Moderieren heisst nicht labern – Sitzungen richtig leiten

Mit 6 Regeln zur guten Sitzungsleitung in der neuen Arbeitswelt

Moderieren heisst zwar im Wortsinn „mässigen“, aber auch handhaben und lenken. Man könnte auch domptieren als neue Wortwahl brauchen, denn alle „sollen“ etwas tun und ihr Bestes zeigen können. Und das heisst: partizipieren lassen, aber kontrolliert. Wie das geht, damit ein neuer Stil Einzug halten kann, wird hier in sechs Schritten gezeigt.

Für mich gibt es eine Querschnittkompetenz: Stringent moderieren. Ich beobachte immer wieder, dass in Team-Sitzungen zu wenig entschieden moderiert wird. Zum Beispiel will man „nett“ sein und niemanden aus kulturbedingter Höflichkeit heraus unterbrechen. Und schon ufert dann die Sitzung aus. Das Problem dabei: die Motivation gerät dabei abhanden. Und läuft der Loslass-Modus erst einmal, gibt es kein Halten mehr: Der geschwätzige Modus gewinnt an Fahrt. Es gilt hier herauszufinden, wie man die Kunst beherrscht, das richtige Mass an „Laufenlassen“ gewähren zu lassen und Ausuferungen rechtzeitig Einhalt zu gebieten.

Erstaunlicherweise ist das Wort Moderation zu relativer Bedeutungslosigkeit verkommen, man assoziiert damit Personen in Diskussionen, die etwas präsentieren oder leiten. Dabei gehen zwei Dinge verloren: Moderation ist wichtiger denn je. Weil Teams und Abteilungen zunehmend selbstverantwortlich arbeiten und sich weiterentwickeln sollen, muss der Austausch an Sitzungen, die Koordination über das Gefäss „Sitzung“ und gegebenenfalls der Entscheidungsprozess sorgfältigst geplant und orchestriert sein. Und: effektiver zu arbeiten soll das Ziel haben, den Wachstums- und Innovationsmindset zu nähren, damit der Kopf danach frei ist für weitere Taten. Und das heisst, den Kopf nicht erlahmen zu lassen durch quälende Länge. Eine erfahrene Moderatorin sagte einmal: eine gute Sitzung muss wie ein Glas Sekt sein: prickelnd und anregend.

Hier einige Wegmarken dazu:

Regel #1: Kürze!

Es gibt nichts frustrierenderes als lange Sitzungen. Und besonders, wenn anberaumte Zeiten nicht eingehalten werden. Ich erinnere mich an Sitzungen, die jeweils vier Stunden dauerten. Locker. Umrahmt von nettem Geschwätz und langatmigen Rapportieren. Dies sollte einem guten Teamgefühl dienen. Das tat es auch, anfänglich, denn das viele Rapportieren aus den oberen Etagen schaffte Vertrauen. Erstmals. Aber schliesslich übernahm die Ermüdung. Man kannte ja das alles schon und man fühlte: „schon wieder ein Nachmittag verloren“. Das Erste, was sich diese Geschäftsleitung wünschte, als ein neuer Chef kam, war: kürzere Sitzungen. Zum Glück war dies auch das erste spontane Empfinden des neuen Geschäftsleiters.

Das heisst also: weniger ist mehr, sofern man die Disziplin aufbringt, mit gezielter Hand Sitzungen auf das zu fokussieren, was sie eigentlich sind: notwendiger Austausch, um weiter arbeiten zu können.

Regel #2: Keine Angst vor Stringenz

Das ist ein schönes Wort; es bedeutet soviel wie: etwas spannen, angespannt sein. Nicht umsonst sagt man landläufig: Etwas ist spannend. Eigentlich suchen wir andauernd spannende Dinge.

Weshalb dann die Sitzung nicht so durchführen? Das heisst erst einmal: Pünktlich beginnen und pünktlich enden. Das nennt man Spannungsbogen: Beginnt eine Sitzung unbestimmt später, weil man noch ein paar Minuten wartet: Die Spannung erlahmt, die Körperhaltung wird eine hängende (ja, genau, prüfen Sie es, es stimmt). Das gilt selbstverständlich auch im Online-Modus.

Und zieht sich die Sitzung über das anberaumte Ende hinaus, nimmt das Hirn dies sofort als Enttäuschung wahr. Die Belohnung, nämlich das Ende, der fulminante Schlussgong findet nicht statt und das lernt leider das Hirn und speichert die Erfahrung als Enttäuschung ab. Für jede kommende Sitzung ist weniger Vor-Spannung da und schliesslich nehmen Seufzen und Langeweile und Missmut zu.

Regel #3: Durchsetzungskraft

Bloss keine kulturellen Selbstbeschränkungen walten lassen. Sind Sie in einem gemütlichen Ambiente, wo man noch lange Sitzungen liebt, zuhause? Früher waren Sitzungen Auszeichnungen für Rang: Je weiter oben, desto mehr „sass“ man. Erinnern sie sich? Dies waren aber nicht unbedingt Unternehmen oder Einheiten, die nach vorne schauten und Neues entwickeln wollten, richtig? Es gibt geradezu eine Scheu, stringent zu sein: In dem Moment, wo ein Schluss angebracht wäre, er förmlich im Raum steht – wird weitergeredet. Was für eine Enttäuschung und dramaturgische Fehlleistung. Eine vertane Chance, Energie zu halten.

Durchsetzungskraft zu zeigen, heisst Kraft zu zeigen. Das muss nicht Gewalt sein, aber es sollte dem Moderator, der Moderatorin liegen, die Anwesenden zu „bändigen“ und auf die Themenliste zu verweisen. Durchaus energisch. Nur so lässt sich ein neuer Stil durchsetzen. Dies vorher anzukündigen, hilft dabei sehr. Und stellt Verständnis her. Und erfordert Mut, denn man outet sich, wird sichtbar als möglicherweise „unnett“. Dies ist aber nur zu Beginn so. Der Mehrwert wird überwiegen. Dies wird einmalig nicht reichen; es wird durch den/die Moderatorin in jeder Sitzung nötig sein, Stringenz und Durchsetzungskraft im Sinne der Sache zu zeigen. Nehmen Sie sich für sich selbst diese Anleitung zu Herzen, aber empfehlen Sie das auch weiter. Muntern Sie andere Sitzungsleitungen auf, ihren Stil der Sitzungsleitung umzugestalten und stärker zu „ziehen“.

Nur dann prickelt es noch etwas, wenn die Sitzung zu Ende ist.

Regel #4: Partizipation und Entscheiden

Moderieren heisst auch: Entscheide herbeiführen; eigentlich sind diese nebst Koordinationsbedarf Sinn der Sitzung. Wird nicht entschieden, so hat die Sitzung ein anderes Ziel: Koordination und Informationsabgleichung. Dann muss dies auch so bei den Zielen genannt sein. Geht es aber um Entscheide und sind diese ernst gemeint – also nicht als Konsultation durch den/die ChefIn – dann benötigt es hier ein klar definiertes Prozedere. Geht es nur um Konsultation und der/die ChefIn fällt danach eine Entscheidung? Auch gut, aber dann sollte dies exakt so gesagt werden. Quintessenz ist hier eine saubere Vorgehensweise – und wieder: Stringenz.

Eine Blaupause gibt es hier schon: In selbstorganisierten Teams und Firmen ist diese Praxis bereits da. Selbstorganisierte Teams sind wirkungsmächtig, wenn man versteht und verinnerlicht: es geht nicht um konsensuelle, ellenlange Diskussionen und auch nicht um „Demokratie“. Es geht um eine deklarierte Vorgehensweise, die regelbasiert ist. Um eine Vorgehensweise, die einen Entscheid, der weit herum möglichst akzeptiert wird, herbeiführen möchte. Dies sind Praxen, wie sie in Organisationsmustern, die sich soziokratisch nennen oder als Holokratie, praktiziert werden. Man muss deswegen die eigenen Praxis nicht so benennen, aber man kann sich daran orientieren, wie andere vorgehen, die auf tragende Resultate angewiesen sind. Das Paradoxe ist hier: Regeln führen zu „Freiheit“. Freiheit, Entscheide gefällt zu haben und zum Handeln übergehen zu können. Und nach bestem Gewissen – hier qua Regeln – entschieden zu haben.

Das Vorgehen ist dabei folgendes: Es wird unterschieden in eine reine Informationsrunde, eine Meinungsrunde und schliesslich die Entscheidungsrunde. Und bei dieser darf nicht mehr „diskutiert“ werden – darum geht es in keiner der Runden – , sondern hier dürfen lediglich noch harte Vetos formuliert werden, wenn der Firmen- oder Teamzweck in Gefahr ist. Also keine Gefühle oder persönliche Voten, die streng genommen nicht sachlich sind. In der Soziokratie gilt hierfür das Wort „schwerwiegender Einwand“. Lediglich dieser darf geäussert werden und die Moderation – welche hier eine tragende Rolle einnimmt – ordnet ein, ob ein schwerwiegender Grund vorliegt. Schwerwiegend meint hier nicht persönliche Betroffenheit – das gehört in die Meinungsrunde – , sondern möglicher Schaden für das Ganze. Überhaupt steht bei dieser Art das Handeln „für das Ganze“ im Zentrum. Ein Gedanke, der in ausufernden Team-Meetings aufgrund lauter Befindlichkeiten oft schon längst verlustig gegangen ist.

Die Herausforderung liegt hier darin, ein Team oder eine Abteilung, die so entscheiden soll, vorgängig sorgfältig über diese Praxis zu informieren. Und die Sitzungsleitung muss in ihrer Rollenaufgabe die Erlaubnis haben, hier leiten zu dürfen. Es gilt also auch die Rollen zu klären: ist die Geschäftsleitung selbst die Moderation? Umso mehr gelten die Regeln. Es heisst dann, zwei Hüte aufzuhaben. Oft wird hier jedoch eine Person als Moderator oder Moderatorin eingesetzt, die ermächtigt ist, die Sitzung umfänglich leiten zu dürfen. Auch dies ist eine Herausforderung: nämlich ein Stück Kontrolle abzugeben. Und für die Moderation: diese Rolle auszufüllen.

Dies ist ein erheblicher Mindset-Wandel. Idealerweise muss er begleitet und langfristig gepflegt werden, wieder jeder Kulturwandel. Für stringente Sitzungen ist aber eine ebenso klare, offene wie speditive Entscheidungshandhabung Bedingung.

Regel #5: Struktur? – Struktur!

Für den Moderator/Sitzungsleitenden heisst das: es steht objektiv an, was das Resultat sein soll.

Also: optimal das Material für die Sitzung vorbereiten: sei es als Entscheidungsgrundlage (Achtung: Entscheidungsprozesse erfordern noch besonderer Vorbereitung und müssen als solche gekennzeichnet werden, s. oben) und oder als Information, die abgegeben wird.

Zur Planung gehört auch: sich treu sein und keine „Goodies“ verschenken: Traurig ist es, wenn Personen mit Sitzungen in Verzug geraten und dann gerade das nette „Goodie“ wie ein tolles Kunden-Feedback, oder ein zufriedenes Stakeholder-Feedback kappen, weil die Zeit nicht reicht. Was für ein Verschenken von Kraft, von Motivation und Freude. Es ist prioritär, so zu planen, dass gerade solche Moderationskicks in der Sitzung drin bleiben und nicht entfallen. Das ist simple Motivationspsychologie und – eben – Zeitplanung.

Die Zeitplanung sollte also eine sorgfältige sein und die Stringenz eingeplant. Die moderierende Person muss Stück für Stück den Verlauf der Sitzung antizipieren und auf realistische Planung prüfen. Stringenz ist das eine; der objektive Workload ist dagegen abzuwägen. Ein Klassiker, was oft nicht gut funktioniert, ist auch die Technik. Sie läuft nicht immer wie geplant. Das heisst, auch hier präventiv Ausweichlösungen antizipieren; entweder gelassen probieren, bis es geht, oder auf die Alternative ausweichen.

Zur sorgfältigen Planung gehören auch eine anständige „Check-In“ und „Check-Out“-Runde. Diese dienen dem Einstieg und Ausstieg und sollen Befindlichkeiten abholen und anerkennen, gerade auch um nicht zu versäumen, eventuell wichtige Verbindlichkeiten, die mit in die Sitzung spielen können, angesprochen zu haben. Das kann Zahnschmerz sein, das können Stressgefühle sein, das können sonstige Probleme sein, die Sitzungsteilnehmerinnen und -teilnehmer gerade belasten. Dies erfordert auch eine Kompetenz, authentisch zu sein und Angstfreiheit und Selbstbewusstsein. Dies verweist auch auf den grösseren Rahmen dieser Art von stringenter Sitzungsmoderation. Es gehören der Mut und die Überzeugung dazu, ein Team oder eine Einheit auf Aufrichtigkeit auszurichten und sich von Herren- oder Damen-Gehabe zu lösen.

Regel #6: Vorbereitung und Ziele definieren

Es klingt so vertraut wie eine Ermahnung aus der Schule: Bei der Vorbereitung einer Sitzung ist IMMER sicherzustellen, dass Resultate und nächste Schritte am Schluss genannt sein müssen. Diese sind Teil der Sitzung und insbesondere auch der Vorbereitung. Was genau muss – aus Sicht der Moderation geklärt sein – damit alle arbeiten können? Agendapunkte wie erwartete Ziele können zum Beispiel vorgängig eingeholt werden. Sind diese erfasst und dargelegt, können sie behandelt werden und prompt stellt sich ein Gefühl der Sicherheit und des Vorwärtskommens ein. Legitim ist es durchaus, Entscheide zu verschieben und noch einmal als Ziel zu erfassen, wenn Unklarheiten in der Entscheidungsfindung oder bei Sitzungsthemen vorkamen. Bedingung ist aber immer die neuerliche Einbettung in ein stringentes und regelgeleitetes Vorgehen.

Das Gute an dieser Art von Vorbereitung: die Nachbereitung entfällt fast ganz. Die Resultate können intern in einem für alle gängigen Tool publiziert werden, wo auch Themen für die nächsten Sitzungen gesammelt werden. Aber Achtung: das Ganze sollte agil, also beweglich und lebendig sein. Aus purer Anhänglichkeit an 100%iger Perfektion lohnt es sich nicht, containerweise Themenspeicher zu füllen. Wer ganz schon einmal – Hand aufs Herz – Themenspeicher wirklich geleert? Sie sind gut gemeint, im Alltag aber tote Ablagen. Es empfiehlt es sich auf jeden Fall, das wirklich Wichtige zu tun und dies aus einer Themensammlung zu priorisieren. Aber das dann unwichtigere kann getrost auch mal wegfallen. Ist es wichtig, kommt es wieder. Es muss nicht als Mahnmal verewigt werden, dies wird nämlich dann zum Grabmal. Themen, die verbindlich anstehen, sollen maximal drei sein. Damit das Gefühl bleibt, sie sind wirklich in Sichtweite und realistisch angehbar und behandelbar.

Und das Beste zuletzt: Bei einer solchen Art von Sitzung entfällt das Protokollieren weitgehend. Ist dies vorbereitet, kann die Sitzung starten; der/die ModeratorIn fokussiert sich auf das Leiten, die Inhalte kommen verlässlich und zum Schluss gibt es den Ausklang: Alles ist geschafft; die Nachbereitung ist minimal, jeder kann sich nach vorne richten. Das Glas Sekt wirkt. Also: be the change.

Besser Zusammenarbeiten - besseres Onboarding mit Wissenstransfers - unlösbar scheinende Probleme mit Moderation zu einer Lösung führen - Speaker - Inspirationsquelle für Geschäftsleitungen

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