Emotionale Kompetenz in der Führung – Grundlagen für Führungskräfte

Wie Führungskräfte in unsicheren Zeiten einen konstruktiven Umgang mit Gefühlen finden

Gefühle haben im Job nichts zu suchen. Viele Führungskräfte fühlen sich unwohl oder überfordert, wenn es um Emotionen im Team geht.
In diesem Artikel geht es um emotionale Kompetenz, welche Voraussetzungen sie hat und welchen Nutzen sie bringt.

Gefühle haben im Job nichts zu suchen. Viele Führungskräfte fühlen sich unwohl oder überfordert, wenn es um Emotionen im Team geht.

In diesem Artikel geht es um emotionale Kompetenz, welche Voraussetzungen sie hat und welchen Nutzen sie bringt. Der Mythos von störenden Gefühlen im Business ist hartnäckig. Noch immer höre ich in meinen Beratungen, dass Führungskräfte lernen wollen Emotionen rauszuhalten.

Um es vorwegzunehmen: Emotionen rauszuhalten ist ebenso unmöglich wie falsch.

Warum emotionale Kompetenz in der Führung wichtig ist

Jeder Mensch hat Emotionen. Sie gehören zur Grundausstattung des Lebens und suchen sich Wege. Natürlich auch bei der Arbeit.

Je mehr Emotionen der Mensch unterdrücken oder ignorieren muss, desto mehr geht er in Frust, Krankheit, Leistungsabfall oder Rückzug. Und diese Mechanismen sind ein nicht zu verachtender Kostenfaktor in Unternehmen.

„Emotionen haben bei der Arbeit nichts zu suchen“ ist also keine Lösung.

„Emotionale Dramen auffangen und Reibungsverluste vermeiden“ ist eine gute Lösung.

Doch wie geht das? Hier ist emotionale Kompetenz in der Führung angezeigt. Diese beginnt bei der eigenen Emotionalität und erfordert ein gewisses Maß an Selbstreflexion.

Die Unterscheidung zwischen Gefühlen und Emotionen scheint mir sehr hilfreich. Wenn mir eine Feuersäule in vom Magen in den Brustkorb schießt, ist das ein Gefühl – eine Körpersensation. Wenn ich diesem Gefühl das Etikett „Wut“ gebe, dann ist das eine Emotion – eine Bewertung der körperlichen Wahrnehmung.

Emotionen sind wichtige Informationsträger und Beziehungshelfer.

  • Emotionen sind Basis für alle Beziehungen und Bindung in Teams.
  • Emotionen transportieren Bedürfnisse.
  • Emotionen helfen Entscheidungen zu treffen.
  • Emotionen helfen bei der Orientierung zwischen Distanz und Nähe.
  • Emotionen machen innere Wertmaßstäbe meßbar.

Was ist emotionale Kompetenz?

Der Begriff emotionale Intelligenz wurde vom Psychologen Daniel Goleman geprägt. Demnach vereint emotionale Intelligenz persönliche und soziale Kompetenzen wie Selbstwahrnehmung, Selbstmanagement, soziales Bewusstsein und Beziehungsmanagement. Daraus leitet er verschiedene Führungsstile ab. Soweit die Theorie.

Den Begriff Emotionale Kompetenz sehe ich als Erweiterung: Intelligenz ist festgelegt, Kompetenz kann erworben werden.

In diesem Sinne ist Emotionale Kompetenz das Aneignen und intuitive Anwenden eines intelligenten Emotions- und Beziehungsmanagement.  Kurz gesagt: Praxis statt Theorie. Es geht um das empathische Tun. Dazu habe ich vier hilfreiche und sinnvolle Schritte identifiziert.

Selbstführung ist Grundlage für emotionale Führung

Alfred Herrhausen, ehemaliger Vorstandssprecher der Deutsche Bank, sagte einmal „wer sich selbst nicht zu führen versteht, kann auch andere nicht führen.“

Selbstführung ist das Fundament für emotionale Kompetenz. Stellen wir uns nur vor, ein cholerisches Alphatier würde versuchen,  emotional kompetent ein Team zu führen. Diese Vorstellung erscheint schwierig.

Zur Selbstführung gehören Selbstmanagement, Selbstreflexion und Selbstbewusstheit.

Selbstmanagement ist die Fähigkeit emotionale Situationen zu managen: Wie gehe ich mit Druck, Belastung und Emotionen um? Unterdrücken, Ignorieren, verdrängen oder auf gesunde Art ausgleichen?

Selbstreflexion ist die Fähigkeit eigene Gefühle und Motive zu verstehen: Welche Bedürfnisse und emotionalen Trigger habe ich? Wie achtsam gehe ich mit mir selbst um? Bin ich mir selbst gegenüber radikal ehrlich?

Selbstbewusstheit ist die Fähigkeit sich selbst in verschiedenen Rollen wahrzunehmen: Welche Wirkung habe ich? Welche Haltung habe ich zu meinen Stärken und Schwächen? Was sind meine roten Knöpfe?

Techniken für das Ausgleichen eigener Emotionen

Für das Auflösen der eigenen Emotionalität gibt es hunderte Techniken. Zwei davon will ich hier vorstellen:

Atemtechniken

Die schnellste und simpelste Methode, aufsteigende Emotionen aufzulösen ist die Regulation über die Atmung. Zum Einstieg eine ganze einfache Atemtechnik:

  1. Wo spüre ich die Emotion im Körper, beispielsweise Wut. Angenommen sie ist im Brustkorb spürbar, hinter dem Brustbein.
  2. Wie stark ist die Emotion auf einer Skala von 1 bis 10?
  3. Mit tiefen, bewussten Atemzügen in diese Region hinein atmen bis der Wert auf 0 ist.

Klopftechniken aus der energetischen Psychologie

Es gibt eine ganze Reihe von Klopftechniken wie TFT, EFT, MET, Emotionale Balance etc. Sie alle stammen aus der energetischen Psychologie, ursprünglich von Dr. Roger Callahan und Gary Craig entwickelt.

Sie sind vergleichbar mit psychologischer Akupressur und ich empfehle für Einsteiger das Klopfen des Stresspunkts. Dieser liegt zwischen Nase und Oberlippe. Dort mit einem Finger klopfen während man tief ein- und ausatmet. Die Betonung liegt auf dem Ausatem und dem damit verbundenen Loslassen von Stress und belastenden Gefühlen.

Wer dazu tendiert, Gefühle zu verdrängen um führen zu können, wird von einem Coaching profitieren, das ihm eine individuelle Strategie vermittelt. So wird Kapazität und Energie frei für das Führen des Teams ohne über die eigene Emotionalität zu stolpern.

Emotionale Führung übernehmen in vier Schritten

Nur wer die eigene Emotionalität kennt und in der Lage ist, sie zu regulieren, kann adäquat emotional führen.

Autorität führen erzeugt Druck und ist nicht mehr zeitgemäß und zielführend. Empathisch führen erzeugt Sog durch Wertschätzung und ist zudem effizienter. In Kombination mit wirksamer Kommunikation (eine Kommunikation, die aus der authentischen Persönlichkeit kommt und deshalb unabhängig von angelernten Werkzeugen funktioniert) ist empathische Führung unschlagbar.

Das Praxisbeispiel

Ein Beispiel aus meiner Erfahrung als Ausbilderin:

Mein Co-Trainer und ich sitzen vor einer Gruppe von etwa 300 angehenden Coaches. Ich habe eben erklärt, was praktisch zu üben ist, als in der vorletzten Reihe eine Frau aufsteht.

Sie stemmt die Hände in die Hüften und sagt: „Wir wollen aber nicht üben! Und überhaupt sind wir sauer, weil …“. Es folgt ein Schwall von Beschwerden und Vorwürfen die Seminarorganisation betreffend. Das spielt momentan keine Rolle, weil sie ihre Vorwürfe hier bei den Dozenten platziert.

Während sie ihre Negativität in den Saal schreit – sie wird zunehmend lauter – nehme ich meine eigene emotionale Reaktion wahr.

1. Raum geben

Zunächst gebe ich ihr den Raum und lasse sie angemessen ausreden. Das gibt ihr ein gutes Gefühl und mir genügend Zeit.

2. Emotionen ausgleichen

Diese Zeit nutze ich, um mit ein paar effektiven Techniken meine eigenen Emotionen aufzulösen. So kann ich neutral statt emotional oder gar reflexhaft rechtfertigend reagieren. Das mindeste – wenn es schnell gehen muss – ist ein tiefer Atemzug in den Bauch, der mich zentriert.

Als sie anfängt sich zu wiederholen unterbreche ich sie.

3. Emotionale Führung übernehmen

Mit deutlich geäußerter Empathie übernehme ich den Lead und gebe positive Emotionen zurück. Ich zeige ihr, dass ich sie wahrnehme und höre. Ich lächle und kommuniziere Verständnis, bevor ich auf Fakten komme. Ihre Beschwerde ist bei der Seminarorganisation an der richtigen Stelle. An dieser Stelle nehme ich sie in eine positive Emotion mit und lenke den Fokus wieder auf die konkrete Übungsaufgabe, die ich mit Neugier und Vorfreude verknüpfe.

4. Entscheidung einleiten

Nun leite ich ihre Entscheidung ein. Ich frage sie, ob sie gehen oder bleiben will, was in dieser Seminarsituation ihr überlassen ist. Im beruflichen Kontext kommt hier effiziente Kommunikation ins Spiel. Das Team kann ja nicht wählen, ob es arbeitet oder nicht. Hier gilt es so zu agieren, dass sie zu einem konstruktiven Miteinander zurückfinden.

Resümee

Empathische Führung mit emotionaler Kompetenz wird immer wichtiger, je komplexer und unberechenbarer unsere Welt wird.

Es braucht Führung aus innerer Balance heraus, die in der Lage ist mit Gefühlen umzugehen und Vertrauen zuzulassen. Dies gilt besonders beim Führen auf Distanz. Führungskräfte dürfen keine Angst vor Emotionen haben. Sie sollten ihre emotionale Kompetenz entwickeln, um Sicherheit ins Team zu tragen.

Auch lesenswert: Emotionale Intelligenz als Instrument im Change Management.

Ava Hauser navigiert Führungskräfte durch die Stromschnellen massiven Wandels. Ihr Fokus liegt auf der Selbstführung als Basis für erfolgreiches Führen. Mit über 20 Jahren Erfahrung als Coach, Trainer, Speaker und Therapeutin hat sie ein Programm entwickelt, das Menschen stark macht - nicht nur für Führungsaufgaben.

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