Das IoT – große Ambitionen, schleppende Umsetzung: Woran liegt es?

Die 4 häufigsten strategischen Reaktionen und warum sie nicht immer sinnvoll sind

Heute beschäftigt sich jeder größere und mittlerweile auch kleinere Industriekonzern mit dem Thema Internet der Dinge (IoT). Laut einer aktuellen Gartner Umfrage haben 75% der Industrieunternehmen bereits bis Ende 2018 in IoT Projekte investiert. Vor 2018 waren es gerade einmal <25%. Hört man sich unter den IoT Verantwortlichen jener Konzerne um, hat doch jeder von Ihnen das Gefühl „hinten dran“ zu sein und glaubt nicht so schnell voranzukommen, wie man es müsste um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Heute beschäftigt sich jeder größere und mittlerweile auch kleinere Industriekonzern mit dem Thema Internet der Dinge (IoT). Laut einer aktuellen Gartner Umfrage haben 75% der Industrieunternehmen bereits bis Ende 2018 in IoT Projekte investiert. Vor 2018 waren es gerade einmal <25%.

Hört man sich unter den IoT Verantwortlichen jener Konzerne um, hat doch jeder von Ihnen das Gefühl „hinten dran“ zu sein und glaubt nicht so schnell voranzukommen, wie man es müsste um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das hat vielerorts den Effekt, dass versucht wird „aufzuholen“ indem viele einzelne Projekte gleichzeitig gestartet werden. Somit bleibt keine Zeit, um vorab eine gemeinsame strategische Richtung und langfristige Vision aufzusetzen. Innovations-Abteilungen (aka Innovation Labs, Corporate Innovation Units, Digital Accelerator oder ähnliche) werden als Ausweg gesehen dieses Dilemma zu lösen und in Rekordgeschwindigkeit Ideen zu generieren, Projekte aufzusetzen und diese als Piloten umzusetzen.

Bringen diese einzelnen Projekte dann nicht schnell genug Geld, werden sie zu Hauf wieder gestoppt. Es fehlt an der Nachvollziehbarkeit, wie die einzelnen Projekte zum Gesamterfolg beitragen. Diese Projekte werden als gescheiterte Einzelprojekte betrachtet und nicht als Schritte in der Unternehmenstransformation. Woran liegt das?

In den allermeisten Fällen, die mir in meiner Zeit als Berater und als Manager bekannt sind: Pauschale strategische Reaktionen und fehlende oder übereilt definierte IoT Visionen, meist aus Zeitmangel oder Furcht vor Megatrends.

Strategische Pauschalreaktionen und wie man diese vermeidet

Lassen Sie mich versuchen zusammenzufassen, was die 4 häufigsten strategischen Reaktionen von IoT Verantwortlichen in Industrieunternehmen sind und warum sie nicht immer sinnvoll sind.

Reaktion 1: Unser Kerngeschäft verliert an Differenzierung, wir brauchen IoT um wettbewerbsfähig zu bleiben („Commoditization“ Reaktion)

Diese Reaktion ist wohl die typischste für Industriekonzerne und Maschinenbauunternehmen. Für traditionell produkt-getriebene Unternehmen ist es eine natürliche Reaktion, IoT als Möglichkeit zu sehen ihre Produkte zu erweitern und zu „veredeln“. Auch kulturell ist diese Reaktion für Industriefirmen am einfachsten zu verdauen. IoT Services werden als Add-On oder als Teil des Produktes mitverkauft und werden somit hauptsächlich als verkaufsfördernder Hebel eingesetzt. Im Vertriebs- und Entwicklungsprozess ändert sich also kaum etwas.

IoT als Veredler – der bequeme Weg

Allerdings ist es auch die strategische Reaktion, die am wenigsten zusätzlichen Umsatz einbringt. Beschränkt man den Wirkungsbereich von IoT nur auf die Veredelung seiner Produkte limitiert man das Umsatzpotenzial auf indirekte Umsätze (vor allem Pull Through von Produktgeschäft). Der direkte monetäre Einfluss und somit der Return on Invest für IoT Projekte sind schwer oder gar nicht messbar und oftmals auch negativ, betrachtet man das hohe Investment gegen die Zusatzeinnahmen, in den ersten 1-5 Jahren.

Diese Reaktion stößt also zumeist initial auf offene Ohren in Geschäftsführungen und Vorständen, aber scheitert vermehrt in der Umsetzung an negativen oder nicht nachweisbaren Business Cases.

Häufig komplett vergessen werden bei dieser Reaktion die Interne Effizienzen, obwohl diese momentan noch der größte Treiber für profitable IoT Business Cases sind. Bezieht ihr Business Case heute schon  Produktion – und Qualitätsoptimierung oder Service- und Produktoptimierung mit ein? In erfolgreich umgesetzten Fällen in größeren Industriekonzernen belaufen sich die Einsparungen leicht auf zwei- bis dreistellige Millionenbeträge pro Jahr. Auch für kleinere und mittelständige Unternehmen liegt hier  signifikant ungenutztes Potential.

Oft ist diese Reaktion auch gepaart mit dem Glauben das Kunden nicht bereit sind für zusätzliche Services zu zahlen. Aus der Erfahrung heraus, dass es im Hardware- und Komponentenverkauf immer schwieriger wird Preise zu halten oder gar Preiserhöhungen durchzusetzen herrscht oft das Gefühl vor, dass der Verkauf von zusätzlichen Services schwierig bis unmöglich ist.

Mit dieser Reaktion werden also die beiden größten direkten Wertgeneratoren im IoT – interne Effizienzen und Monetarisierung von Mehrwert-basierten digitalen Services – ungenutzt gelassen.

Reaktion 2: Wir müssen DER Plattformanbieter unserer Industrie werden („Lock-In“ Reaktion)

Momentan sind vor allem in asset-intensiven Industrien (wie Automobilproduktion oder Energieversorgung) bzw. traditionellen M2M Industrien (wie Geldautomaten oder Telekommunikation) proprietäre Protokolle und Standards noch weit verbreitet aufgrund der jahrzehntelangen Installierten Basis. Hier sind viele Unternehmen daran gewöhnt, der Marktführer in ihrem Bereich zu sein und an Marktanteile von >15% gewöhnt.

Streben nach Marktdominanz

Viel Industriekonzerne starten daraufhin ihre IoT Strategie mit der Ambition mindestens 15% Marktanteil in ihrer Industrie zu haben. Bedenkt man, dass es momentan schon 400+ IoT-Plattformen allein in Europa gibt und sich Amazon Webservices (AWS) und Microsoft Azure >50% des IoT Plattform as a Service (IoT PaaS) Marktes teilen, stellt man allerdings fest, dass diese Ambition vor allem kurzfristig und für kleinere Industriekonzerne komplett unrealistisch ist. Im Vergleich liegen selbst die Marktanteile der Tech Riesen wie IBM, Microsoft oder SAP in den meisten IT Märkten bei <10%, bei durchschnittlichen Marktanteilen von ca. 1%.

Auch unterschätzt wird hierbei oft das nötige Investment und die globalen Strukturen, um eine IoT Plattform weltweit anzubieten. Die traurige Realität sieht momentan oft so aus, dass einsame Teams aus 10 – 50 Entwicklern versuchen eine IoT Plattform zu bauen, für den Markt ihres Mutterunternehmens. Allzu schnell wird meist klar, dass es an Händen und Fähigkeiten fehlt eine „Enterprise-Ready“ Plattform zu bauen. Die Teams sind meist überfordert Security Anforderungen, Skalierbarkeit und Bedienbarkeit in der Qualität abzuliefern, wie es für eine solche Plattform nötig wäre. Über den Betrieb und die Kosten einer solchen Plattform wird oftmals im Vorhinein gar nicht nachgedacht.

Aus kultureller und vertriebsseitiger Sicht bedeutet diese Reaktion eine drastische Veränderung. Werden die Vertriebler der Industriekonzerne, die zumeist ihr Leben lang Hardwareprodukte verkauft haben, die IoT Plattform verkaufen oder wird eine weltweite neue Truppe an Vertrieblern aufgebaut? Und wie steht das den 30.000+ Microsoft und ebenso vielen AWS Vertriebsmitarbeitern gegenüber die weltweit unterwegs sind?

Reaktion 3: Daten sind das Rohöl des 20. Jahrhunderts – Wir müssen den Datenbesitz sichern, um damit Wettbewerbsvorteile zu haben („Data Ownership“ Reaktion)

Ähnlich wie bei Reaktion 2 ist es ein verlockender Schluss, dass man lediglich ein paar Data Scientists einstellen muss, um aus den Daten der oben erwähnten Geräte, wertvolle Erkenntnisse zu generieren.

Das Trügerische bei dieser Reaktion ist, dass einem die ersten Piloten Recht zu geben scheinen. Der Kunde scheint begeistert, dass der Pilot wertvolle Daten aus den angeschlossenen Geräten gezogen hat und das Data Science Team präsentiert stolz die ersten Ergebnisse, die möglichweise sogar zu erheblichen Einsparung führen können. Die ersten Ergebnisse werden dem Vorstand präsentiert und das IoT Projekt scheint erfolgreich. Doch was passiert nach dem Piloten?

Die Zukunft des IoT ist offen

Wie sich bereits in anderen Netzwerk- und Cloud Trends gezeigt hat, geht der Trend zu offenen Systemen. IoT und AI werden nur ihr volles Potenzial umsetzten können, wenn im Ökosystem gearbeitet wird und über offene Schnittstellen Daten ausgetauscht werden. Schon jetzt wird in den ersten Industrien klar, dass Kunden langfristig nur offene Schnittstellen akzeptieren werden. Wer sich sträubt wird früher oder später merken, dass Kunden sich nicht ‚einsperren‘ lassen wollen. Dies bedeutet allerdings auch, dass der Trend weg vom Datenbesitz (Data Ownership), hin zu Partnerschaften zum Mehrwert bringenden Verarbeitung (Data Value Add) der Daten gehen wird. Die Partei, die die Daten am sinnvollsten verarbeiten kann (z.B. durch Domain Expertise oder ausgereiftere AI Systeme) wird zum Zuge kommen. Die Zukunft des IoT wird durch Partnernetzwerke bestimmt werden. Schon jetzt zeigt sich, dass Unternehmen die aktiv im IoT partnern, erfolgreicher sind. Eine aktuelle Umfrage sagt voraus, dass sich die Zahl an Partnerschaften im europäischen Raum bis 2022 mehr als verdoppeln wird.

Reaktion 4: IoT verändert die Geschäftsmodelle – Wir müssen ‚as a Service‘ anbieten („XaaS“ Reaktion)

Rolls Royce hat es vorgemacht und die Keynote Sprecher dieser Welt werden nicht müde ein ums andere Mal dieselben Beispiele zu bemühen. Doch ist „XaaS“ (Everything as a Service oder Result as a Service) wirklich die Lösung für jeden Use Case?

Auf den ersten Blick scheint diese Reaktion absolut richtig und greift viele richtige Aspekte auf, die das IoT zu dem Wegbereiter machen das es ist. Gefährlich wird es, wenn Unternehmen versuchen die strategische Idee 1:1 auf ihr Geschäft zu übertragen.

Was absolut wichtig und richtig bei dem Gedanken ist, ist das IoT uns ermöglicht unseren Kunden einen Mehrwert zu verkaufen anstatt lediglich ein Produkt. Bsp. Ein Baumaschinenhersteller ist dank IoT in der Lage seine Großmaschinen pro Stunde abzurechnen. Der Kunde kauft also sprichwörtlich „das Loch in der Wand“ und zahlt nur die genutzte Zeit. Das Kundenproblem und dessen Lösung stehen klar im Mittelpunkt, der wiederkehrender Umsatz und die langfristige Monetarisierung der Gesamtlösung sind die richtigen Grundgedanken einer IoT Marktstrategie – doch man sollte genau selektieren ob ein „as a Service“ Modell wirklich das richtige Modell ist für den gewählten Zielmarkt.

Veränderung der Veränderung wegen?

Im ersten Moment klingt ein XaaS Modell für viele Kunden interessant, da sie keine teuren Produkte einkaufen müssen und Ausfallrisiken, Garantien etc. beim Anbieter liegen. Für den Kunden ist dieses Modell also komfortabel.  Für das anbietende Unternehmen allerdings bedeutet jedes ‚as a Service‘ Model, dass es seine Produkte nicht direkt verkauft, sondern diese in ihrer Bilanz auszuweisen sind und das Unternehmen das volle Kapitalrisiko trägt. Hier scheitern viele Unternehmen bereits an ihren eigenen internen Finanzprozessen.

Noch schwieriger wird es, wenn die Kunden (vor allem deren Einkauf) noch nicht bereit sind solche Modelle umzusetzen. Viele haben die Befürchtung eines ‚Vendor Lock-In‘ oder am Ende mehr zu zahlen.

Das Hauptkriterium für oder gegen XaaS sollte aus Anbietersicht also immer der zusätzliche Kundenmehrwert und Umsatz durch IoT sein. Oder bringt das neue Geschäftsmodell womöglich nur veränderte Zahlungsmodalitäten? Wer das Kundenproblem verstanden hat und den Mehrwert greifen kann, hat alles was er braucht, um profitable XaaS Modelle aufzustellen.

Warum funktioniert es also im oben genannten Beispiel des Baumaschinenherstellers?

  1. Die Marktstruktur lässt skalierbare Lösung zu: Das Modell funktioniert auf Grund von überschaubaren Kosten in der Umsetzung (einfache Bluetooth Sensoren ermöglichen die Überwachung der Nutzung und des Benutzungsort) und es gibt eine überschaubare Anzahl an Großkunden für die die Abrechnung über bestehende Kundenbeziehungen passieren kann.
    ⇒ Doch Vorsicht: Würde solch ein Modell in einem Markt mit tausenden (teilweise unbekannten) Kunden Bsp. im Endkunden Markt Sinn machen? Eher nicht – hier wären die Kosten prohibitiv hoch.
  2. Das Modell schaffts zusätzlichen Mehrwert für den Kunden – nicht nur geänderte Zahlungsmodalitäten: Der Baumaschinenhersteller löst hier für die Kunden indirekt ein Problem – es wird automatisch der Diebstahl der Geräte eingedämmt, da diese oftmals von Baustellen verschwinden.
    ⇒ Doch Vorsicht: Das Modell wird dem Hersteller keine zusätzlichen Serviceumsätze bringen – durch das umgestellte Geschäftsmodell hat der Hersteller sich strategisch positioniert, um sich als langfristiger Partner Marktanteile zu sichern, wird sich aber schwertun nachzuweisen, dass die Umstellung signifikant neues Geschäft generiert hat.

Auch beliebt sind die sogenannten Gain Share Modelle (Geschäftsmodelle, bei denen Anbieter prozentual an den Einsparungen oder dem Umsatz beteiligt werden). Dieses Model scheitert leider allzu oft an oben genannten ersten Punkt – Skalierbarkeit. Es ist den Anbietern oft nicht bewusst, dass diese Modelle einen hohen Project Management Office (PMO) Aufwand mit sich bringen. Viele Großprojekte die auf Gain Share Basis begonnen haben, sind heute bereits gestoppt oder in einigen Fällen auf Festpreisverträge umgestellt worden.

Natürlich sind nicht alle dieser Reaktionen für jedes Unternehmen falsch. Was alle 4 Reaktionen gemeinsam haben: Pauschal angewendet sind sie nicht marktgetrieben. Das IoT ist in erster Linie ein Vehikel um Mehrwerte für unsere Kunden zu schaffen.

Doch was heißt das strategisch und kann man mit IoT wirklich kurzfristig Geld verdienen?

Wie IoT Umsatz bringt

IoT Use Cases, die momentan bereits profitable sind, sind:

  • Einfach zu verstehen (Klarer Mehrwert)
  • Erzielen sofortige Wirkung (<1 Jahr ROI und messbar)
  • Skalierbar (Lösung lässt sich auf eine breite Basis von Zielkunden anwenden ohne Anpassungen)

Ein Beispiel dafür ist ServiceMax. Während viele das Potential von reinen digitalen IoT Services unterschätzen und glauben, dass „IoT Apps“ nur ein paar Euro im Monat zusätzlich einbringen können, zeigt ServiceMax, dass es mit den richtigen Services schon 2017 möglich war einen Umsatz von 100M€ zu erwirtschaften. Das Unternehmen hat mit klaren Mehrwerten (wie bsp. durchschnittlich 14% reduzierte Servicekosten), in einem skalierbaren Markt, über mehrere Industrien bewiesen, wie es geht.

D.h. Ja! IoT hat das Potential signifikant zum zukünftigen Umsatz und vor allem erhöhten Profitmargen (dank hoher Skalierbarkeit bei geringen Zusatzkosten) bei zu tragen. Doch für die meisten Industrien gibt es einen großen Unterschied zum ServiceMax Beispiel. IoT Services lassen sich in den wenigsten Industrien ohne ein Direktvertriebsmodell verkaufen. ServiceMax hat die extrem schnelle Skalierung erreicht, da das Unternehmen über den Salesforce Marktplatz AppExchange ihre Software zum Download angeboten hat und so auch kleinere Betriebe ohne signifikanten Vertriebsaufwand Zugang zu der Technologie hatten. Dies funktioniert im ersten Schritt aber für sehr wenige IoT Fälle. Die meisten Unternehmen spüren gerade, dass IoT Service Vertrieb einen Verkaufsprozess von mindestens 1 Jahr, oft bedeutend länger, mit sich bringt.

IoT erfordert Durchhaltvermögen

Hier ist also auf Seiten der Vorstände und Geschäftsführer vor allem ein langer Atem und Vertrauen in die eigene IoT Strategie gefragt.  Gerade in der jetzigen Wirtschaftlichen Lage wird dies immer schwieriger – doch die Erfahrung zeigt, wer durchhält und am Kurs festhält, wird belohnt werden.

Natalie ist eine der weltweiten Leads im Aufbau der Serviceabteilung für IoT & digitale Services für Danfoss Climate Solutions. Sie treibt in ihrer Funktion, als Leiterin des Produktmanagement Digitale Services, die IoT-Markt- und Produktstrategie voran, baut globale Partnerschaften auf und gestaltet die Go-To-Market Strategien. Zuvor leitete Natalie für Gartner Consulting Top-Management-Engagements bei globalen Fortune-500-Unternehmen rund um KI und IoT.
Quelle Gartner IoT Adoption

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