Digitalisierungsprojekt droht zu scheitern? – 5 einfache Schritte für einen Turnaround

Woran scheitern Digitalisierungsprojekte und wie kann man ein Scheitern frühzeitig erkennen?

Digitalisierungsprojekte haben eine ungeheure Komplexität, die gehandhabt werden möchte. Keine Technologie oder Datenmodelle können diese Komplexität so gut managen wie der Mensch selbst. Doch dazu muss der Mensch in einem Team gut funktionieren. In diesem Artikel erfahren Sie, woran Digitalisierungsprojekte meistens scheitern, wie Sie ein Scheitern frühzeitig erkennen können und wie Sie mit fünf einfachen Schritten dafür sorgen, dass Sie Ihr Projekt nicht abbrechen müssen.

Einleitung

Manchmal höre ich, dass die meisten Digitalisierungsprojekte (Artikel dazu: Leitfaden Digitalisierung für Entscheider – Mehr Klarheit in der Praxis) sowieso nur verkappte IT-Projekte sind, wie man sie schon vor 20 oder 30 Jahren durchgeführt hat. Dieselben Personen versichern mir dann immer wieder, dass es ganz normal sei, wenn nur ein Bruchteil des Funktionsumfangs implementiert werden kann. Genau. Das einzige, das solche Projektbeteiligten erzeugen, sind labile Projekte, die am Rande des Scheiterns stehen.

Ich möchte in diesem Artikel herausarbeiten, wie Sie ein Projekt in Schieflage frühzeitig erkennen und wie Sie schnell gegensteuern und den Turnaround schaffen können. Dabei könnte ich auf Vieles eingehen. Datenmodelle, Systemarchitekturen, User Stories, Agile Projektentwicklung, Technologien und so weiter. Aber mein Fokus liegt allein auf den beteiligten Menschen. Denn dort liegt der größte Hebel für den Projekterfolg versteckt. Das ist übrigens der große Unterschied im Vergleich zu den guten alten IT-Projekten aus den 2000er Jahren und davor. Der Mensch stand in der Regel nicht im Mittelpunkt. Es ging um Software, Funktionen, Technologien. Und den Rest der Energie hat man dann noch im Projektmanagement versenkt. Erst mit der Fokussierung des Menschen in Form von Anwendern, Kunden und anderen Stakeholdern Anfang der 2010er Jahre und mit Etablierung des Business Model Canvas Frameworks hat auch die breite Masse verstanden, wie wichtig der Mensch in dieser Formel ist.

Nur leider scheitern immer noch sehr viele Digitalisierungsprojekte, was vor allem deutschen Unternehmen teuer zu stehen bekommt. Daher schauen wir nun auf die wichtigsten Frühindikatoren in solchen Projekten.

Warum Digitalisierungsprojekte in eine Schieflage kommen

Dass Digitalisierungsprojekte keine Selbstläufer sind, müsste allen klar sein. Und doch kann man stark beeinflussen, ob ein Projekt erfolgreich verlaufen wird oder nicht. Dabei sollten Sie bedenken, dass meistens der Mensch die Ursache für gescheiterte Projekte bildet.

Die wichtigsten Faktoren sind diese:

  1. Unerfahrene Teams
  2. Schlechte Kommunikation
  3. Unterschätzte Komplexität

Unerfahrene Teams stellen einen großen Unsicherheitsfaktor dar. Meistens werden solche Projektteams erst nach Verfügbarkeit und danach nach Skills ausgesucht. Denn wer kennt es nicht: auch in Unternehmen zwischen 500 – 1.500 Mitarbeitern sind es meistens die gleichen Gesichter, in die man blickt, wenn man neu in ein Projekt startet. Dass diese Teams nicht vor Erfahrung strotzen können, ist klar. Wenn Sie niemanden haben, der so ein Team in kürzester Zeit formen und führen kann, bekommen Sie kurzfristig ein Problem.

Der zweite Faktor ist schlechte Kommunikation. Auch hier ist wieder der Faktor Mensch ausschlaggebend. Die Art und Weise der Kommunikation, die in Ihrem Unternehmen zu Ihrem Digitalisierungsprojekt stattfindet, lässt sich gut in der Kommunikation im Projektteam erkennen und ableiten. Kommuniziert das Team schlecht, kann die Kommunikation nach außen nicht besser sein.

Der dritte Faktor, warum Digitalisierungsprojekte in eine Schieflage kommen können, liegt an der falschen Einschätzung der Komplexität. Es ist fast schon unerheblich, welche Ihrer Geschäftsprozesse Sie digitalisieren möchten, Sie haben meistens Schnittstellen in fast alle Geschäftsbereiche in Ihrem Unternehmen. Finanzen, Controlling, Einkauf, Lagerlogistik, HR, Wertschöpfung. Sie alle sind meistens beteiligt. Wenn Sie diese Komplexität falsch einschätzen, werden Sie und Ihr Projektteam einfach überrollt.

Natürlich gibt es weitere Einflussfaktoren, die Projekte dieser Art ins Wanken bringen können. Schreiben Sie doch gerne Ihre Erfahrungen in die Kommentare. Ich bin mir sicher, dass Sie damit jemand anderem einen Gefallen tun können.

Wie Sie die Schieflage Ihres Projekts frühzeitig erkennen können

Um tiefer einzusteigen und aufzuzeigen, was Sie für einen Turnaround im Projekt tun können, müssen wir noch einmal detaillierter auf Ursachenforschung gehen. Das Auftreten der folgenden Punkte ist ein sicheres Zeichen dafür, dass Ihr Projekt bald in Schieflage gerät oder auf dem besten Weg dort hin ist.

1. Kein gemeinsames Zielbild

Wenn Ihnen und Ihrem Team nicht eindeutig klar ist, was Sie gemeinsam erreichen wollen, wie sollen es dann andere Stakeholder wissen? Externe Dienstleister, eigene Mitarbeiter, die eigene IT- und Fachabteilungen. Sie alle sind von den Informationen aus dem Projektteam abhängig. Wenn von dort aus widersprüchliche Informationen kommen, kann kein gemeinsamer Weg entstehen. Horchen Sie früh und regelmäßig in Ihre Organisation hinein. Sind alle zielgerichtet unterwegs?

2. Keine Verbindlichkeit im Team

„Ja, das mache ich noch!“ Sie erwarten, dass Aufgaben erledigt werden. Und zwar in time. Doch wenn das gemeinsame Zielbild fehlt, kann die Verbindlichkeit im Team nicht steigen. Es ist vorgezeichnet und zudem hausgemacht, dass es immer weniger Verbindlichkeit im Team gibt, was die Arbeitsgeschwindigkeit als auch die Arbeitsqualität drastisch senken wird. Es kommt bald zum Stillstand.

3. Keine Konfliktkultur

Wenn Sie im Team merken, dass unterschwellig Konflikte brodeln, aber von niemandem angesprochen werden, seien Sie gewarnt. Die Balance im Team stimmt dann nicht mehr. Und das geht selten gut. Oder haben Sie etwas schon einmal ein Auto mit drei Reifen ein Rennen gewinnen sehen?

4. Kein Vertrauen

Nun hat man alle Zutaten beisammen. Besteht kein gemeinsames Zielbild, kann im Team keine große Verbindlichkeit entstehen. Die Performance im Team sinkt. Wenn keine Verbindlichkeit herrscht, kann keine Konfliktkultur entstehen. Der Schritt zu fehlendem Vertrauen ist dann nicht mehr groß. Das Team misstraut sich gegenseitig. Eine Abwärtsspirale entsteht, die kaum mehr brauchbare Ergebnisse produziert. Das Projekt gerät ins Schwanken.

5. Die Störgeräusche werden größer

Seien Sie jetzt auf alles gefasst! Es hätte niemals so weit kommen dürfen, aber achten Sie inzwischen insbesondere darauf, was außerhalb des Projekts passiert. Denn eines ist klar. Genauso wie der Projekterfolg nicht verborgen bleibt, so wird auch der Misserfolg für andere sichtbar. Dadurch werden andere Projekte plötzlich höher priorisiert, die Ressourcen werden Schritt für Schritt bei allen knapp und größere Meilensteine werden jedoch öfter nicht erreicht. Es ist jetzt höchste Zeit, dem entgegenzusteuern.

Was Sie nun jetzt tun können

Nachdem Sie die Erkenntnis erlangt haben, dass Ihr Projekt in eine schwierige Lage manövriert wurde, müssen Sie schnell und besonnen handeln. Ich habe Ihnen die Schritte einmal aufgelistet und kurz beschrieben.

1. Bremsen, rechts ranfahren, aussteigen

Das Wichtigste ist jetzt, die Ruhe zu bewahren. Treten Sie auf die Bremse und machen Sie mit Ihrem Team eine Pause vom Projekt-Tagesgeschäft. Schaffen Sie den Raum, damit Ihr Team weiß, dass es inzwischen eine Trendwende benötigt, um weitermachen zu können.

2. Bestandsaufnahme und Zielbild

Analysieren Sie jetzt in Workshops (z.B. mit einer Retrospektive), woran es gelegen hat, dass Sie sich indessen aus einer schwierigen Lage befreien müssen. Seien Sie ehrlich miteinander und schätzen Sie sich gegenseitig. Beachten Sie dabei auch die Dinge, die bisher gut liefen. Sie werden sicher etwas finden. Erarbeiten Sie dann auf dieser Basis ein gemeinsames Zielbild aus. Was wollen Sie erreichen? Was soll sich nach der Digitalisierung verbessert haben? Sie dürfen hier ruhig konkreter werden. Es ist keine reine Vision, die unerreichbar ist.

3. Teammanagement

Blicken Sie auf Ihr Team und analysieren Sie, was Ihrem Team fehlt. Gibt es ungelöste, große Konflikte? Sind genügend Ressourcen vorhanden? Ist das Team zu klein, oder gar zu groß? Ergreifen Sie zeitnah die richtigen Entscheidungen und sorgen Sie dafür, dass Ihr Team genauso für den Projekterfolg brennt wie Sie.

4. Kommunikation

Stellen Sie Ihre Kommunikation auf neue Beine. Die interne Projektteam-Kommunikation, wie auch die Kommunikation Richtung Stakeholder ist wichtig und ein Erfolgsfaktor. Unterschätzen Sie dies nicht. Sorgen Sie für regelmäßige und zielgruppengerechte Kommunikation. Das erzeugt Transparenz und Transparenz beruhigt und motiviert alle Beteiligten.

5. Controlling

Halten Sie Ihre Entwicklung nach. Dafür benötigen Sie kein kompliziertes Rechenkonstrukt. Konzentrieren Sie sich auf die zu erzielenden Ergebnisse. Wie können Sie diese Ergebnisse in Zahlen ausdrücken? Wie können Sie diese Zahlen in leicht verständlichen Key Performance Indicators (KPIs) interpretierbar machen?

Wenn alles nichts hilft

Tun Sie sich, Ihrem Team und Ihrem Unternehmen einen Gefallen. Sollten alle Maßnahmen scheitern, dann erwägen Sie, das Projekt abzubrechen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Damit erhöhen Sie Ihre Kredibilität als fähiger Manager im Unternehmen und somit auch die Chancen, dass Ihnen das nächste Projekt ebenfalls anvertraut wird.

Ein Projektstopp hat viele Facetten. Planungsfehler zählen zu den häufigsten Ursachen. Lassen Sie die Innovationsfähigkeit und die Digitale Transformation Ihres Unternehmens also nicht daran scheitern, indem Sie ein totes Pferd reiten.

Fazit zum Turnaround von Digital-Projekten

Projekte sind in aller Regel eine Herausforderung. Digitalisierungsprojekte sind durch die hohe Komplexität noch viel anfälliger für ein Scheitern. Sollten Sie also wieder einmal in eine Lage kommen, in der Sie merken, dass irgendetwas nicht stimmt in Ihrem Digitalisierungsprojekt, Sie Ihr Bauchgefühl aber noch nicht genau mit Zahlen, Daten, Fakten belegen können, dann nehmen Sie sich diesen Artikel an die Hand und prüfen Sie ruhig und besonnen nach, wo Ihr Projekt steht.

Francesco ist seit 2011 Unternehmer und Unternehmensberater und hat schon Prozesse digitalisiert, als die Digitalisierung noch einen Exotenstatus hatte. Für ihn sind die Menschen und die Simplifizierung Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung. Seine Spezialität liegt in der Digitalisierung der Auftragsmanagementprozesse für dezentral organisierte Service-Unternehmen.

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