So meistern Unternehmen ihre digitale Transformation

Neue strategische Partnerschaften spielen bei Digitalisierung oft wichtige Rolle

Damit die digitale Transformation gelingt und Unternehmen digitale Exzellenz erreichen, müssen Produkte, Prozesse und Technologie gleichzeitig angegangen und verbessert werden.

Online-Nutzung ist seit der Corona-Pandemie weltweit auf dem Vormarsch. Verbraucher in Deutschland beispielsweise setzten zuletzt – außer bei Lebensmitteln und im Gesundheitswesen – sogar häufiger auf digitale Kanäle und Dienstleistungen als auf analoge Alternativen, etwa beim Shopping, bei Bankgeschäften oder bei Behördengängen. Trotzdem ist Deutschland weniger digitalaffin als alle anderen europäischen Länder, ausgenommen die Schweiz. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Ende Mai veröffentlichte, repräsentative Studie von McKinsey & Company.

Interessant sind die Gründe, die von den hierzulande Befragten für die vergleichsweise noch immer geringe Akzeptanz von Online-Angeboten genannt wurden. Demnach sind die User Interfaces in anderen Ländern deutlich benutzerfreundlicher. Schlechter Kundenservice und unvollständige Produktpaletten begünstigen eine ablehnende Haltung zusätzlich.

Digitale Transformation kommt häufig ins Stocken

Auch auf Seiten der Unternehmen herrscht oftmals Unzufriedenheit hinsichtlich ihrer Digitalisierung und der Bereitstellung attraktiver Online-Angebote. So klagen viele Entscheider zum Beispiel, dass sie mit der digitalen Transformation nicht wie gewünscht vorankommen, obwohl die Reise in vielen Fällen zunächst mit vielversprechenden Erfolgen und schnellen Fortschritten begonnen hat.

Kommen Digitalisierungsinitiativen ins Stocken oder sogar komplett zum Erliegen, ist dies häufig auf die Tatsache zurückzuführen, dass sich Organisationen nur auf einen Teilaspekt ihrer digitalen Transformation konzentrieren: neue Produkte, neue Prozesse oder neue Technologie. Eine solch Strategie kann für eine gewisse Zeit erfolgreich sein, mittelfristig ist sie aber zum Scheitern verurteilt, weil alle drei Aspekte eng miteinander verzahnt sind – und jede Kette bekanntermaßen nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied.

Produkte, Systeme und Prozesse gleichzeitig zu modernisieren, ist jedoch ein hochkomplexes Unterfangen, denn es bedeutet eine Menge offener und sich gegenseitig beeinflussender Baustellen, die es parallel abzuarbeiten gilt – und zwar bei laufendem Betrieb. Worauf also gilt es zu achten, damit die Operation am offenen Herzen gelingt?

Neue digitale Produkte und Services

Viele Unternehmen aus der sogenannten Old Economy beginnen ihre digitale Transformation mit Produkten und Frontends, die sich an ihre Kunden richten. Das ist richtig, denn diese Projekte sind verhältnismäßig einfach und Erfolg versprechend. Zudem haben sie eine hohe Strahlkraft nach innen und außen, so dass sie intern als Orientierungshilfe und Motivation für die gesamte Organisation fungieren können. Noch wichtiger ist allerdings ihre externe Wirkung. Der Grund: Das Kundenerlebnis (Customer Experience, CX) ist heute ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, somit verspricht die Entwicklung neuer Angebote mit einem Fokus auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden strategische Vorteile.

Leider reicht es für eine gute CX längst nicht mehr aus, Kunden ein ansprechend aussehendes User Interface (UI) zur Verfügung zu stellen. Denn damit eine Anwendung als hilfreich empfunden wird, muss sie auch Prozesse vereinfachen und auf direktem Weg zum gewünschten Ziel führen. Zu diesem Zweck müssen Benutzeroberflächen zumeist auf Systeme im Backend zugreifen. Diese bilden jedoch oft komplexe Prozesse und Abhängigkeiten ab, da sie darauf ausgelegt sind, das Tagesgeschäft und die Einhaltung von Compliance-Vorgaben stabil zu unterstützen. Richten sich die UIs nach den hier vorhandenen Strukturen, um Daten zu extrahieren, hat dies oft negative Konsequenzen für die CX.

Eine bewährte Option, diese Herausforderung zu bewältigen, ist die Trennung von Front- und Backend. Hierbei helfen umfangreiche API-Management-Plattformen oder API-Gateways.

Trotz der beeindruckenden Erfolge und Quick-Wins, die so möglich werden, führt für Unternehmen auf Dauer kein Weg daran vorbei, ihre monolithische Legacy-IT in eine auf Microservices und APIs basierende IT-Landschaft umzuwandeln. Nur so können sie kontinuierlich und schnell neue Angebote entwickeln und skalieren.

Modernisierung der IT-Infrastruktur

Dass an einer Modernisierung der IT im Rahmen der digitalen Transformation kein Weg vorbei führt, gilt umso mehr, weil die Altsysteme nicht nur die Entwicklung ansprechender digitaler Produkte und Kundenschnittstellen erschweren. Sie unterstützen auch neue Technologien wie KI oder Big Data nicht optimal und leiden grundsätzlich an schlechten Integrationsmöglichkeiten mit neuen digitalen Lösungen. Hinzu kommen weitere Modernisierungs-Treiber, etwa stetig steigende Wartungskosten, Sicherheitsbedenken oder auch schwindende Expertise durch Entwickler, die über Kenntnisse in bestimmten benötigten Programmiersprachen verfügen und sich in den nächsten Jahren in Rente begeben. 

Die zentrale Herausforderung bei der IT-Modernisierung ist, dass Organisationen ihre Altsysteme nicht einfach abschalten und alles von Grund auf neu entwickeln können. Das in der IT-Infrastruktur enthaltene Wissen ist unternehmenskritisch und lässt sich weder einfach transportieren noch ersetzen. Während Kernprozesse wie Enterprise-Resource-Planning (ERP), Customer-Relationship-Management (CRM) oder das Manufacturing Execution System (MES) digitalisiert und modernisiert werden, müssen sie also weiterhin das Tagesgeschäft in gleichbleibender Qualität unterstützen – alles andere als ein Kinderspiel.

Neustrukturierung und Flexibilisierung von Prozessen

Fast immer spiegelt verschachtelte Software im Backend die Realität und die Bedürfnisse der Organisation wider, in der sie Verwendung findet. Ist also die Software (unnötig) starr und kompliziert, sind es die Unternehmensstruktur und etablierten Prozesse in der Regel ebenfalls. Das Eine zu entwirren und effizienter zu gestalten, ohne das Gleiche auch mit dem Anderen zu tun, ist praktisch unmöglich.

Aus diesem Grund genießen das Auflösen von Unternehmensgrenzen (Silos) und die Vernetzung zuvor isoliert agierender Business Units höchste Priorität. Ein wichtiges Ergebnis solcher Reorganisationsprojekte sind eine einheitliche Datenbasis und Data Governance, die datenbasierte Geschäftsmodelle und die Automatisierung von Geschäftsprozessen unterstützen.

Inhouse oder Outsourcing

Ab welchem Punkt eine Organisation ihre digitale Transformation erfolgreich bewältigt und sie ihre Zukunftsfähigkeit gesichert hat, ist schwierig zu verallgemeinern. Im Idealzustand gibt es ein tragfähiges Geschäftsmodell, unnötige Kosten sind auf ein Minimum reduziert, die Geschäftsprozesse laufen reibungslos und über das gesamte Unternehmen arbeiten unterschiedliche Geschäftsabteilung transparent und effizient zusammen. Daraus resultieren weitere Benefits, etwa eine hohe Innovationsgeschwindigkeit, motivierte Mitarbeiter, stets verfügbare und zuverlässige Anwendungen, eine Achtung gebietende IT-Sicherheit und nicht zuletzt eine gesteigerte Attraktivität als Arbeitgeber.

Diesen Weg können Organisationen alleine gehen – zumindest teilweise. Jedoch bringt der Dreiklang aus der parallelen Optimierung von Produkten, Prozessen und Systemen einen enormen Aufwand sowie eine ganze Reihe an Herausforderungen mit sich. Erfahrungsgemäß ist ab einem bestimmten Punkt für viele traditionelle Unternehmen der Mangel an IT-Spezialisten schlichtweg zu groß und der Zeitdruck zu hoch, um die Digitalisierung in kompletter Eigenregie voranzutreiben. Aus diesem Grund sind externe Unterstützung und neue strategische Partnerschaften eine wichtige Voraussetzung für sie, um den Weg ins digitale Zeitalter zu finden.

Technische Expertise, fachliches Verständnis und umfangreiche Erfahrung mit ähnlichen Projekten sind die Mindestanforderungen, die Organisationen auf der Suche nach einem passenden Partner stellen sollten. Mindestens genauso wichtig ist allerdings die Frage, ob dieser Partner gewillt ist, nicht nur eine Aufgabe zu erledigen, sondern sein Know-how an die interne IT-Abteilung weiterzugeben. Denn zu guter Letzt entscheidet genau dieser Punkt darüber, ob ein Unternehmen dauerhaft auf externe Unterstützung angewiesen bleibt, oder ob es die Zügel zu einem späteren Zeitpunkt wieder selbst in die Hand nehmen kann.

Jan Webering ist CEO von Avenga. Der internationale IT-Spezialist unterstützt Konzerne und große Mittelständler bei der digitalen Transformation mit Projekten entlang der gesamten digitalen Wertschöpfungskette: von der Strategie bis zur Umsetzung von Software-, User-Experience- und IT-Lösungen inklusive Hosting und Betrieb. Darüber hinaus investiert Jan seit vielen Jahren in Tech- Start-ups und unterstütze sie aktiv als Company-Builder und Mentor.

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