Think big, but start smart – Digitale Transformation in produzierenden KMUs mit Open Source-Lösungen
Open Source-Lösungen für IIoT (Industrial Internet of Things) in KMUs
Die Potenziale des IIoT (Industrial Internet of Things) sind immens. Doch der Einstieg ist für KMUs meist ein grosser Schritt. Wir zeigen wie Open-Source helfen kann.
Ob Vernetzung der eigenen Fertigungsanlagen oder Einführung Produkt-naher digitaler Services – die Potenziale des IIoT (Industrial Internet of Things) in der produzierenden Industrie sind immens. Dennoch schaffen es bislang nur wenige Hersteller Digitalisierungslösungen gewinnbringend einzusetzen. Gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen fällt der Einstieg in die Industrie 4.0 meist schwer. Ein Grund: Kommerzielle IIoT-Plattformen sind i.d.R. nicht auf die Anforderungen von KMUs ausgelegt. Open Source-Lösungen können hier Abhilfe schaffen.
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Mehr als sieben Jahre nach dem Start der Plattform Industrie 4.0 scheint die Bilanz ernüchternd: Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie von VDMA und McKinsey liegt der Umsatzanteil für digitale Plattformen und Mehrwertdienste erst bei rund 0,7 Prozent des Gesamtumsatzes im europäischen Maschinenbau. Während die großen Konzerne das Potenzial längst erkannt haben und mit entsprechenden Initiativen die strategischen und technischen Grundlage bereits gelegt haben, fehlt kleinen und mittelständischen Unternehmen meist noch das notwendige Know-how sowie eine grundlegende Strategie, um Ansätze von Industrie 4.0 erfolgreich zu nutzen.
Index
Potenziale und Entwicklungsstufen der Digitalisierung
Das beginnt häufig bereits bei einem fehlenden Bild der Mehrwerte und möglicher Geschäftsmodelle, die durch die Digitalisierung der eigenen Produktionsumgebung realisiert werden können und setzt sich fort bei den technischen Voraussetzungen, die dafür nötig sind. Viele, gerade kleinere Unternehmen ohne Vorerfahrung beim Aufsetzen digitaler Geschäftsmodelle stehen angesichts der Komplexität des Themas vor einem sprichwörtlichen Berg an Möglichkeiten. Um im Buzzword-Dschungel rund um Begriffe wie Predictive Maintenance, Prescriptive Analytics oder Machine Learning nicht den Überblick zu verlieren, hilft an dieser Stelle ein mehrstufiges Modell zur Beschreibung der digitalen Entwicklungsstufen und der dahinterliegenden Services.
Stufe 0 – Konnektivität
Beschreibt die Anbindung der Maschinen und Anlagen an die digitale Infrastruktur mittels Sensoren und Aktoren als Voraussetzung für die Informationsgewinnung und Steuerung.
Stufe 1 – Information
Beschreibt die Gewinnung und Darstellung von Informationen aus der vernetzten Produktionsumgebung, etwa im Rahmen von Reporting, Benchmarking etc. und ermöglicht dadurch bereits das Erkennen von Abweichungen oder Anomalien im laufenden Betrieb.
Stufe 2 – Wissen
Beschreibt die Gewinnung von Wissen aus diesen Informationen durch Aggregation der Daten. Dadurch wird die Fehlersuche, etwa bei Qualitätsproblemen oder dem Ausfall einer Produktionsanlage unterstützt, z.B. im Rahmen des digitalen Shopfloor Management.
Stufe 3 – Prädiktion
Beschreibt die Nutzung dieser Informationen, um Ereignisse, wie etwa den Ausfall einer Maschine, vorauszusagen und bestimmte Handlungsanweisungen abzuleiten. Auf dieser Stufe sind produktnahe, digitale Services wie Predictive Maintenance angesiedelt.
Stufe 4 – Autonomie
Beschreibt die vollkommen eigenständige Steuerung von Maschinen und Anlagen im Sinne von autonomen Regelkreisen, ohne manuellen Eingriff. Beispielsweise können Maschinen einer Fabrik in dieser Stufe autonom auf sich ändernde Randbedingungen – etwa den Ausfall einer Maschine – reagieren und den Produktionsprozess adaptieren.
Viele KMUs stehen heute noch an der Schwelle zur ersten Stufe, also der Anbindung bestehender Maschinen und Anlagen an das IIoT zur Informationsgewinnung.
Kommerzielle Angebote bilden Anforderungen von KMU nicht ab
Ein Hauptgrund für den schwierigen Einstieg in die digitale Fabrik ist das Fehlen von geeigneten Plattformen für kleine und mittelständische Unternehmen. Denn gängige kommerzielle Lösungen sind in der Regel auf die Anforderungen großer Konzerne ausgelegt und stellen große Hürden an die Implementierung.
Das betrifft zum einen die unflexiblen Preismodelle und hohen Kosten vieler kommerzieller IIoT-Lösungen. Sie setzen meist auf Paket- bzw. Abonnement-Pläne, die sich an der Anzahl der Nutzer oder der Datenpunkte orientieren. Zusätzliche Funktionen, wie das Entwickeln eigener Apps oder Services, die über den Umfang des Standard-Pakets hinausgehen, erfordern ein entsprechendes Upgrade. Gerade für Unternehmen, die noch kein klares Bild von den Anforderungen bzw. Ausbaustufen ihres IIoT-Netzwerks haben, kann das schnell zu ungewünschten Mehrkosten führen.
Zum anderen führt der Einsatz von proprietären Lösungen bereits früh zu einer hohen Abhängigkeit und Bindung an einen bestimmten Anbieter. Bezogen auf das o.g. Stufenmodell bedeutet das beispielsweise, dass man sich bereits auf Stufe 0 an einen bestimmten Anbieter bindet und damit auf dessen Lösungen in den nachfolgenden Ausbaustufen festgelegt ist. Auch hier wiederum kann dieser Vendor Lock-in gerade unerfahrene Unternehmen besonders hart treffen, da sie die Folgen dieser Entscheidung i.d.R. noch nicht absehen können.
Ein weiterer Nachteil von proprietären Plattformen ergibt sich bei der Anbindung von nicht-standardisierten Maschinenparks. Denn je heterogener die Anlagen sind, desto schwieriger ist die Vernetzung mit einer kommerziellen Standardlösung bzw. desto höher das Risiko von zusätzlichen Kosten. Gerade KMU, die nicht über die Marktmacht verfügen, einheitliche Schnittstellenvorgaben zu diktieren, stellt das bei der Wahl ihrer IIoT-Plattform vor Herausforderungen.
Open Source als attraktive Alternative
Somit fehlt ein leichtgewichtiger Einstiegspunkt in das IIoT für KMU. Genau hier setzen Open Source-Lösungen an, indem sie eine wesentlich größere Flexibilität bieten und dadurch im Vergleich zu kommerziellen Anbietern gerade für KMU attraktiv sind.
So ist die Gefahr eines Vendor Lock-ins bzw. einer Abhängigkeit von einzelnen Herstellern in Bezug auf Skalierung, Betrieb und Wartung der Plattform minimiert. Vielmehr ermöglichen offene Standards eine flexible, herstellerunabhängige Weiterentwicklung und maximale Interoperabilität mit anderen Diensten auf Partner- und Kundenseite.
Ein weiter Vorteil, speziell für KMU mit geringer Vorerfahrung, besteht darin, dass diese die Open Source Lösung vorab in kleinerem Rahmen kostenlos testen und ausprobieren können, bevor sie sich für eine Implementierung entscheiden. Der Erfahrungsaustausch mit anderen Mitgliedern der Community ermöglicht eine zusätzliche Orientierung.
Und schließlich führt die ständige Weiterentwicklung von offenen Lösungen durch die Open Source Community i.d.R. zu einer höheren Qualität und geringeren Fehleranfälligkeit der Software, da Fehler schneller entdeckt und offen kommuniziert werden als in geschlossenen, proprietären Anwendungen.
IndustryFusion als Beispiel für eine Open Source Lösung
Ein Beispiel für diese Art von offenem, herstellerübergreifendem Ansatz hat der von innovativen Mittelständlern gegründete Verband Industry Business Network 4.0 e.V. unter der IndustryFusion Foundation gemeinsam mit spezialisierten Software- und Technologieunternehmen wie iteratec realisiert. Mit IndustryFusion, ihrer offenen Vernetzungslösung für Smart Factories und Smart Products, kann jedes Mitglied direkt und pragmatisch seine digitale Transformation umsetzen. Im Zentrum steht dabei eine Open-Source-Vernetzungslösung, die in der jetzigen Version aus zwei essenziellen Ebenen besteht:
Die Gateway-Ebene bildet die Schnittstelle zur realen Maschine. Durch die zahlreichen umgesetzten Schnittstellen können unabhängig vom Maschinentyp, der eingesetzten Steuerung oder dem Alter der Maschine die relevanten Daten ausgelesen werden. Falls nötig können auch Sensoren/Aktoren direkt am Smartbox-Gateway angeschlossen werden. Die Smartbox verarbeitet die Daten der Maschine, reichert diese semantisch an (setzt die Daten in den relevanten Kontext), und übernimmt die Kommunikation mit der SmartFactory-Ebene. Somit wird die Verwaltungsschale, also die digitale Repräsentation der realen Maschine, geschaffen. Auf der SmartFactory-Ebene werden die Daten der einzelnen Maschinen zusammengeführt, verarbeitet, analysiert und visualisiert.
Damit deckt IndustryFusion bereits die Stufen 1 und 2 des Digitalisierungsmodells mit einer offenen Lösung ab und ermöglicht so einen schnellen Einstieg in die Vernetzung der eigenen Produktionsumgebung. Durch die SmartFactory-Ebene erhält der Nutzer dabei sofort einen transparenten Überblick über seine komplette Fertigung – herstellerübergreifend und in Echtzeit. Durch den Open Source-Charakter der Lösung erhält er sich gleichzeitig eine maximale Flexibilität und ist in der Lage, durch geeignete Schnittstellen etliche nützliche Applikationen und Services, die dem Nutzer weitere Mehrwerte bieten, anzudocken.
Fazit: Gemeinsam IIoT-Einstiegshürden überwinden
Die Kombination aus oftmals geringer Vorerfahrung im Umgang mit IIoT-Technologien in Verbindung mit fehlenden Einstiegsangeboten für KMU kann für viele Unternehmen zum Hemmschuh für den Einstieg in die Industrie 4.0 werden. Um diese IIoT-Einstiegshürden zu überwinden, bieten Open Source-Lösungen eine attraktive Alternative. Nicht nur die Flexibilität der Plattform, auch die Austauschmöglichkeiten innerhalb der Community sind wichtige Erfolgsfaktoren auf dem Weg zu einer nachhaltigen Digitalisierungsstrategie. Netzwerke wie das Industry Business Network 4.0 liefern somit wichtige Starthilfe zur Digitalisierung des Mittelstands.
Autoren: David Lane, iteratec GmbH | Konstantin Kernschmidt, Industry Business Network 4.0
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