FinTech-Ökosysteme – Die Zukunft des Finanzsektors?!

Wer wird sich durchsetzen? - FinTech und Ökosysteme als Zukunftsmodell

Wie es gelingen kann ein funktionierendes FinTech Ökosystem zu etablieren und warum digitale Ökosysteme in der Finanzwelt wichtig werden.

CD- oder Plattenspieler sind mit der digitalen Transformation der Musikindustrie bereits vor Jahren ausgemustert worden, im Retail-Bereich boomen e-Commerce-Konzepte schon lange. Doch wie ist es um die digitale Transformation im Finanzsektor bestellt? Was verändern FinTechs?

Veränderte Kundenbedürfnisse

Auch die Finanzindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Der zentrale Treiber der digitalen Transformation sind das dramatisch veränderte Kundenverhalten und damit einhergehend veränderte Ansprüche, die traditionelle Akteure im Finanzsektor oft nicht mehr erfüllen können und die nicht zuletzt durch die grundlegende digitale Transformation anderer Sektoren vorgeprägt wurden. Die Corona-Pandemie und die dadurch verbundenen Maßnahmen zum Social Distancing sowie die stärkere Verlagerung in die digitale Sphäre haben diesen Trend noch einmal beschleunigt.

Während Kunden lange Zeit auf die klassische Beratung vom Bank- oder Versicherungsberater in der Filiale vor Ort gesetzt haben, können sie sich heute selbstständig und unabhängig digital informieren. Dank schnellerer Mobilfunknetze wie 5G, immer leistungsstärkerer Smartphones und vor allem Apps, die Informationen über Finanzdienstleistungen bereitstellen und die schnelle Ausführung von Transaktionen oder den Abschluss von Verträgen ermöglichen, sind Kundenerwartungen deutlich gestiegen. Ein Beratungsgespräch in einer Filiale vor Ort zu einer Anzahl von Dienstleistungen und Produkten, die der jeweilige Anbieter allein anbietet, kann diesen Kundenbedürfnissen in vielen Fällen nicht mehr gerecht werden. Stattdessen erwarten Kunden heute ein umfassenderes und flexibleres Dienstleistungsangebot und dass Beratung und Produkte auch außerhalb der klassischen Filial-Öffnungszeiten zur Verfügung stehen.

Im Vergleich mit anderen Sektoren wie dem e-Commerce, wo die Digitalisierung weit fortgeschritten ist und ein funktionierendes Ökosystem etabliert wurde, besteht in der Finanzdienstleistungsbranche noch Nachholbedarf. Banken, Versicherer und insbesondere etablierte Finanzplattformen mit vielen Kunden (wie bspw. Vergleichsportale) buhlen gleichermaßen um die Vorreiterrolle im FinTech-Ökosystem. Einige Start-ups sind bereits dabei gescheitert, der zentrale Punkt eines Ökosystems zu werden, da keine ausreichend große Endkundenbasis vorhanden war und die Neukunden-Akquisition nicht nur kostspielig, sondern auch zeitintensiv ist. Gleichzeitig erhalten traditionelle Banken und Versicherungen durch die Expansion großer Plattformanbieter in das traditionelle Geschäft mit Finanzprodukten immer stärkere Konkurrenz. Sowohl etablierte Banken und Versicherungen als auch aufstrebende FinTechs stehen also vor der Herausforderung, wie sie sich langfristig in einem von veränderten Kundenbedürfnissen geprägten Markt durchsetzen können.

Wer wird sich durchsetzen?

Zahlreiche Experten gehen davon aus, dass auf lange Sicht die Anbieter erfolgreich sein werden, die eine hohe Anzahl an regelmäßigen Touchpoints zu ihrer Kundenbasis haben und denen es darüber hinaus gelingt, langfristiges Vertrauen zum Endkunden aufzubauen. Was bedeutet das konkret? Produkte und deren Schnittstellen müssen benutzerfreundlich gestaltet werden. Neben einer Erreichbarkeit auch außerhalb klassischer Filialöffnungszeiten sollten alle Vertriebskanäle, on- und offline, aufeinander abgestimmt sein. Eine wichtige Rolle spielt auch, dass digitale Lösungen einfach zu bedienen sind, ein hohes Maß an Flexibilität besitzen und sich friktionslos über Schnittstellen in bestehende IT-Landschaften integrieren lassen. Ein weiterer Erfolgsfaktor wird ein hohes Maß an Produktflexibilität sein: Vor allem jüngere Kunden erwarten Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Laufzeiten und abrufbaren Features eines Produkts. Bei vielen Finanzprodukten geht der Trend zu „Usage Based“ oder „Pay per Use“ – d.h. man zahlt für einen bestimmten Nutzungsumfang oder auch nur, wenn man das Produkt in Anspruch nimmt.

Während viele Start-ups dies bereits erfolgreich umsetzen, bestehen bei traditionellen Banken und Versicherungen häufig noch alte Strukturen, die das veränderte Verhalten und die neuen Bedürfnisse ihrer Kunden nicht ausreichend berücksichtigen können. Doch ein weiterer Schlüsselfaktor, um eine hohe Kundenbindung zu erreichen, ist Vertrauen. Kernpunkte hierfür sind Mehrleistungen im Service, gezielte Investitionen in die Marke und deren digitale Präsenz und nicht zuletzt eine hohe Datensicherheit und funktionierende Compliance, die die regulatorischen Anforderungen erfüllt und Sicherheit garantiert. Hier wiederum kommen die Stärken der traditionellen Marktteilnehmer zum Tragen, die häufig sowohl über einen breiten Kundenstamm verfügen als auch über etablierte Prozesse zum Schutz der Daten und zur Erfüllung von Compliance-Anforderungen.

Etablierung eines FinTech Ökosystems

Der Schlüssel, um die radikal veränderten Kundenbedürfnisse zu erfüllen und die gestiegenen Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen zu erfüllen, liegt also in stimmigen Kooperationen zwischen Finanzdienstleistern und FinTechs und der Etablierung eines funktionierenden Ökosystems. Solche Ökosysteme bringen das Beste aus beiden Welten zusammen und ermöglichen eine klare Ausrichtung auf die Zukunft. FinTech Ökosysteme bedeuten aber auch einen Mentalitätswandel – insbesondere auf Seiten der etablierten Player. „Wir sind gerade in einem ganz starken Wandlungsprozess: Während Banken sich früher darauf konzentriert haben, möglichst alles selbst, integriert und ‚on premise‘ zu machen, bricht das jetzt komplett auf und Banken sind bereit, mit Plattformen zusammenzuarbeiten“, so ein Branchenexperte im Podcast „EY FinTech & bEYond“. Denn nur ein funktionierendes FinTech Ökosystem kann die gewachsenen Ansprüche der Kunden erfüllen und damit auch gegen die Konkurrenz der BigTechs Stand halten.

Denn ein intelligentes Ökosystem bietet nicht nur Möglichkeiten für mehr Kooperationen zwischen etablierten Finanzdienstleistern und innovativen FinTechs, sondern auch für eine stärkere Integration zwischen traditionell eher getrennt angebotenen Produkten und Dienstleistungen. Das ermöglicht nicht nur individueller auf den Kunden zugeschnittene Angebote, sondern erhöht auf längere Sicht auch die Kundenbindung. Denn je mehr Angebote der Kunde auf einer Plattform erhält, desto treuer wird er dieser bleiben. So sehr sich die Entwicklung im Finanzsektor auch von der anderer Sektoren abhebt – diese Lektion, die die Musikindustrie und der e-Commerce gelernt haben, trifft auch auf FinTech Ökosysteme zu

Florian Gmach ist Director im Bereich Strategy & Transactions mit Schwerpunkt auf Transaktionen und Übernahmen bei Finanzdienstleistern und FinTechs. In diesem Kontext ist er Teil des Moderatorenteams des Podcasts ‚EY FinTech & bEYond‘, in der die deutsche EY FinTech Practice Trends, Entwicklungen und Erfolgsstrategien im FinTech-Segment mit spannenden Gästen aus der Branche diskutiert.

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