Ethereum & Co. – Allzweck-Blockchains sind mehr als nur Bezahlsysteme

Wie Allzweck-Blockchains und weitere mächtige Smart-Contract Plattformen den Markt erobern

Bitcoin ist Blockchain, doch Blockchain ist nicht Bitcoin. Heute bestehen Hunderte eigenständiger Blockchain-Systeme, die mächtigste neben Bitcoin ist Ethereum. Als erste Allzweck-Blockchain geht sie über den Anwendungsbereit von Bitcoin als Bezahlsystem weit hinaus und kann dabei aufzeigen, wo zusätzliche Nutzen von Allzweck-Blockchains für Wirtschaft und Gesellschaft liegen.

A) Unterschiede der Blockchain-Projekte

Bitcoin und Ethereum als die zwei grössten Blockchain-Projekte unterscheiden sich fundamental voneinander, obwohl sich deren Token BTC und ETH im Markt parallel entwickeln – noch

Bitcoin ist Blockchain, doch Blockchain ist nicht Bitcoin. Bitcoin wird landläufig mit Blockchain gleichgesetzt, zu gutem Recht. Mit seinen Anfängen als sicheres, auf einer öffentlichen Blockchain gegründetes (dezentrales) Peer-to-Peer Zahlungssystem, wurde im Januar 2009 gleichermassen der Grundstein für die Blockchain-Technologie wie auch die Kryptowährung selbst gelegt und deren Siegeszug eingeläutet. Heute, mehr als eine Dekade später, existieren neben Bitcoin Hunderte eigenständiger Blockchain-Systeme.

Die verbreitetste Blockchain-Plattform neben Bitcoin ist Ethereum. „Ethereum ist eine globale Open-Source-Plattform für dezentralisierte Anwendungen… Auf Ethereum kannst du Code schreiben, der digitale Werte verwaltet, der exakt wie programmiert ausgeführt wird und der von überall auf der Welt zugänglich ist.“[1].  Das Ende 2013 im White Paper von Vitalik Buterin beschriebene und seit Juli 2015 in Betrieb befindliche Netzwerk ist gemessen an seiner Marktkapitalisierung weltweit die Kryptowährung Nummer 2 hinter Bitcoin, gemessen an der Anzahl Nutzer aber schon die Nummer 1. Vergleicht man die Kursbewegungen der entsprechenden Kryptowährungen, repräsentiert durch ihre netzwerkeigenen Token BTC und ETH, fällt auf, dass sich diese nahezu parallel entwickeln, also korrelieren, und die Vermutung liegt nahe, dass die Anleger Zweck und Nutzen der beiden unterschiedlichen Netzwerke gleich einschätzen. Das ist nach Ansicht des Autors nicht nachvollziehbar. Zwar sind beide Systeme als die Avantgarde Blockchain-Plattformen und die Top-Kryptowährungen. Als erste sogenannte Allzweck- oder Smart Contract-Blockchain unterscheidet sich Ethereum jedoch fundamental von Bitcoin als reines Zahlungssystem.

In diesem Artikel werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Netzwerke aufgezeigt und worin der erst allmählich erkennbare zusätzliche Nutzen von Ethereum für Wirtschaft, Gesellschaft und letztlich jeden Einzelnen liegt. Ferner wird erklärt, weshalb sich dieser Netzwerknutzen als realer Wert im Ether Token widerspiegelt, eine Ansicht, der ein Grossteil traditioneller Ökonomen (noch) nicht folgen wollen. Da der gleichermassen junge wie komplexe Megatrend Blockchain / „Krypto“ in der Gesellschaft erst in Ansätzen ankommt, wird die Gelegenheit genutzt, auch einzelne Aspekte der Blockchain-Technologie insgesamt zu erläutern.

B) Was Bitcoin und Ethereum verbindet

Bitcoin ist die erste digitale Währung, die vollständig dezentral, d.h. in einem nicht vertrauenswürdigen Umfeld, zwischen einander gänzlich unbekannten Personen sicher übertragen werden kann. Damit wurde ein digitales Bezahlsystem geschaffen, welches ohne zentrale Einheiten wie Banken und Zahlungsdienstleister auskommt, also die Disintermediation des Finanzsektors tatsächlich vorantreiben könnte. Es verspricht im Vergleich zu herkömmlichen Zahlungssystemen Einfachheit, Sicherheit, Geschwindigkeit und niedrigere Transaktionsgebühren. Auch wurden gesellschaftspolitische Umwälzungen angestossen wie Beispiele aus El Salvador zeigen, dessen Regierung Bitcoin kürzlich als staatliche Alternativwährung einführte oder aus anderen Staaten insbesondere der südlichen Hemisphäre, die mit Bitcoin eine Bezahllösung für die Bevölkerung ohne Bankkonti erkennen (Stichwort „bank the unbanked“).

Bitcoin ist Blockchain: Technisch gesehen, ist die Bitcoin-Blockchain das öffentliche Hauptbuch, welches sämtliche je getätigten Bitcoin-Transaktionen chronologisch und in Blöcken geordnet führt. Es ist für jedermann einsehbar und nutzbar, wird dezentral auf Tausenden von Computern (daher DLT für distributed ledger technology) in einem Peer-to-Peer Netzwerk („P2P“) gespeichert und aktualisiert. Ein kryptografischer Algorithmus erzeugt in einem aufwändigen Rechenverfahren (sog. Proof of Work, kurz: „PoW“) den Beweis, dass die Zahlung korrekt erfolgt ist und eliminiert damit das Risiko, dass ein Bitcoin doppelt ausgegeben oder gefälscht wurde (sog. „double spending“). Bitcoin ist aber nicht nur ein Blockchain-basiertes Zahlungsnetzwerk, sondern auch ein virtuelles Zahlungsmittel, ein Mittel zum Tausch, das durch den BTC Token repräsentiert und via Bitcoin-Blockchain handelbar gemacht wird.[2]

Wie Bitcoin ermöglicht auch Ethereum die dezentrale Nutzung von digitalem Geld[3] unter Verwendung einer eigenen öffentlichen Blockchain, einer Public Key Infrastruktur, eines PoW Konsensverfahrens und des native Tokens ETH. Die erwähnte hohe Korrelation zwischen den beiden Kursen ist so weit zumindest nachvollziehbar. Die Einsatzmöglichkeiten von Ethereum gehen aber über den von Bitcoin weit hinaus.

C) Ethereum, die erste Allzweck-Blockchain

Ethereum ist – anders als Bitcoin – eine via Smart Contracts[4]  programmierbare Blockchain-Plattform, durch welche dezentrale Computeranwendungen, die sogenannten „dApps“, geschaffen werden. Sie wurde als gemeinsam genutzte globale Infrastruktur „konzipiert, … und eignet sich hervorragend als Basis für eine große Anzahl von Finanz- und Nicht-Finanz-Protokollen…“[5] Darüber lässt sich der Besitz von Eigentum darstellen und digitale Anlagen bewegen, aber auch Anwendungen jeglicher Art bauen, in der Daten weder gestohlen noch zensiert werden können, kurz:

Mit Ethereum wurde im Grunde ein dezentrales, weltweit für jedermann verfüg- und nutzbares Blockchain-Betriebssystem für den sicheren Transport vertrauenswürdiger Informationen geschaffen.

Ethereum ist damit die erste Allzweck-Blockchain, was folgendes Schema hervorhebt:

Ethereum Schema und Ökosystem
Ethereum Schema und Ökosystem – Quelle: Markus Hammer

DeFi, dezentralisierte Finanzmärkte („decentralized finance“), steht für Finanzapplikationen fungibler, also austauschbarer Werte, NFTs (nicht fungible Token) für semi-Finanzapplikationen und DAOs (dezentralisierte autonome Organisationen) für nicht-Finanzapplikationen die mit nur begrenzter menschlicher Einmischung auskommen wie online Abstimmungen oder dezentrale Kontrollstrukturen.

Greifen wir zwei Beispiele heraus, die die Vielseitigkeit der Ethereum-Plattform beschreiben, eines aus dem Defi, das andere aus dem NFT Universum, und beide aus der Schweiz, Heimat der Ethereum-Stiftung und bekannt als Blockchain-Nation mit entsprechendem Ökosystem und einer verlässlichen Blockchain-Gesetzgebung.

DeFi beschreibt ein Ökosystem, das Krypto-basierte Finanzdienstleistungen wie Kredite, Handel, Asset Management und Zahlungen anbietet.[6] Die Defi-Plattform Liquity bietet u.a. Kredite an, die als Liquity-eigener Stablecoin[7] (LUSD) gegen Besicherung durch Ether bezogen werden. Dieses Defi-Produkt ist damit vergleichbar mit einem Lombardkredit einer Bank, über den einem Bankkunden gegen Verpfändung seiner Wertschriften und gegen Bezahlung eines Kreditzinses kurzfristige Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Um Bankkunde werden zu können, muss die Interessentin zunächst u.a. die Know your Client („KYC“) Anforderungen erfüllen, und um einen Lombardkredit zu erhalten, neben anderen Formalitäten, einen (hand-) schriftlichen Faustpfandvertrag abschliessen. Sie muss also langwierige Prozesse durchlaufen, verbunden mit einer Kaskade von Fragen und Formularen, oft noch in Papierform.

Als Defi-Instrument, laufen die Prozesse online und ohne Verzögerung. Defi wird zwar zunehmend reguliert, doch sind die KYC-Fragen online zügig erledigt. Für den Bezug der Kreditlinie in Form des Stablecoins genügt das Einbuchen von ETH als Sicherheit bei einem der Liquity-Anbieter, einfach via Krypto-Wallet und ohne weitere Formalitäten, schon gar nicht handschriftlichen. Dem Kunden bieten sich dadurch nicht nur Effizienzvorteile. Der Liquity-Kredit ist gegen eine Einmalgebühr von 0.5% vollständig zinslos (!) erhältlich – nachgerade revolutionär im Kreditmarkt.

Nun zu NFTs und dessen grossem Kreativ-Labor. NFTs stehen für einen weiteren, erst durch Ethereum geschaffenen Markt. Ein NFT ist ein Token, der ein nicht-austauschbares, einzigartiges Eigentumsrecht an Gegenständen oder Forderungen verkörpert, und sowohl das Recht wie die Echtheit verbrieft. Damit ist ein NFT wie gemacht für Erzeugnisse kreativen Schaffens.

Ebensolche NFTs nutzt Hashmask. Dieses Ethereum-Projekt hatte anfangs 2021 eine Kunstsammlung über 16’384 einzigartige und von 70 Künstlern geschaffene digitale Porträts in Token auf der Ethereum Blockchain geprägt und in einer Online-Auktion in Rekordzeit verkauft. Diese rein digitalen Kunstobjekte lassen sich heute auf der für NFT spezialisierten Krypto-Plattform OpenSea handeln. Im Gegensatz zu prominenten Vorläuferprojekten wie CryptoPunks und CryptoKitties verwendet Hashmask zusätzlich einen sogenannten Name Change Token. Darüber lässt sich der Name durch den Konsumenten festlegen und damit Einfluss auf das Werk selbst nehmen. Gerade solche Beispiele verdeutlichen die unlimitierte Anwendungsvielfalt, die Ethereum als Allzweck-Blockchain mit Smart Contracts schafft.

D) Ethereum als Allzweck-Blockchain für Wirtschaft, Gesellschaft und Handel

Der Wert von Ethereum als Netzwerk

Worin der reale Nutzwert der Ethereum-Plattform liegt, wurde eben angedeutet. Einfach gesagt, ergibt sich der Wert von Ethereum aus den in der Blockchain gehaltenen vertrauenswürdigen, weil verifizierten Informationen, der Grösse und des Wachstums des Netzwerkes, das durch die dApps geschaffen wird. Stand Juni 2021 gibt es bereits deren 3’000. Rund um das Ethereum-System wurde ein Netzwerk zwischen den sozialen und wirtschaftlichen Akteuren geschaffen – das Ethereum-Ökosystem – das stetig wächst. Milliardensummen wurden in entsprechende Unternehmungen investiert. Allein im Defi Sektor waren gemäss DefiPulse zwischen Juli und August 2021 im Schnitt Vermögen von $80 Mrd. an Wert angelegt:

Amount of ETH Locked in DeFi - DefiPulse
Amount of ETH Locked in DeFi – Quelle: DefiPulse

Bereits heute übertrifft die Transaktionszahl von Ether diejenige von Bitcoin und die Entwicklung ist erst am Anfang. Durch die Plattform-Eigenschaft, nahezu sämtliche Informationen sicher und privat, dezentral abzuspeichern und handelbar zu machen, erschliessen sich weitere Märkte für vertrauenswürdige Informationen. Digitale Profile mit sensiblen persönlichen z.B. Gesundheits-Daten lassen sich anlegen und gezielt zur Verfügung stellen. Der Nutzer könnte wieder Herr seiner eigenen Daten werden und es böten sich plötzlich Alternativen zu mächtigen zentralen Plattformen wie Amazon, Microsoft oder Facebook.

Mit der Schaffung eines ganzen Betriebssystems hat sich Ethereum im Kryptomarkt ein Alleinstellungsmerkmal und seinen eigenen First-Mover Vorteil geschaffen. Ausruhen darf sich die Netzwerk-Gemeinschaft jedoch nicht, können solche Vorteile in der Tech-Szene schnell verblassen; wer erinnert sich noch an MySpace, Netscape oder Yahoo? Um im Markt daher agil zu bleiben, verfügt Ethereum – im Gegensatz zu Bitcoin – über eine Steuerungsstruktur mit einem zentralen Entwicklungsteam und kann damit Protokoll-Upgrades veranlassen. Blockchain-Anpassungen wie der bevorstehende Wechsel vom PoW Konsensus-Verfahren auf Proof of Stake (PoS) werden so gerade möglich und Altlastenproblematiken können behoben, respektive das Netzwerk skalierbarer, sicherer und nachhaltiger gemacht werden[8].

Der Wert von Ether als Token

Die Ethereum-Plattform schafft also Werte durch realen Nutzen. Erstaunlicherweise wird dies beim ETH Token selbst noch mehrheitlich anders gesehen. Dieser wird nicht als echter Wertträger mit intrinsischem Wert betrachtet. Damit auch der Token als echtes Asset, oder Krypto-Asset gilt, müsste er die Eigenschaft als Wertaufbewahrungsmittel (Store of Value) besitzen und damit entweder Ertrag (income) oder realen Nutzwert (utility) erzeugen. Nach hier vertretener Ansicht ist das aber erfüllt.

Native Krypto-Token leiten ihren Wert von den vertrauenswürdigen, weil verifizierten Informationen auf der Blockchain ab. Die Prägung des ETH Tokens schafft also erst die Voraussetzung, um diese Informationen vertretbar zu gestalten, freizuschalten und handelbar zu machen. Es ist daher schwer nachvollziehbar, wie das Ethereum-Netzwerk zwar einen Wert haben soll, dessen Coin aber nicht.[9] Nach hier vertretener Meinung leitet sich der Wert des ETH also direkt vom Nutzen des Ethereum-Netzwerks ab und gilt damit als Wertspeicher. Oder anders ausgedrückt, kann der Ether als Handelsware angesehen werden. Der Token ist Träger der darin enthaltenen vertrauenswürdigen Information und damit selbst ein Rohstoff mit realem Nutzwert.[10] Mit Einführung des PoS-Verfahrens und der Staking-Funktion wird Ether künftig auch die zweite Eigenschaft als Wertaufbewahrungsmittel erfüllen: Ertrag.

Ob Ethereum seinen First-Mover Vorteil halten kann, wird sich zeigen. Mit Polkadot, Solana, Algorand und Cardano zeigen sich teils ernstzunehmende Mitbewerber im Allzweck-Blockchain Markt. Time-to-Market wird für Ethereum daher die Devise bleiben.

Das Grösste Risiko für Krypto-Werte, ETH eingeschlossen, ist allerdings die internationale Regulierung[11]. Hört man genau hin, so steht ein klärendes Gewitter bevor, ausgehend von den U.S.A. (Europa und China sind bereits weiter, wenn auch mit gegenläufigen Massnahmen) und hauptsächlich den Defi und Stablecoin-Markt treffend. Anschliessend dürfte sich der Markt aber nachhaltig entwickeln können.

Nach etwas Rumpeln dürfen wir uns also auf weitere bahnbrechende Innovationen durch Ethereum und dessen dezentral operierende Allzweck-Blockchain Plattform freuen.

Quellen:

[1] Vgl. https://ethereum.org/de/
[2] Bitcoin geht auf Satoshi Nakamoto’s Ende 2008 veröffentlichtes Whitepaper zurück: https://bitcoin.org/bitcoin.pdf
[3] Wegen der Bezahlfunktion von BTC und ETH werden die Krypto-Token auch gerne als Kryptowährung bezeichnet, eine Bezeichnung, die irreführend ist. Die Plattformen wurden weder als Alternative zu FIAT-Währungen eingeführt, noch erfüllen sie Währungseigenschaften (insb. Preisstabilität).
[4] Mehr zu Smart Contracts: https://morethandigital.info/was-sind-smart-contracts-vertraege-auf-der-blockchain-verstehen/
[5] Seite 34: https://ethereum.org/en/developers/docs/web2-vs-web3/
[6] Mehr zu Defi: https://morethandigital.info/defi-decentralized-finance-erklaert/
[7] Mehr zu Stablecoins: https://www.coinbase.com/de/learn/crypto-basics/what-is-a-stablecoin
[8] ETH2 upgrade: https://ethereum.org/en/eth2/vision/
[9] Vgl. Jeff Currie: https://www.goldmansachs.com/insights/pages/crypto-a-new-asset-class.html
[10] In den U.S.A werden Bitcoin und der Ether (als einzige native Token) regulatorisch als Commodity qualifiziert und nicht als Wertschrift.
[11] Mehr zu Krypto-Regulation: https://morethandigital.info/regulierungen-und-verbote-was-krypto-bitcoin-co-droht/

For over 20 years I have established leading edge business, regulatory and digital solutions in the Banking sector and built small businesses cross-industry. My passion today goes for Blockchain ecosystems, the decentralized innovation power originating from it, directed towards a more self-sufficient environment. This multidisciplinary topic allows me to leverage my experience as a delivery manager, business developer, lawyer, entrepreneur, and combine business, regulation and technology expertise

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish. Accept Read More