Der Purpose im Unternehmen – Von der Vision zur Strategie

Die Zwecksetzung und die Haltung einer Marke wird zur nachhaltigen Daseinsberechtigung eines Unternehmens.

Unternehmen brauchen eine Vision, eine Mission und die entsprechende Strategie, Gesellschaft und Umwelt besser zu machen. Das hätte schon immer so sein sollen. Jetzt wird es aber von Kunden vorausgesetzt.
Deswegen ist es sinnvoll, im Marketing mit den Begrifflichkeiten “Vision”, “Mission”, “Strategie” oder eben … “Purpose” als eindeutige semantische Konvention umzugehen. Wichtig ist zwar, was hinten rauskommt – nämlich die unumstößliche Positionierung einer Marke –, aber zur Klärung eines optimalen Prozesses innerhalb einer Zusammenarbeit im Markenteam ist es wichtig, ein klares Verständnis der Begriffe zu haben.

Plötzlich wird im Marketing viel über Vision, über Mission und – ja es steht jetzt hier auch wieder – Purpose … gesprochen. Diese Begriffe sind Buzzwords des ambitionierten Marketers geworden. Kein Wunder, in unserer immer volatiler und unsicherer werdenden Welt ist eine gesellschaftliche und ökologische Weitsicht – auch von Unternehmen und Marken – vonnöten. Und gleichzeitig haben uns die Naturkatastrophen der letzten Monate hautnah vor Augen geführt, dass der Klimawandel uns jetzt aber nun wirklich erreicht hat. Unternehmen müssen hierauf reagieren, denn Verbraucher fordern das vehement ein.

Unternehmen tragen Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Neu ist aber, mit welcher Tiefe und Tragweite die Community die spürbare Umsetzung in jedem einzelnen Produkt erwartet und fordert.

Die Zwecksetzung und die Haltung einer Marke wird zur nachhaltigen Daseinsberechtigung eines Unternehmens. Unternehmen brauchen eine Vision, eine Mission und die entsprechende Strategie, Gesellschaft und Umwelt besser zu machen. Das hätte schon immer so sein sollen. Jetzt wird es aber von Kunden vorausgesetzt.

Deswegen ist es sinnvoll, im Marketing mit den Begrifflichkeiten “Vision”, “Mission”, “Strategie” oder eben … “Purpose” als eindeutige semantische Konvention umzugehen. Wichtig ist zwar, was hinten rauskommt – nämlich die unumstößliche Positionierung einer Marke –,  aber zur Klärung eines optimalen Prozesses innerhalb einer Zusammenarbeit im Markenteam ist es wichtig, ein klares Verständnis der Begriffe zu haben.

Das soll der Artikel leisten. Und er soll auch die Bedeutung einer grundlegenden Vision für das Marketing klarstellen. Denn mit einer so zielsicheren Festlegung der unternehmerischen Zweckbestimmung fällt alles leichter, was danach kommt, sei es Marketing, Vertrieb, Employer Branding oder die Motivation der Mitarbeiter.

Vision und Mission als Ausgangspunkt der Positionierung

Die Positionierung einer Marke findet ihren Ursprung in einer zukunftsgerichteten Zweckbestimmung und einer wegweisenden Haltung. Die Positionierung ist eben nicht eine künstliche, aufgesetzte “Färbung”, um die eigenen Marken-Produkte andersartig darzustellen. Sondern: Die Positionierung einer Marke “durchfärbt” die Produkte von innen nach außen.

Ganz pragmatisch betrachtet und keineswegs emotional überhöht: In jedem Molekül der Marke, nein der Produkte, schwingt diese idealerweise besondere Zweckbestimmung und Ausrichtung der Marke mit.

Alles weitere wie die vertriebliche Verbreitung, die Marketingstrategie und das Employer Branding folgt daraus fast wie von selbst.

1. Vision

Die Vision sollte der Ausgangspunkt unternehmerischen Handelns sein. Was ist also die Vision einer Marke, eines Unternehmens? Gerade hier gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Auslegungen und Schwerpunktsetzungen. Diese begriffliche Konfusion macht es einem Marketingverantwortlichen nicht leicht, wenn er in die Diskussion zur Markenpositionierung einsteigt. Die enge, IMHO veraltete Auffassung des Marketingbegriffs “Vision”, beschreibt die erfolgsgeprägte, langfristige Zielbestimmung, wo sich ein Unternehmen in 10-15 Jahren befinden möchte. So könnte ein herkömmliches Vision Statement wie folgt lauten: “In den nächsten 10 Jahren wollen wir mit unseren Produkten die Marktführerschaft erreichen.” Oder: “2035 werden wir den höchsten Umsatz aller Handelsunternehmen in Europa generieren.” Diese Definition einer Vision ist stark nach innen gerichtet und unternehmerisch geprägt. Gleichzeitig dient die alte Auslegung von “Vision” dazu, eine Zielbestimmung für die Mitarbeiter zu formulieren: Wofür arbeiten wir täglich? Was wollen wir gemeinsam erreichen? Eine Formulierung, wie oben, kann allerdings niemals intrinsische Motivation erzeugen. Das bekannte Zitat von Antoine de Saint-Exupéry bringt es wunderbar auf den Punkt: Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.

Ob es nun die Sehnsucht sein muss, die Menschen motiviert bleibt dahingestellt. Was aber dieses Zitat verdeutlicht: Wir brauchen Bilder, Gefühle, Wünsche, welche uns antreiben, Ziele zu erreichen. Keine abstrakten unternehmerischen Zielbestimmungen, dessen Wert jeder einzelne nur sehr schwer beeinflussen kann.

Ich plädiere daher für diese weitreichendere und grundlegende Definition. Die motivierende, Menschen aktivierende Kraft einer Vision ist allerdings das eine. Das andere: Eine Vision muss nach innen und außen gleichermaßen wirken. Sie ist intrinsische Motivation für die Mitarbeiter. Sie ist aber ebenso eine zukunftsgerichtete Zweckbestimmung eines Unternehmens. Ein Fixstern, der Kunden zeigt, wofür eine Marke steht. Und warum es sich lohnt, loyal mit einer Marke verbunden zu sein. Kunden können abgleichen, wie die Marke die Vision mit Leben füllt und wie jedes Produkt diese Vision trägt.

Die Vision meiner Lieblingsmarke ist: „With everything we do, we aim to challenge the status quo. We aim to think differently.” Ok, erraten: Apple.

Die Formulierung von Apple ist zwar eine allgemeine, produktunabhängige Aussage, aber gerade deshalb hat sie so eine Größe, die Mitarbeitern eine tägliche “Arbeitsanweisung” und Motivation gibt, sich nicht zufrieden zu geben mit dem, was es schon gibt, sondern kreativ weiter zu denken.

Die produktunabhängige Formulierung einer Vision ist smart, weil sie Freiheiten für Disruption und Innovation gibt. Apple macht eben nicht nur Computer, sondern auch wegweisende Smartphones oder multimediale Services, die neue Standards setzen. Wenn Apple sich als Vision gesetzt hätte, dass sie die besten Computer der Welt machen wollen, dann hätten sie es vielleicht geschafft, die besten Computer der Welt zu bauen, aber sie wären nicht auf das iPhone oder Apple TV gekommen.

Henry Ford sagte einmal den folgenden Satz: “Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: ›schnellere Pferde‹.” Passt!

Also: Eine Vision muss Raum geben, inspirieren und zur Weiterentwicklung eines Unternehmens motivieren. Die Vision ist der Raketenantrieb, der eigene Boost, zu den Sternen zu greifen. Dabei schwingt immer mit, dass die Marke das Leben des Menschen ein wenig besser machen will. Noch besser, wenn die Marke die Gesellschaft und Umwelt besser machen will.

2. Mission

Die Mission legt die Richtung fest, wie das Unternehmen die Vision erreichen will. Das ist der mittelfristige Weg, ggf. unterteilt in Wegstrecken, hin zur Erreichung der Vision. Die Mission reflektiert anfassbarer den Kundennutzen, ohne schon im Detail in konkreten Produkten und Services zu denken. Und doch hat sie die Kraft, dem Unternehmen eine zum Wettbewerb differenzierende Ausrichtung zu geben. Die Mission beschreibt das Kunden-Versprechen, wie man heute in jedem Teil des Unternehmens daran arbeitet, die Vision zu erreichen.Insofern hat die Mission hauptsächlich Außenwirkung und weniger Innenwirkung. Daher fließen auch Unternehmens- bzw. Marken-Werte und Haltung in die Mission ein.

Die Mission ist das Bindeglied zwischen Vision und dem strategischen Geschäftsmodell, in dem sich die Marke mit Produkten, Revenuestream und Kostenstrukturen bewegt.

Die Mission ist somit der Richtungsgeber hin zur Vision. Und sie bildet den Rahmen für die Strategie.

3. Strategie

Die Strategie ist also die Roadmap zur Erreichung der Mission. Sie ist dynamisch. Denn abhängig von bestimmten äußeren Bedingungen bietet die Strategie auch die Möglichkeit, Richtungswechsel und Umleitungen zu planen. Sie setzt Zielsetzungen in operationalisierbare und messbare Planungsschritte. Die Strategie ist also der mittelfristige Zielerreichungsplan. Eine Strategie besteht damit aus einem Plan, Nutzenversprechen, Ertragsmechanik und Wertschöpfungskette als Elemente des Geschäftsmodells effektiv und effizient zu verzahnen. So werden die verschiedenen Ziele aus verschiedenen Teilbereichen von Marketing, Vertrieb und Produktpolitik, welche alle zur übergeordneten Zielsetzung der Mission beitragen, perfekt orchestriert.

4. Purpose

Und dann war da noch der Purpose. Purpose wird das andauernde Schlagwort des aktuellen “Werber-Jahrzehnts”, da bin ich mir sicher. Der Begriff “Purpose” ist das Konstrukt, das den Kundennutzen, das emotionale Ergebnis der Vision, und die Erfüllung der Mission widerspiegelt.Purpose in seiner engeren Sichtweise seitens des Marketing ist eine Absichtserklärung des Unternehmens, seine Zweckbestimmung bzw. die der Marke so auszurichten, dass das Leben der Menschen in gewissen Teilbereichen besser wird. Und besonders auch Umwelt und Gesellschaft positiv beeinflusst werden. Da ist die Versuchung nah, grüne Produkte und Services zu kreieren, die einen positiven Imagetransfer auf die gesamte Marke haben. Ohne im Kern des Unternehmens wirklich positive Auswirkungen  zu schaffen.Für mich ist Purpose damit in einer breiten Auslegung – um auch gar nicht zum Greenwashing (oder Bluewashing*) verleitet zu werden – die haltungsstarke Formulierung eines Statements, welches Elemente des Vision Statements und des Mission Statements verbindet. Eindringlich, klar, plakativ und verständlich.

Purpose = Vision + Mission
Abb 1: Purpose = Vision + Mission – Quelle: Kai Bösterling

Pragmatische Vereinfachung im Golden Circle

Mit der Renaissance des Purpose-Begriffs gab es auch die Wiedergeburt des wunderbaren Modells des Golden Circle, welches Simon Sinek bereits 2009 in seinem Buch “Start with why: how great leaders inspire everyone to take action” vorstellte. Dieser ist durch die neu entfachte Purpose-Diskussion der letzten fünf Jahre im Marketing unglaublich populär geworden. Wahrscheinlich auch, weil das Modell so einfach und plakativ ist.

Der Golden Circle arbeitet mit drei einfachen Begrifflichkeiten, die alle jeweils in einem einzigen, einfachen Satz formuliert werden. Aufgrund dieser Plakativität ist das Modell auch so wirksam:

WHAT

Jedes Unternehmen weiss, was es macht, was es produziert. Seine Produkte und seine Services.

HOW

Im Idealfall wissen Unternehmen auch, wie sie ihre Produkte und Services speziell und differenzierend gestalten. So entsteht neben dem unternehmerischen Nutzen (Kosten plus Gewinn) der Nutzen für den Kunden, der den Mehrwert der Marke gegenüber der Konkurrenz entscheidend definiert.

Man kann das How mit Mission Statement gleichsetzen.

WHY

Sinek hat erkannt, dass die wenigsten Marken sagen können, warum es sie eigentlich gibt. Was ist eigentlich der Kern des Unternehmens, aus dem sämtlicher Antrieb für die gemeinsame Sache und Leuchtturm-Wirkung für die Kunden kommen soll?

Was ist die höhere Zweckbestimmung? Was ist also letztendlich die Vision des Unternehmens? Das Why ist der Ausgangspunkt des unternehmerischen Handelns. Wenn das Unternehmen das Warum beantworten kann, dann kann es auch andere inspirieren und für die Marke begeistern.

Der Golden Circle von Sinek entfacht seine Kraft durch die Richtungsumkehr. Nicht das Produkt ist der Kern des Unternehmens sondern der haltungsstarke Zweck eines Unternehmens. Apple macht es vor. Kunden von Apple kaufen keine Computer. Kunden von Apple kaufen den Glauben an eine digitale Infrastruktur, welche die nutzerfreundlichste und smarteste der Welt sei. Hieraus entsteht eine ganz andere emotionale Kommunikationsausrichtung, als aus dem Produkt selbst heraus.

Siehe das folgende Beispiel des Golden Circle von Apple.

Golden Circle am Beispiel Apple
Abb 2: Golden Circle am Beispiel Apple – Quelle: Kai Bösterling frei nach Simon Sinek

Warum Unternehmen Vision, Mission und auch Purpose brauchen

Letztendlich egal, wie du es nennst, Hauptsache, es gibt etwas im Unternehmen, was Leidenschaft entfacht und was eine emotionale Positionierung lebendig formuliert. Das WARUM begründet die gesamte Ausrichtung einer Marke, die Kultur, die Tonalität, die Haltung, die Anspruchshaltung, die Verantwortung, den Benefit, den USP. Es emotionalisiert das Storytelling einer Marke und ist deswegen so differenzierend und richtungsweisend für alle Stakeholder eines Unternehmens. Für Kunden, Mitarbeiter, Partner, Investoren.

Ich bin heute davon überzeugt, dass ein Unternehmen die Gesellschaft und Umwelt besser machen muss, sonst hat es keine Daseinsberechtigung und wird langfristig auch keine Käufer binden.

Eine Vision, oder wie wir es auch immer nennen wollen, muss diesen Impetus der Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt tragen, weil heute Unternehmen immer demokratischer werden, weil die Community Beteiligung und Co-Creation verlangt.

Die digitale Transformation ermöglicht diese Teilhabe der Kunden am Unternehmen. Insofern ist die Digitalisierung auch der Wegbereiter des Purpose-Gedankens und der Erkenntnis, wie wichtig Vision und Mission für ein  Marke sind. Denn Marken werden spürbar und lauthals daran gemessen, was sie sagen, wie sie Stellung beziehen und wie sie sich verhalten.

Heute haben Konsumenten zahlreiche Plattformen, sich auszutauschen und sich zu Wort zu melden und andere in der Community entweder zu begeistern, oder vom Kauf von Produkten einer Marke abzuraten. Das ist gut so. Einkaufen wird transparenter. Einkaufen wird immer mehr zum Statement einer bewussten Entscheidung. Für oder gegen eine Marke. Und nicht nur für oder gegen ein einzelnes Produkt, sondern für oder gegen ein Unternehmen. Jeder bekommt im Internet Information zu einem Unternehmen, zu dessen Handlungen und Weltanschauungen. Quasie in Echtzeit kann ein Unternehmen von der Community auf den goldenen Thron gehoben werden oder in die ewige Verdammnis geschickt werden.

Das Formulieren von Vision, Mission und Purpose ist daher entscheidend. Für die innere Motivation und Ausrichtung der Mitarbeiter und für die Kaufmotivation der Community. Denn das Hinterfragen der Haltung eines Unternehmens gehört mittlerweile zum Kaufentscheidungsprozess dazu.

Und so wird Purpose (oder Vision und Mission) auch zum wichtigsten “KPI” einer Marke.

*Ablenkungsmanöver mit sozialem Engagement, im Gegensatz zum Greenwashing als Ablenkungsmanöver mit ökologischen Engagement

Kai Bösterling ist seit 20 Jahren Berater in verschiedenen Werbe- und Kommunikationsagenturen. In den letzten Jahren verantwortete er in der Geschäftsleitung von Digitalagenturen die Markenberatung. In Agenturen wie Zum goldenen Hirschen und GREY klassisch ausgebildet, ist er heute überzeugt, dass Marke, Idee und Kundenerlebnis Leitfunktionen in Unternehmen übernehmen müssen – als geistige Haltung, als service-orientiertes Handeln für den Kunden und als Brücke zwischen digital und analog.

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