Leitfaden Digitalisierung für Entscheider – Mehr Klarheit in der Praxis

Wie Sie als Entscheider das komplexe Thema Digitalisierung einfach angehen

Die Digitalisierung ist ein maximal mehrdeutiges Thema. Es erinnert an die Diskussion um die Industrie 4.0 und sie ist daraus auch entstanden. Doch was bedeutet die Digitalisierung für Sie und Ihr Unternehmen? Wie gelingt Ihnen der Einstieg und welches Thema gehen Sie als erstes an? Dieser praxisorientierte Artikel liefert Ihnen in kompakter Form die wichtigsten Infos.

Für wen ist dieser Artikel geschrieben?

Sie sind Entscheider in einem Service-Unternehmen, z.B. in der Baubranche oder der Telekommunikationsbranche, und werden mit der Umsetzung eines Digitalisierungsprojekts betraut. Und Sie möchten Ihr Projekt optimal umsetzen. Dieser Artikel soll Ihnen einen umfassenden Überblick geben, welche Aufgaben Sie in den jeweiligen Phasen erarbeiten und welche Informationen Sie bereitstellen sollen, damit es bei der Umsetzung „rund“ läuft.

Speziell werde ich meine Artikel aufbauen entlang der Phasen der Digitalisierung. Praktische Beispiele kommen immer aus meiner Beratungspraxis.

Dieser Artikel ist zudem für Praktiker geschrieben. Ich werde zwar theoretische Frameworks nennen, aber dabei kommt es immer auf die richtige Anwendung an, deshalb orientiere ich mich am praktischen Einsatz der Frameworks. Noch etwas zum Tonfall dieses Artikels: ich halte nichts von Weichspülerei, aber ebenso wenig von einer arroganten herabschauenden Haltung. Der Artikel ist direkt und ungeschönt geschrieben. Es wird nichts schöngeredet und auch nichts überspitzt. Jeder, der die Digitalisierung mit einem pragmatischen und praktischen Ansatz angehen möchte, ist hier genau richtig!

Start in die Digitalisierung

Und dabei sind wir schon beim Startpunkt in der Digitalisierung. Zwei Dinge sind hier zu beachten:

  1. Sie müssen die Digitalisierung einfach starten.
  2. Sie müssen die Digitalisierung für sich definieren.

Zu 1. Sie müssen die Digitalisierung einfach starten.

Der Start in die Digitalisierung ist unspektakulär. Es braucht eine Sache: Ihre Entscheidung. Und zwar Ihre ernst gemeinte Entscheidung. Ernst gemeint deshalb, weil Sie mit dieser Entscheidung bewusst einige Dinge mitentscheiden:

  1. Die Digitalisierung erhält Einzug in Ihr Unternehmen. Sie wollen Ihr Unternehmen digital transformieren. Von einem erfolgreichen Unternehmen, das mit analogen Werkzeugen arbeitet, hin zu einem innovativen Unternehmen, das mit den neuesten Werkzeugen arbeitet und Ihren Kunden zukünftig andere oder zusätzliche Produkte und Dienstleistungen bereitstellen kann. Hier ist die Digitalisierung der erste Schritt.
  2. Punkt 1 impliziert, dass Sie der Digitalisierung einen Raum zur Verfügung stellen. Raum bedeutet, dass Sie zukünftig jedem unternehmerischen Gedanken einen kleinen, freien Platz einräumen und dort einen digitalen Gedanken platzieren. Hört sich abstrakt an? Vielleicht. Können Sie das in der Praxis überhaupt leisten? Wenn Sie wollen, JA! Überall, wo Sie in den Medien und in der Fachliteratur das Schlagwort „Digitales Mindset“ hören oder lesen können; das ist damit gemeint.
  3. Mit dem Raum sollten Sie weitere Ressourcen bereitstellen. Ich spreche von Geld für Investitionen in Software, Hardware und in Menschen. Wie Sie die Investitionen für die Digitalisierung berechnen, stelle ich in einem der nächsten Blogposts vor.
  4. Menschen sind Ihre wichtigste Ressource in der Digitalisierung. Sie schreiben das vielleicht auf Ihrer Webseite oder in Ihren Broschüren. Nur jetzt kommt es darauf an, ob Sie es ernst meinen. Menschen in Digitalisierungsprojekten brauchen Rückendeckung, und zwar nicht nur von Vorgesetzten, sondern von allen Kollegen. Denn auf diese Menschen prasselt eine neue Welt ein. So viele neue Einflüsse und Eindrücke, zu verarbeitende Informationen oder Grundlagenarbeiten haben die meisten Mitarbeiter meiner Kunden schon lange nicht mehr erlebt oder erledigt.
  5. Was Ihnen niemand sagt ist: Sie müssen sich von einer ganzen Menge an Menschen und Dingen trennen. Die Digitalisierung trennt nämlich die Spreu vom Weizen und wirkt wie eine Erneuerungskur. Alte Softwaremodule, Risiken, Abhängigkeiten, falsche Stammdaten, schlechte Prozesse, aber auch Mitarbeiter, die den Wandel nicht mitgehen möchten. Bei Letzteren ist die Digitalisierung jedoch nie der Grund, zu kündigen, aber meistens die Auswirkung. Dazu folgt ebenso in einem der nächsten Blogeinträge eine Erklärung.

Soweit so gut. Der Start ist getan. Eine Entscheidung wurde gefällt, Ihre Entscheidung. Kommen wir zum zweiten Punkt.

Sie müssen die Digitalisierung für sich definieren

Hier sind zwei Definitionen, die ich zur Digitalisierung finden konnte:

„Die Digitalisierung eines Unternehmens kann nach innen gerichtet sein, z. B. dann wenn Geschäftsprozesse digitalisiert werden um Kosten zu senken, die Effizienz zu erhöhen und die Produktivität zu steigern. Eine größere Herausforderung der Digitalisierung ist jedoch der mit der Entwicklung von Produkten und/oder Dienstleistungen einhergehender Anspruch von Unternehmen innovativ zu sein, um langfristig den Umsatz zu steigern und Marktanteile zu gewinnen.“ [Kofler, T., Das digitale Unternehmen – systematische Vorgehensweise zur zielgerichteten Digitalisierung, 2018, Springer-Verlag GmbH Deutschland].

„Digitalisierung […] an sich ist nur der Prozess um Analoge Medien in bits und bytes (oder andere Formen von 0 und 1 wie bspw. Rauchzeichen) zu pressen. Dieses blosse abbilden von Informationen in eine 0 und 1 Version wird dementsprechend Digitalisierung genannt.“ [Talin, B., Digitalisierung Vs. Digitale Transformation – Unterschied Und Definition, 2021].

Und, hilft Ihnen das bei der Umsetzung der Digitalisierung in Ihrem Unternehmen?

Das dachte ich mir. Die Definitionen sind deshalb nicht falsch. Aber: Die Digitalisierung muss nicht mehr erklärt werden, ihre Umsetzung hingegen schon.

Und da sind wir dann bei der Frage: „Wie kann ich mein Unternehmen digitalisieren?“.

Die Arbeit, die es also als erstes zu erledigen gilt, ist, Ihre Definition für die Digitalisierung zu erarbeiten. Manche sprechen auch von der Erarbeitung einer Digitalstrategie. Auch hier gibt es in der Praxis wieder verschiedenste Definitionen. Doch der Start in die Digitale Transformation beginnt mit der Digitalisierung von Geschäftsprozessen.

Warum ist das so?

Wenn ein Unternehmen gerade dabei ist, die Digitale Transformation anzugehen, muss die Ausgangslage beachtet werden. In vielen Fällen, die ich aus der Praxis kenne, ist die letzte große Digitalisierung schon mehrere Jahrzehnte her. Richtig gelesen. Fast immer war das um den Jahrtausendwechsel (manche werden das noch als Millennium oder Millenniumwechsel kennen, also um das Jahr 2000 herum) die Einführung von SAP als ERP-System. Danach ist nicht viel passiert, was den Einsatz von Software-Tools angeht. Das Unternehmenswachstum war rasant, Mitarbeiter- und Umsatzzahlen haben sich vervielfacht, die Werkzeuge sind aber gleichgeblieben. Komplexe Excel-Dateien oder Access-Datenbanken prägten seither den Arbeitsalltag.

Die Digitalisierung fängt also bei den Geschäftsprozessen an. Und dort startet man nicht bei irgendwelchen Prozessen, sondern bei den Prozessen, die für die Wertschöpfung am wichtigsten sind. Dadurch ergeben sich folgende Effekte:

  1. Es entsteht eine Plattform im Unternehmen als Basis für die zukünftige Weiterentwicklung
  2. Die Datenqualität wird durch eine Bereinigung und weitestgehende Zentralisierung auf mittlere Sicht verbessert (sie ist meistens Schrott!)
  3. Eine Prozessstandardisierung kann nun endlich stattfinden
  4. Die Kommunikation mit Kunden, Lieferanten und Nachunternehmern kann deutlich verbessert werden
  5. Es können nun auch neue Daten erhoben werden
  6. Es entsteht die Möglichkeit, neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten

Digitalisierung des Auftragsmanagements für Service-Unternehmen

Für Service-Unternehmen ist dieser Prozess der Auftragsmanagementprozess. Hier spielt die Branche kaum eine Rolle. Ein Auftrag durchläuft immer und immer wieder dieselben Phasen:

  1. Auftragsanlage bei Kundenbestellung (Ausnahme können hier Entstörungs-Einsätze sein, hier erfolgt die technische und kaufmännische Beauftragung meist per Rahmenvertrag und der sogenannte Abruf auf ein Rahmenvertragskontingent kann auch nach der Entstörung erfolgen.) – die Erfassung der Informationen aus der Kundenbestellung und das „Verheiraten“ der Informationen mit bestehenden Stamm-, Geräte- und Materialdaten.
  2. Arbeitsvorbereitung – alle Maßnahmen werden hier durchgeführt, damit ein Arbeitsauftrag disponiert und durchgeführt werden kann.
  3. Disposition – das Zuweisen des Arbeitsauftrags an einen sog. „Field-Service“-Mitarbeiter. Das sind die Menschen, die für Service-Unternehmen „draußen“ sind und beim Kunden vor Ort die Arbeit verrichten. Also diejenigen Menschen, die für das Unternehmen den Umsatz erwirtschaften und die aktiv Wertschöpfung und -erhalt betreiben. Diese Mitarbeiter benötigen bestimmte Informationen: zum Auftrag, zum Kunden, zu Geräten und Anlagen, zu Leitungen, Netzen, etc. Am Ende einer Ausführung steht immer die Rück- und Fertigmeldung eines Auftrags.
  4. Leistungserfassung – die Leistungen, die erbracht wurden, werden in einem Report gesammelt. Hier spielen Maße und Massen, Preise, Stück und Laufmeter eine Rolle. Diese Informationen müssen katalogisiert in sog. Leistungsverzeichnissen zur Verfügung stehen und ausgewählt werden können. Dieser Report, z. B. Aufmaß genannt, wird dann an den Kunden geschickt mit der Bitte um Freigabe.
  5. Faktura – die Faktura-Anforderung beinhaltet die vom Kunden freigegebene Leistung.
  6. Abschluss des Auftrags – diese Phase hört sich ziemlich unspektakulär an und wird auch in der Praxis nicht gerne gemacht. Hier müssen alle während des Auftrags erfassten Informationen (wie Bilder, Dateien, Formulare, Genehmigungen, etc.) rechtssicher abgespeichert werden. Denn meistens möchte nicht nur das Finanzamt einen Nachweis der erbrachten Leistungen noch zehn Jahre lang nachvollziehen können. Auch andere Behörden, wie z. B. Gerichte, müssen im Streitfall ebenfalls nachvollziehen können, was geleistet wurde und mit welcher Sorgfalt gearbeitet wurde. Das wissen Baufirmen nur zu gut, denn in der Branche gilt für Errichter fünf Jahre Bau-Gewährleistungspflicht.
  7. Archivierung – das war’s, der Auftrag kann nun ad acta, zu den Akten gepackt werden. Aber wie genau? Auch hier muss für jeden Dokumententyp individuell entschieden werden, wie dieser digital archiviert werden soll. Und zwar so, dass er im Nachhinein nicht mehr verändert werden kann.

Mit der Aufzählung habe ich nur leicht an der Oberfläche des Auftragsmanagementprozesses gekratzt. Aber genug, um einen Eindruck der Komplexität zu bekommen, die einen erwartet, wenn man diesen vollständig digitalisieren möchte.

Kriterien für die individuelle Definition der Digitalisierung

Die Digitalisierung des wichtigsten Wertschöpfungsprozesses ist also eine Möglichkeit, wie Sie Digitalisierung angehen können. Die Definition ist maßgeblich von diesen Faktoren abhängig:

  • Ausgangslage und vorhandene Ressourcen (Mitarbeiter, Know-How, Budget, Zeit, IT-Systemarchitektur, etc.)
  • Monetärer Hebel bzw. Effekte (ROI)
  • Unternehmens-/ Marktbearbeitungsstrategie
  • Intensität der Veränderung für die Organisation
  • Produktlebenszyklen
  • Führungskultur
  • Lieferantenstruktur und Verhältnis
  • Datenqualität
  • Stakeholder-Struktur
  • Vergangene Digitalisierungsversuche

Die Liste mag vielleicht nicht vollständig sein, melden Sie sich gerne in dem Fall bei mir und kommentieren Sie diesen Artikel.

Sie bietet jedoch schon einmal viele leicht überprüfbare Anhaltspunkte, die Sie direkt in Ihren Überlegungen mit einschließen können.

Damit können Sie sich in kürzester Zeit ein Bild davon machen, welche Möglichkeiten Sie in der Digitalisierung weiterverfolgen sollten und was überhaupt aus den oben genannten Kriterien Sinn macht.

Fazit

Sind diese Überlegungen einmal gemacht und die daraus resultierenden Ergebnisse dokumentiert und analysiert, können Sie sich nun konkret Ihr erstes Digitalisierungsvorhaben starten. Ob das die Entwicklung einer Digitalstrategie ist, oder die Digitalisierung Ihrer Geschäftsprozesse, ist in jedem Unternehmen unterschiedlich. Manches kann sicher parallel entstehen, wenn a) genügend Ressourcen zur Verfügung stehen und b) sich alle Initiativen an einem gemeinsamen strategischen Zielbild orientieren. Wenn Sie so vorgehen, sind Sie aktuell (Stand Sommer 2021) schon besser als 80% der Wettbewerber in Ihrem Markt.

Francesco ist seit 2011 Unternehmer und Unternehmensberater und hat schon Prozesse digitalisiert, als die Digitalisierung noch einen Exotenstatus hatte. Für ihn sind die Menschen und die Simplifizierung Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung. Seine Spezialität liegt in der Digitalisierung der Auftragsmanagementprozesse für dezentral organisierte Service-Unternehmen.

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