BI@OTTO: Projekte wurden von Menschen erfunden, man kann sie auch wieder abschaffen

Ein Einblick wie einer der grössten Warenhändler mit der Digitalisierung umgeht

Wie OTTO sich im digitalen Wandel neu erfindet und zu einem der Vorreiter der Digitalisierung wird. Conny Dethloff teilt seine Erfahrungen und die neuesten Trends die OTTO durchläuft und wie sich die Prozesse und Strukturen angepasst haben.

Strukturen konditionieren Menschen im Denken und Handeln. Möchte man, dass sich Denken und Handeln von Menschen ändern, sollte man an den zu Grunde liegenden Strukturen ansetzen, nicht bei den Menschen an sich. Bei den Strukturen unterscheide ich zwischen externen und internen. Externe Strukturen sind beispielsweise formal beschriebene Regeln in Unternehmen (Organigramme, Prozesse, Rollen, Methoden etc.), in und nach denen Menschen handeln.

Es gibt aber auch informale Regeln, die zwar nicht explizit definiert und beschrieben sind, nach denen Menschen in Unternehmen aber trotzdem handeln. Zum Beispiel, wenn in einem Meetingraum ein bestimmter Platz am Tisch immer dem Vorgesetzten vorbehalten ist. Interne Strukturen bedingen die Art und Weise wie die Menschen ihre Umwelt wahrnehmen und dann darüber reflektieren und lernen. Diese internen Strukturen sind mentale Modelle, die höchst subjektiv sind. Häufig werden diese auch als Mindset oder Haltung beschrieben. Beide Strukturen, die internen und die externen bedingen einander, das bedeutet die internen beeinflussen die externen und umgekehrt.

Möchte man nun einen Wandel in einem Unternehmen ankurbeln, müssen Strukturen geändert werden. Diese Erfahrung haben wir bei BI@OTTO in der nahen Vergangenheit gemacht, nachdem wir uns am Anfang unseres Weges hauptsächlich um die Weiterentwicklung unserer Technologie Gedanken gemacht haben.

In diesem Beitrag möchte ich die externen Strukturen thematisieren, die wir bei BI@OTTO im Rahmen des Kulturwandels geändert haben bzw. derzeit ändern.

Warum passen die bestehenden Strukturen eigentlich nicht?

So wie alles was wir heute erleben einen Grund hat, hat auch die Art und Weise, wie wir in Unternehmen denken und handeln einen. Dieser liegt in der Blütezeit der Industrialisierung begründet. Zu dieser Zeit lag der Fokus auf Effizienz. In den Unternehmen war klar was getan werden musste. Es musste nur schnell und kostengünstig geschehen. Der Optionsraum an Handlungen des Marktes war klein, der der Unternehmen groß. Wir hatten einen Verkäufermarkt.

Mit der steten Weiterentwicklung der Technologie und damit der einhergehenden Vergrößerung der Vernetzung in der Welt, wendete sich nach und nach das Blatt. Der Handlungsspielraum des Marktes wurde größer und größer. Nun liegt es eben nicht mehr so klar auf der Hand, was in den Unternehmen getan werden muss, damit diese am Markt lebensfähig bleiben. Effektivität wird entscheidend.

Unsere Strukturen in den Unternehmen sind aber auf Effizienz ausgelegt. Die Fokussierung liegt auf der Weiterentwicklung funktionaler Exzellenzen, wie Vertrieb, Einkauf, Logistik, Produktion, Controlling etc. Ein Unternehmen musste funktionieren wie eine Maschine. Unser Denken war auf dem folgenden Paradigma aufgebaut: Werden die Einzelteile optimiert wird automatisch die Gesamtleistung des Unternehmens optimiert. Wenige Menschen denken, viele führen aus. Um diesen Fakt zu erkennen, müssen Sie sich nur einmal Organigramme in Unternehmen anschauen.

Komplexe Probleme, vor denen die Unternehmen heute stehen, löst man nicht in Silos, sondern über Vernetzung der Experten aus diesen Silos. In wissens-, skill- und kompetenzintensiven Marktumfeldern, in denen sich Unternehmen heute bewegen, kommt der kognitiven und sozialen Leistung des Individuums und der Teams eine steigende und viel bedeutendere Rolle zu als es in Zeiten der Industrialisierung der Fall war. Nun muss Denken und Handeln verschmelzen.

Darauf geben die Strukturen in den Unternehmen eine unzureichende Antwort. Auch das Einführen des Strukturelements „Projekt“ war nur eine Verlängerung des alten nicht passfähigen Denkrahmens. Wir sollten also weg kommen von einer funktionalen hin zu einer prozessualen Struktur, um Experten in den Unternehmen zu Teams zu formieren.

morethandigital Funktionale und Prozessuale Struktur bei OTTO

Warum wir bei BI@OTTO keine Projekte mehr machen

Dieser Umstand führte dazu, dass wir bei BI@OTTO Projekte abgeschafft haben. Diese Erkenntnis war natürlich am Anfang nicht per se vorhanden. Sie hat sich entlang unserer digitalen Reise entwickelt. Entscheidend dafür war das Stellen der richtigen Fragen zur richtigen Zeit.

Die erste wichtige Frage war die nach unserer Identität, also die Frage danach, warum es uns als Bereich eigentlich gibt. Der BI Bereich bei OTTO umfasst ungefähr 250 Menschen. Wir verstehen uns als interner Dienstleister unserer Fachbereiche bei OTTO im Kontext Daten und Entscheidungen. Die Fachbereiche sind unsere Kunden. Wann immer die Fachbereiche Probleme in diesem Thema haben sind wir zur Stelle. Wir sind Problemlöser, in dem wir Produkte (Reports, Dashboards, Cockpits, Datenanalysen, Data Science Modelle) und Services (Schulungen, Consulting) anbieten.

Die nachfolgende Abbildung stellt diese Identität dar.

morethandigital BI Value Streams bei Otto

Die zweite Frage war die nach unseren Fähigkeiten, Kompetenzen und Skills, um diese Identität zu leben. In diesem Zuge haben wir das Buzzword „Agil“ entmystifiziert. Welche Fähigkeiten muss man als Unternehmen, Bereich oder Team besitzen, um agil zu sein? Hier sind wir auf 4 gestoßen.

  1. Wir müssen unsere Kunden kennen!
  2. Wir müssen Wünsche, Bedürfnisse und Probleme unsere Kunden kennen!
  3. Wir müssen in der Lage sein, die Wünsche, Bedürfnisse und Probleme unserer Kunden zu lösen, und zwar entscheidend besser als andere!
  4. Bezüglich der Fähigkeiten 1 bis 3 müssen wir stetig lernen und besser werden!

Anschließend haben wir in der Praxis festgestellt, dass Projekte nicht das richtige Strukturelement sind, um diese Fähigkeiten auszubilden und zu leben. Warum?

  1. Im Rahmen der Projektanbahnung mussten zu viele Tätigkeiten durchgeführt werden, die nicht wertgenerierend sind. Beispiele dafür sind das Anfertigen von Dokumenten für Projektanträge und Projektvereinbarungen oder das Anfordern von Budget und Menschen je Projekt.
  2. Projekte haben ein definiertes Ende. Projektteams zerfallen nach Projektende. Menschen, die BI Produkte erstellen, sind für den Betrieb dieser nicht verantwortlich. Da kann es dann schon einmal zu Nachlässigkeiten im Kontext Qualität der BI Produkte führen. Dieses Handlungsmuster möchte ich gar nicht verurteilen. Projekte fördern nun einmal kein nachhaltiges Verhalten, da der Betrieb der BI Produkte an andere Teams und Menschen delegiert wird.
  3. Unsere Kunden, die Mitarbeiter in den OTTO Fachbereichen, haben keinen dedizierten Ansprechpartner für in Projekten erstellte BI Produkte. Kommen beim produktiven Einsatz von BI Produkten Fragen hoch oder der Wunsch nach Weiterentwicklung, herrscht Unklarheit in der Verantwortlichkeit des Aufnehmens dieser.

Aber was machen wir stattdessen? Hier möchte ich Sie gerne auf diesen kleinen 15-minütigen Vortrag verweisen, den ich im Rahmen eines Kulturwandelworkshops bei OTTO gehalten habe.

Herzlichst, Conny Dethloff

    Conny Dethloff ist im Jahr 1974 geboren und hat sein Studium als diplomierter Mathematiker 1999 abgeschlossen. Direkt im Anschluss ist er in die Wirtschaft aktiv eingestiegen, bis 2011 als Unternehmensberater bei PwC und IBM Deutschland GmbH und ab dem Jahre 2012 als Senior Manager im Bereich Business Intelligence bei der OTTO GmbH & Co KG. Dort ist seine Aufgabe OTTO im Kontext BI, Big Data und Kultur in das digitale Zeitalter zu führen. Erkenntnisse, die er im täglichen Arbeitsleben generiert, reflektiert er seit 2009 in seinem Logbuch „Reise des Verstehens“ (http://blog-conny-dethloff.de/), sowie als Gastautor auf der Plattform der Unternehmensdemokraten (http://www.unternehmensdemokraten.de/author/conny/) und der Lean Knowledge Base (https://www.lean-knowledge-base.de/author/conny-dethloff/).

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