Gehen Sie es an – Digitalisierung umsetzen ohne Schnickschnack

Großer Bauer oder schneller Brüter - welcher Digitalisierungstyp sind Sie?

Viele Unternehmen ringen mit den Herausforderungen der Digitalisierung – Sie auch? Wie geht man es an: umfassende Strategie für die große Lösung? Ein aufwändiger Weg, der spät zum Handeln bringt. Die schnelle Lösung, bei der Sie ein neues digitales Tool einführen, greift oft kurz. Die Mitte macht’s, der Weg, der aus der Praxis kommt und sich bewährt hat: in wenigen, klar definierten, überschaubaren Schritten arbeiten Sie mit Ihrem Team an konkreten Verbesserungen. Sie sammeln Erfahrungen, die Ihnen keiner mehr nimmt – und setzen Digitalisierung um.

Alltagsdruck, Corona-Maßnahmen und immer noch ein Tool – wenig Raum für Sie, die Digitalisierung systematisch anzugehen? Das geht vielen Entscheidern so. Dazu kommt: bis Digitalisierung Nutzen bringt, ist sie mit Aufwand verbunden.

Was funktioniert?

Big is not so beautiful

Zwei Varianten des Vorgehens habe ich in Unternehmen beobachtet – eine Variante ist auf langfristig angelegt, eine andere auf Speed. Doch in der Mitte liegt für viele der digitale Erfolg.

Variante eins der Digitalisierung ist ganz groß gedacht: in Workshops schätzen Entscheider Trends ein und zeichnen langfristige Szenarien; oft ein Projekt mit vielen Beteiligten, Gremien, Meetings. Alles erzeugt Komplexität, leider mit der Folge, dass keiner mehr weiß, wie man nun ins Handeln kommt. Dazu bedeuten größere Investition auch Risiko, die Folge: mehr Absicherungstendenzen, weniger Handlung.

Natürlich braucht es eine unternehmerische Perspektive dazu, wie sich die Wertschöpfung durch Digitalisierung verändert – besonders zum Kunden hin. Der Einstieg mit dem Großprojekt hat aber einen Nachteil: viel Aufwand, ohne dass das Unternehmen tatsächlich Erfahrungen mit der Digitalisierung sammelt.
Viele Führungskräfte fragen sich zu Recht: was bedeutet das jetzt für meinen Bereich?

In Variante zwei geht es gleich zur Sache; der Entscheider eines Bereichs führt ein neues digitales Tool ein. Die Argumente des Herstellers und der Testzugang zur Software haben ihn überzeugt. Außerdem kann kein Mensch alle potenziell relevanten Softwarelösungen in der nötigen Tiefe kennenlernen, denkt sich der Bereichsleiter – und das ist etwas dran. Doch die schnelle Lösung greift zu kurz.

Digitalisierung, die funktioniert

Es gibt einen alternativen Weg, der aus der Praxis kommt und sich dort bewährt hat. Der Trick dabei: Sie steigen mit konkreten Verbesserungen ein und sammeln Erfahrungen.

Schritt eins: die Bestandsaufnahme

Beginnen Sie mit einem Workshop für Ihren Bereich; der darf ruhig kurz und bündig sein. Starten Sie mit der Grundfrage: was sind Ihre Tätigkeiten und Ergebnisse (als Abteilung, nicht als Einzelperson)? Kommen Sie auf den Punkt: die Recruitingabteilung bringt Einstellungsprozesse zum Erfolg, die Finanzbuchhaltung erstellt beispielsweise die Bilanz, der Vertrieb führt Leads zur Kauf- oder Nichtkauf-Entscheidung.
Welche Kernergebnisse erbringen Sie?

Schritt zwei: Ihre Kernprozesse

Skizzieren Sie im nächsten Schritt Ihre wichtigsten Prozesse auf hoher Flugebene, keineswegs akribisch in langen Exceltabellen. Arbeiten Sie nicht mehr aus, als auf eine übersichtliche Metaplanwand – oder das digitale Pendant  – – passt. Faustregel dabei ist EVA: Eingabe zu Anfang, Verarbeitung im Prozess, Ergebnis. Jeden produktiven Prozess können Sie so beschreiben.

Treten Sie nun einen Schritt zurück und betrachten Sie Ihre Prozesse. Welche Prozesse sind besonders bedeutsam? Wo läuft es nicht gut, wo sind Pain Points? Wo arbeiten Sie viel händisch oder schieben Dokumente hin und her? Wo passieren Fehler, weil keiner mehr durchblickt? Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern um eine kluge Bestandsaufnahme.

Schritt drei: Fokus

Konzentrieren Sie sich mit Ihrem Team auf einen Prozess, den Sie verbessern möchten. Beschreiben Sie den Alternativprozess: wie ginge es besser? Wie sollte dieser Prozess dann aussehen? Digitalisiert oder automatisiert?

Dann folgt Recherche; oft gibt es jemandem im Team, der aus Interesse schon Vorarbeit geleistet hat. Wie lösen andere Professionals in Ihrem Bereich das Problem? Gibt es Benchmark-Prozesse, neue technische Lösungen? Hilft Predictive Maintenance in der Produktion, Ausfälle zu verhindern? Erleichtert Augmented Reality die Reparatur von Anlagen bei Kunden? Ist ein digitalisierter Recruiting-Prozess schneller und dank Prozessstandardisierung übersichtlicher als das herummailen von Bewerbermappen? Ist die Digitalisierung des Rechnungswesens der Anstoß zur digitalen Buchhaltung, die sich viele Stakeholder im Unternehmen wünschen?

Wenn Sie Input brauchen, so ist an dieser Stelle eine Beratung zu digitalen Prozessen mit Fachhintergrund für Ihr Gebiet sinnvoller als der Anbieter einer Lösung.

Vergleichen Sie jetzt Ihren Wunschprozess mit Ihrer derzeitigen Softwarelösung. Lässt sie sich erweitern, anpassen, upgraden? Spätestens jetzt sollten Sie auch den IT-Experten Ihres Unternehmens hinzuziehen, der die bisherige Softwarelösung betreut hat (sofern es eine gab). Er oder sie weiß, woher das System seine Informationen bezieht, welche Transaktionen laufen und welche Abhängigkeiten bestehen.

Schritt vier: Ihr besseres Prozess-Ich

Nun entscheiden Sie: wollen Sie mit Ihrer jetzigen Lösung weiterarbeiten oder die Anwendung ablösen? Werden Sie eine neue Lösung selbst entwickeln in Zusammenarbeit mit Ihrer IT oder externen Experten, was durchaus Sinn ergeben kann? Oder sehen sich Sie auf Basis Ihres Musterprozesses gezielt nach einer Anwendung um?

Fazit: der pragmatische Weg – Big is not so beautiful

Arbeiten ein wenig wie ein Start-Up im Unternehmen an einem Prozess, durchaus an einem, der nicht gleich businesskritisch ist. Bilden Sie mit Ihrem Fachteam, einem guten Moderator und dem Kernteam von IT-Spezialisten Ihren agilen Kern der Digitalisierung. Das bedeutet für Sie: bei geringem Risiko sammeln Sie Erfahrungen für sich und das Unternehmen, die Ihnen keiner mehr nimmt.

Fazit: die große Meile der Digitalisierung läuft über überlegte, einzelne Schritte. Denn die ökonomischen Kosten des Nichtstuns sind in der Digitalisierung meist viel höher als ein schrittweises Vorgehen. Warten Sie nicht auf die alles  erschlagenden Richtlinien der Geschäftsführung. Starten Sie lieber einen Bottom-Up-Prozess für Ihren Bereich und machen Sie spielerisch ernst mit der Digitalisierung.

Digitalisierung – jetzt starten statt warten. Dafür setzt sich Regina Bergdolt ein, Expertin für Digitalisierung in Human Ressources und für KI-Anwendungen. Sie engagiert sich mit anderen IT-Unternehmern für den Wissenstransfer im Förderverein Forschungszentrum Informatik Karlsruhe; für den informierten Umgang mit künstlicher Intelligenz arbeitet sie mit führenden Wissenschaftlern zusammen. Sie betreibt mit ihrem Co-Founder eine HR-Software.

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