr oder Clickworker. Statt hier einheitliche Rechtsgrundlagen zu schaffen, überlassen EU-Parlament und Rat dies lieber den einzelnen Mitgliedsstaaten. Der Binnenmarkt wird so durch nationale Gesetzgebung fragmentiert; ungleiche Rechts- und Wettbewerbsbedingungen sind die Folge, was Innovation hemmt. 

Fazit 

Technologien haben die Gesellschaft und den Umgang mit Arbeit schon immer verändert. Angeführt von Künstlicher Intelligenz wird die neue Business-5.0-Ära jetzt das Gleiche tun – nur viel schneller als bisher und mit globalem Ausmaß. Deutschland muss jetzt konsequent handeln, will es international wettbewerbsfähig bleiben. Unternehmen brauchen hierbei Unterstützung. Und das sowohl seitens der Belegschaft als auch seitens Bildung und Politik, die sich allesamt konsequent und schnellstmöglich für neue Technologien und Prozesse öffnen müssen. Nur so kann sich der dringend nötige (Cultural) Change ganzheitlich vollziehen. 

Marcel Kappestein is Managing Director of Avenga Germany, the German subsidiary of the global Avenga Group, which was created in 2019 through the merger of several established IT companies. Internationally, more than 4,300 professionals work for Avenga at 32 locations in Europe, Asia, LATAM and the USA. In his position, he is responsible for the German business as well as Avenga's growth activities and business development in the DACH region. The focus is on digital transformation for corporations and large mid-sized companies. He stands for strong and modern leadership and empowers teams to realize tangible benefits for their business through full customer focus. Marcel Kappestein is a visionary and doer who, among other things, connects companies as well as people through his distinctive network and thereby enables inspiration for the challenges of companies.

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