Gibt es eine Erfolgsformel? Ist garantierter Erfolg möglich?

Die unglaubliche Geschichte des Ford Edsel

Ein Produkt so unwiderstehlich machen, dass Kunden es einfach kaufen müssen – funktioniert das? Kann man damit ein Unternehmen garantiert zum Erfolg machen? Hat man damit eine „Formel“ für Erfolg? Einer der größten Konzerne in den USA wollte genau dies erreichen. Doch lesen Sie selbst, was daraus wurde.

Das Problem mit Unternehmensgründungen

Laut Statistik scheitern 90% der Unternehmen in den ersten 5 Jahren nach ihrer Gründung. Von denen 10%, die die ersten 5 Jahre als gegründetes Unternehmen überstehen, scheitern erneut 90% in den darauffolgenden 5 Jahren.

Laut Statistik muss man also ein völlig Wahnsinniger sein, um auch nur daran zu denken, ein Unternehmen zu gründen – denn die Zahlen sind eindeutig. Ein erfolgreiches Unternehmen zu gründen, ist laut Statistik fast ausgeschlossen.

Oder doch nicht?

Was wäre, wenn es eine Formel gibt für unternehmerischen Erfolg? Was wäre, wenn man Produkte und Dienstleistungen so entwickeln, designen und vermarkten könnte, dass genau die richtigen Kunden sich sofort nach dem Produkt sehnen? Kann man ein Produkt nicht so unwiderstehlich machen in seinen Eigenschaften, dass es eigentlich unmöglich wird “nein” dazu zu sagen?

Um diese Fragen zu beantworten, gehen wir etwas in die Zeit der Wirtschaftsgeschichte zurück. In den 1950er Jahren versuchte einer der damals größten Konzerne in den USA genau das – ein Produkt zu entwerfen, das exakt den Vorstellungen der Kunden entspricht, das genau den Geschmack der Konsumenten trifft und keine Wünsche offen lässt. Einmal auf dem Markt, würde dieses Produkt das Unternehmen zum erfolgreichsten weltweit werden lassen und ungeahnte Gewinn abwerfen.

Die Theorie

Die Firma, die dieses Wunderprodukt entwickelte, war niemand geringer als die Ford Motor Corporation. Und das Produkt sollte ein Auto sein, das genau auf die Wünsche der Kunden abgestimmt ist, um es unwiderstehlich zu machen. Dies geschah in den 1950er Jahren in den USA, als Autos für die breite Masse zugänglich wurden. Die 1950er-Jahre waren dementsprechend einige der fruchtbarsten Jahre für die Automobilindustrie in den USA, die es je gab.

Man führte bei Ford intern Studien durch, welche Käufergruppen am Markt aktiv waren, und analysierte sie genau, um sie besser zu verstehen. Marktanalysen und Kundenbefragungen waren damals noch etwas revolutionäres. Damit wollte man die Gedanken der Kunden besser verstehen und genau das Auto herstellen, das jeder einfach haben muss – eine Formel für Erfolg.

Die Umsetzung

In der damaligen Zeit war es üblich, dass die Arbeiterklasse eher günstigere Marken wie Fords bevorzugte und ab einem beruflichen oder anderweitig wirtschaftlichen Aufstieg anschließend auf das nächste bessere Podest der Mittelklasse wechselte, darunter Oldsmobile, Buick, GMC und andere. Diese waren damit die größten Konkurrenten von Ford. Durch den damaligen wirtschaftlichen Aufstieg bedingt, züchtete man quasi Kunden für die Konkurrenz, weil man ja bereits wusste, dass diese, sobald deren Einkommen stieg, zu einer anderen Marke wechselten und nicht zu Mercury, der Ford-eigenen Marke für die Mittelklasse.

Dies wollte man bei Ford ändern und einen Premiumwagen anbieten, der die heutigen Kunden von Ford auch langfristig bei Ford halten soll. Das Risiko, ein völlig neues Automodell zu entwickeln, war genau bekannt und wurde im Detail analysiert. Man wusste, dass seit Beginn der Automobilära in den USA von den 2900 verschiedenen Modellen, die seither entwickelt worden waren, lediglich an die 20 noch verkauft wurden. Man wusste auch nur zu gut Bescheid über die Autohersteller, die in diesen Jahren Insolvenz anmelden mussten oder sehr kurz davor standen wie Crosley oder Kaiser Motors, die 1954 völlig vom Markt verschwanden.

Aufgrund dieser Risiken wollte man diesmal alles richtig machen. Das Design des Autos, der Name und sogar die Vermarktung dafür wurden akribisch ausgerichtet nach den Ergebnissen von Dutzenden Kundenbefragungen. Jahrelang wurde jedes Detail studiert, nach dem Kunden sich beim Kauf eines Autos orientieren. Dafür wurde ein ungeheures Marketingbudget bereitgestellt, um jedes Detail beim Kaufvorgang eines Autos aus Kundensicht einzufangen:

  •       Gefallen große oder kleine Rückleuchten besser?
  •       Will man die Stoßstange in Chrom oder lieber in Wagenfarbe?
  •       Haben Kunden lieber runde oder eckige Lichter?
  •       Will man ein sportliches Fahrzeug mit verbessertem Fahrverhalten oder ein Auto, in dem die ganze Familie Platz hat?

Ford wollte dem Kunden exakt das geben, was er oder sie haben wollte. Es lagen präzise Daten vor, was Kunden an Autos mochten und nicht mochten, was sie sich wünschen würden und welche Autos sie kaufen möchten. Das Designstudio für den Edsel, der zuvor noch als „E-Car“ intern benannt worden war, war 24 Stunden an 7 Tagen die Woche von Securitys bewacht. „E“ stand damals noch für „Experimental“. Es wurden sogar fotografische Studien von den verschiedenen Modellen aller 19 verschiedenen Automarken am Markt gemacht, bei denen man feststellte, dass diese sich aus der Distanz in deren Aufbau und Design so stark ähneln, dass sie kaum zu unterscheiden waren. Der Chefdesigner des E-Car wollte eine völlig neue Linie schaffen, die sich auch auf distanzierte Sicht vom Aufbau und Form der anderen Autos unterscheiden würde.

Der Prototyp für den Edsel befand sich auf einem Gelände, auf dem es keinerlei Hügel oder Ähnliches gab, wodurch man in die Fenster hätte blicken können. Selbst die Schlösser zum Gebäude waren so präpariert, dass man sie innerhalb von 15 Minuten austauschen konnte, sollte ein Schlüssel in die Hände eines Konkurrenten fallen. Jedes Detail wurde beobachtet, alle Mitarbeiter, die an dem Projekt arbeiteten, unterlagen strengen Vertraulichkeitsvereinbarungen. Nur diejenigen, deren Arbeitsleistung zwingend für das Projekt erforderlich war, waren darüber informiert. Für alle Pläne galt strikte und akribische Geheimhaltung, weil man so überzeugt war vom Erfolg dieses Projekts. Die Sicherheitsmaßnahmen für den Edsel hätten damit wohl so manchen James-Bond-Film neidisch werden lassen. Über jedes Detail wurde im Designteam debattiert, von der Anordnung der Türgriffe bis zur Frage, welches Muster man mit dem Chrom verfolgen sollte. Man ging voller Überzeugung davon aus, hier das erfolgreichste Auto in der Geschichte der Menschheit zu bauen. Alle Daten stimmten überein, jedes Detail wurde genau nach den Kundenwünschen ausgelegt. Keine Frage blieb unbeantwortet. Alle Meinungen der Kunden wurden berücksichtigt, es sollte ein absolut unwiderstehliches Fahrzeug sein – die Daten belegten dies schließlich auch. Die Daten waren eindeutig – man hatte hier eine Formel für den Erfolg gefunden!

Inspiriert von den Kundenwünschen gab es den Edsel in ganzen 18 verschiedenen Varianten zu kaufen. Eine für die damalige Zeit sehr unübliche Vorgehensweise, in der ganze Automarken nur eine Handvoll verschiedener Modelle angeboten haben. Der Aufwand dafür war selbstverständlich enorm. Bei seiner ersten, Ford-internen Präsentation gab es laut Augenzeugenberichten über eine Minute lang Stillschweigen, bevor die Menge zu jubeln begann. Seit Henry Ford sein erstes Automobil entworfen hat, gab es keine vergleichbare Reaktion bei einer Präsentation eines neuen Fahrzeuges. Dieser Aufwand über Jahre hinweg war noch nie zuvor in die Entwicklung eines Konsumproduktes gesteckt worden.

Die Praxis

Bereits ein Jahr im Voraus begann eine gewaltige Marketingmaschinerie mit Kampagnen über die Marke und das neue Auto. Der 4. September 1957 wurde bereits lange im Voraus als der „E-Day“ bezeichnet und ein größtmöglicher Hype um das Produkt und die Premiere wurde ausgelöst. Um die Kosten und den Aufwand zu rechtfertigen, rechnete man mit 200.000 verkauften Edsels pro Jahr. Die Marktposition sollte wesentlich verbessert werden und die Herzen der Kunden sollten mit diesem Produkt im Sturm erobert werden.

Die Daten belegten es schließlich – der Edsel war all das, was Kunden angaben, zu wollen.

Das Problem war, dass die Kunden in den Dutzenden Befragungen scheinbar selbst nicht wussten, was sie eigentlich wollten oder wie die Summe aus verschiedenen Wünschen übertragen auf ein Auto wohl aussehen würde.

In über zwei Jahren wurden lediglich 109.466 Edsels verkauft, die meisten davon an Ford-Mitarbeiter oder -Händler selbst, die das Projekt unbedingt zum Erfolg machen wollten.

Das Beispiel belegt, dass selbst die beste Planung, das größte Budget und die genauesten Daten kein Garant für einen Erfolg bei einem neuen Projekt sind. Umgerechnet in den heutigen Wert, hat der Edsel Ford einen Verlust von etwa 2 Milliarden US-Dollar beschert (Brooks, 2019).

Warum scheitert ein “perfektes” Produkt?

Es gibt nun eine Vielzahl von möglichen Ursachen, die versuchen, zu erklären, warum der Edsel trotz solcher Investitionen und eines derartigen Aufwands gescheitert ist. Der erzeugte Hype und die grandiosen Versprechen des Marketings werden heute oft als Teil des Scheiterns eingeschätzt, denn die Erwartungen an das „Auto der Zukunft“ waren dadurch derart groß, dass eine Enttäuschung fast schon vorprogrammiert war. Eine weitere mögliche Ursache ist, dass die Premiere des Edsel genau zu Beginn einer Rezession durchgeführt wurde – ein Ereignis, das Jahre zuvor natürlich niemand voraussehen konnte. Durch den Aufwand und weil man mit einer erheblichen Nachfrage rechnete, wurde der Edsel auch sehr hochpreisig angeboten. Ford war damals wie heute eine Marke mit eher moderaten Preisen und typische Mittelklasse. In einer Wirtschaftskrise einen teuren Ford zu kaufen, wäre daher wohl für viele Kunden widersprüchlich gewesen. Ebenso wurde das Design des Edsel von vielen einfach als hässlich bezeichnet und das, obwohl exakt das wiedergegeben wurde, was die Kunden sich in deren Befragungen wünschten – alleine dieses Detail sollte man sich bei der Leitung eines Projekts zur Digitalisierung oder jeder anderen Transformation auf der Zunge zergehen lassen!

Ein weiterer wesentlicher Faktor für das Scheitern des Projekts war wohl die große Zeitspanne der Jahre zwischen den ersten Entwürfen und der finalen Veröffentlichung des Autos. In der Zwischenzeit hat sich die Wirtschaftslage stark verändert und damit wohl auch der Geschmack der Verbraucher. Auch in Zeiten vor der Digitalisierung war es bereits eine Todsünde, wenn sich ein Projekt über so lange Zeiträume hinzieht, dass sich die Grundbedingungen ändern. Eine neue Klasse der „Compacts“ war später am Markt vorherrschend und nicht länger die breiten und langen Wagen der Mittelklasse mit ihren verschwenderischen Motoren und ihrem wuchtigen Auftreten.

Was letztendlich der entscheidende Faktor für das Scheitern des Edsels gewesen ist, wird wohl ein Mysterium bleiben. Denkbar ist, dass es eine Reihe von verschiedenen Fehleinschätzungen und ein leider sehr ungünstiges Timing für den Start waren. Am wahrscheinlichsten und am weitesten akzeptiert ist jedoch die Erklärung, dass Kundenbefragungen und die damals noch brandneue Untersuchung von Kaufmotiven tatsächlich nur einen spontanen Gedanken widerspiegeln. Ebenfalls ist es leicht seine Meinung über ein Thema abzugeben, aber es ist viel schwieriger, ein kostenintensives Produkt wie ein Auto tatsächlich mit seinem hart ersparten Geld zu kaufen.

Auch mit den präzisesten Daten wird nicht vorhersehbar, wie genau ein Produkt zu sein hat, damit es eine Käufergruppe findet. Es gibt keine „Formel“ für ein schönes Produkt. Es gibt kein Patentrezept für unternehmerischen Erfolg. Bis zum Ford Edsel gab es kein vergleichbares Projekt oder Produkt, das je derart akribisch vorbereitet auf den Markt gebracht worden war. Somit konnte man damals auch nur von dem ausgehen, was einem die Logik annehmen lässt – nämlich, dass, wenn man dem Kunden genau das gibt, was er will, dieser höchstwahrscheinlich auch unser Produkt kaufen wird. Die Realität bewies daraufhin, dass es leider keine Garantie gibt für menschliches Verhalten und schon gar kein Patentrezept für optische Schönheit oder unternehmerischen Erfolg.

Fazit

In unserer digitalen Welt haben wir immer mehr Daten zur Verfügung, arbeiten immer mehr mit diesen Daten und treffen auch immer mehr Entscheidungen basierend auf diesen Daten.

Wir sind dabei geneigt zu glauben, dass diese Daten zwingend die Realität abbilden. Immer komplexere Algorithmen erstellen Vorhersagen und Modelle, wie sich Dinge in der Zukunft entwickeln werden.

Das Beispiel des Ford Edsel zeigt, dass auch bei weitreichendem Budget und exakten Daten sich eine Komponente nie vorhersehen lässt: Das Verhalten der Menschen.

Als Unternehmer, Marketer, Vertriebler oder jeder andere, der die Welt verändern will und mit Menschen arbeiten muss, haben wir somit immer eine unbekannte Variable. Um herauszufinden, wie genau diese aussieht, können wir nur testen und experimentieren, um zu sehen, was wirklich in der Praxis funktioniert und was nicht.

David A. Schneider hat über 10 Jahre an vorderster Front im Vertrieb und im direkten Marketing verbracht. Sein erstes Unternehmen hat er mit 18 Jahren gegründet und war seither von den Möglichkeiten und Auswirkungen des Unternehmertums auf unsere Gesellschaft fasziniert. Seit Jahren hat er es sich zur Aufgabe gemacht, ein Buch pro Woche zu lesen und die Inhalte in der Praxis anzuwenden. In diversen Branchen hat er damit bereits überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt, indem er seine Arbeitsweisen stets an die neuesten Technologien anpasst und orientiert. Derzeit hat er eine leitende Funktion in einem Familienunternehmen mit 150 Mitarbeitern und teilt sein Wissen als Autor, Blogger und Unternehmensberater mit seinen Kunden und Lesern.

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