5 Dimensionen für nachhaltige Entscheidungen – Radikale andere Entscheidungstechnik
Neue Führung beginnt mit radikal anderer Entscheidungstechnik
Welches die Grundlagen von guten Entscheidungen sind, wird oft zu wenig und systematisch reflektiert. Dabei hängen Kosten und das Wohlergehen eines Unternehmens davon ab, wie Entscheide gefällt werden. Nicht zufällig geniesst Entscheidungstechnik bei auf Innovation angelegten Unternehmen hohe Wertschätzung.
Seien wir ehrlich: bisherige Entscheidungstechniken haben Verlierer zur Folge. Die Mehrheit gewinnt; die Übrigen haben das Einsehen. Oder die Macht hat sich durchgesetzt.; anders zu entscheiden wird sich nicht getraut. Das ist unbefriedigend. Aber sind einvernehmliche Entscheidungen besser? Solche, bei denen endlos diskutiert wird, um vermeintlich jeden und jede mitzunehmen? Auch nicht wirklich, denn oft erfolgt die Entscheidung schliesslich aufgrund schierer Übermüdung und das Ganze ist eine Feigenblatt-Diskussion. Gibt es einen Weg jenseits davon?
Aktuell erleben wir, dass neue Funktionsmechanismen von Teams ins Leben gerufen werden: Teams sollen weitgehend selbstverantwortlich handeln und damit selbst entscheiden. Gelingt eine andere Entscheidungspraxis, so sind immense Vorteile zu erwarten: höhere Geschwindigkeit und grössere Effektivität und Nachhaltigkeit.
All dies bedingt einen Kulturwechsel, nämlich einen Fokus auf sauberere Informationsbeschaffung und eine streng geregelte Entscheidungspraxis. Wie sehen solche Vorgehensweisen aus, die in ähnlicher Form in „selbstorganisierten“ Unternehmen unter Bezeichnungen wie Soziokratie oder Holokratie gepflegt werden?
Index
Dimension 1: Die Informationsrunde.
Ist alles Nötige bekannt?
Richtig zu entscheiden bedeutet, über genügend Informationen zu verfügen. Die verantwortliche Person für eine Sitzung mit Entscheidungsbedarf muss genügend Informationen vorhalten und bereits vor der Sitzung besorgen. Diese vorgelagerte Dimension der Vorbereitung eines Entscheides geht oft verloren, daher leiden die Akzeptanz von Entscheidungen und es ist keine richtige Entscheidung, weil nicht aus einem Set möglicher Handlungen ausgesucht werden konnte. Die erste Phase eines Entscheides befasst sich also nur mit der Ebene, ob genügend Informationen da sind. Dies wird systematisch erfragt und fehlendes wird nachgereicht, zur Not die Sitzung verschoben.
Dimension 2: Die Meinungsrunde.
Meinungen und Meinungsänderungen sind erlaubt.
In der nächsten Runde leitet die moderierende Person die Meinungsäusserung ein. Hier darf die Meinung geäussert werden, aber reihum und konsequent-systematisch unter Einbezug jeder Person. Gibt es keine Meinung dazu? Fein – dann ist allenfalls dies die Meinungsäusserung. In der Regel folgen hier viele Meinungen und Befindlichkeiten. Aufgrund der systematischen Befragungsform kann aber auch eine Meinungsänderung verkündet werden.
Hier findet ein wichtiger Paradigmenwechsel statt: Belohnt wird nicht, wer bei seiner Meinung „bleibt“ und Dickköpfigkeit und Starrsinn beweist – es heisst nicht umsonst „seinen Mann stehen“. Es geht um aktives Zuhören und das Aufnehmen neuer Impulse und laufendes Anpassen. So kann – immer der Reihe nach – jemand durchaus anmerken; die vorige Äusserung hätte bei ihm oder ihr zu einem Meinungsumschwung und einer neuen Idee geführt. So wird die Meinungsrunde bereits zu einer ausgestaltenden Denkrunde, wo die Materie bewegt und entwickelt wird. Entscheidend sind die Systematik und Sorgfalt seitens der Moderation.
Dimension 3: Nicht der Chef entscheidet, sondern die Moderation.
Die Sitzungsleitung übernimmt nicht automatisch die Moderation, sondern diese Rolle wird bewusst einer Person gegeben. Eine Sitzungsleitung wird oft als „Vorsitz“ wahrgenommen, einer Person („vorgesetzte Person“), die eigentlich sowieso am Schluss entscheiden wird.
Deshalb wird diese Rolle – idealerweise, Ausnahmen kann es geben – ausgelagert zu einer Moderation, die diese Rolle innehat. Und keine andere. Dies kann auch eine vorgesetzte Person sein; diese muss aber sehr bewusst die Hüte wechseln und wird als Moderation keine Meinung. Da ist also echte Spielfreude angesagt. Deshalb wird dies in der Regel und unter Umständen auch in der Rotation jemand sein, der/die nur diese Rolle innehat. Und diese Rolle bedeutet bewusstes und disziplinierendes Führen durch die Sitzung, einschliesslich systematischer Wortzuteilung an jede anwesende Person.
Sichtbar wird somit, dass sich eine solche Sitzung grandios von Debattierclubs unterscheidet, wo mehr oder weniger pro forma Meinungen verkündet und Standpunkte gewälzt werden ohne stringentes Hinführen auf eine Lösung. Alle Beteiligten müssen sich bewusst sein, dass so ein Verfahrensprinzip auch zu Geschwindigkeit führen wird und ihre Egos darauf ausrichten, dass nicht aufgrund der Länge einer Sitzung zum persönlichen Gewicht an Ansehen und Bedeutung beigetragen wird. Kurz: Egos bitte draussen lassen.
Der Entscheid wird schliesslich auch von der Moderation provoziert. Diese fragt nun danach, ob a) jetzt noch schwerwiegende Bedenken gegen die Vorlage bestehen und oder sie b) wandelt die Entscheidungsfrage in Eigenkompetenz so um, dass sie Inhalte enthält, die aus der Diskussion stamme und den Entscheidungsgegenstand modifiziert haben. So wird eine Akzeptanz erhöht, wenn sich aus der Meinungs- oder Informationsrunde Neues ergeben hat.
Es liegt in der Natur des Menschen, dass eine Frage, ob „noch“ Bedenken bestehen, eher verneint werden kann als ob eine Zustimmung möglich ist. Die hier vorgestellt Entscheidungstechnik nutzt also das Potenzial, ja zu sagen und Neues zuzulassen. Diese Runde wird wiederholt, bis keine schwerwiegenden Vetos mehr bestehen. Sollte trotz Bemühungen kein Entscheid gefunden werden, kann eine Entscheidung vertagt oder delegiert werden – an Einzelpersonen oder in eine höhere Hierarchiestufe.
Dimension 4: Transformation hin zu verantwortlichen Mitarbeitern
Achtung Kulturwandel: diese Entscheidungstechnik erfordert Einübung und die klare Ausrichtung auf eine Vision des Unternehmens. Ist dies vorhanden? Gibt es ein Verständnis, was man gemeinsam erreichen möchte? Bestehen hier Zweifel, lohnt es sich, hier eine vorgängige Stufe zu beachten: die Ausrichtung auf eine Vision, ein gemeinsames Miteinander.
Denn hier erfolgt eine Transformation: Das vorgestellte Verfahren macht es erforderlich, dass jeder Mitarbeitende, jedes Teammitglied herausrückt mit der eigenen Meinung und sich zur Ausrichtung auf das gemeinsame Ganze bekennt. Keine leichte Aufgabe, wenn es vorher gängige Kultur war, sich verstecken zu können und zähneknirschend lange Sitzungen zu erdulden. Es muss halt sein (bringt aber nichts).
Es lohnt sich also, auch hier einen Schritt im Kulturwandel zu gehen, indem diese Kompetenzen offen angesprochen werden und als erstrebenswert dargestellt werden. Sozusagen als Vorstufe, um dann ein dynamisches Entscheidungsregime zünden zu können.
Dimension 5: Sorgfältiges Dokumentieren der Vor- und Nacharbeit
Bisher wurde beleuchtet, welche Vorbereitung nötig ist und wie der Prozess abläuft. Damit ist aber noch nicht eine Entscheidung fixiert, denn sie muss kommuniziert werden und transparent dokumentiert sein. Dazu eignen sich visuell attraktive Boards analog oder digital wie ein Trello-Board. Oder OneNote. Eher abzuraten ist von Sitzungsprotokollen und anderen Word-Dateien. Es gilt, rasch und für alle transparent und leicht auffindbar zu dokumentieren, was entschieden wurde. Auch dies ist keine Selbstverständlichkeit. Wie oft wissen Mitarbeitende und vor allem Chef*innen nicht mehr, was einmal entschieden wurde. Eben.
Mit dieser Vorgehensweise wird ein gänzlich neues Sitzungsmanagement und darüber hinaus eine tiefe Wertschätzung des Teams sichtbar. Eine so transformierte Entscheidungskultur führt Dreh für Dreh zu einer Kultur nachhaltig und wirklich partizipativ gefällter Beschlüsse, die konsequent mit einem Innovations-Generator versehen sind. Aber Achtung: sämtliche Egos müssen zurückgebunden sein für die neuen gemeinsamen Mindsets.
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