Markenentwicklung: Wie Unternehmen (oder Produkte) erfolgreich werden

Definition und Elemente des Branding und der Markenentwicklung

Was macht Marken, (ob Produkte oder Unternehmen) transparent, klar, valide und vor allem wertvoll? Hier ein kompletter Guide zur Markenentwicklung.

Eine Marke entsteht aus der Wahrnehmung des Zusammenspiels von Strukturen, Prozessen, Produkten, Services und den Menschen in einem Unternehmen. Eine Marke ist ein Konglomerat aus Emotionen. Aus bewussten und unbewussten Emotionen. Menschen kaufen Marken, nicht Produkte.

Aufgrund der volatilen und unsicheren Zeiten infolge des Klimawandels, des Kriegs in Europa, der Inflation, der Lieferkettenproblematik und der gerade überwundenen Pandemie sind Konsumenten in ihrer Kaufneigung wesentlich zurückhaltender. Kaufentscheidungen werden viel reflektierter getroffen:

Impulskäufe gehen deutlich zurück. 68 % der Befragten Konsumenten sagen, dass sie preissensibler geworden sind. 58 % recherchieren umfassender, bevor sie kaufen (Edelman Special Report Brand Trust 2023). Vertrauen in die Marke, die ich kaufe, ist der entscheidende Faktor.

Umso wichtiger, Marken, (ob Produkte oder Unternehmen) transparent, klar, valide und relevant zu definieren, trennscharf zu positionieren und sie zu vertrauensvollen Lebenspartnern zu entwickeln! Wie das geht, beschreibt dieser Artikel.

1. Wie man eine Marke definiert

Nähern wir uns einmal über diesen Weg an: Je relevanter eine Marke ist, desto mehr werden ihre Produkte gekauft. Verkaufen ist das Ziel jedes unternehmerischen Handelns. Und doch: Ungefähr 80 % aller Interaktionen mit einer Marke haben nichts mit dem eigentlichen Kaufakt zu tun. Die Stärke und Klarheit der Marke definiert das Bild, welches wir von einem Unternehmens oder einem Produkt gewonnen haben. Und dieses Markenbild definiert auch, wie stark sie gegenüber anderen Marken bevorzugt wird, wie die Wahrnehmung des Preis-Leistungsverhältnisses ist, wie die Bindung, die Wiederkaufrate und auch die Empfehlungsbereitschaft für ein Produkt ist.

Die Marke ist also das anfassbare und nicht anfassbare Konstrukt aller mit allen fünf Sinnen wahrnehmbaren Faktoren, welches im Kontext der Verwaltung, Vermarktung und Produktion von Produkten und Dienstleistungen entsteht, also:

  • das Zusammenspiel der Leute, die ein Marke repräsentieren,
  • die Leistungen und die empfundene Produktqualität,
  • die Preiswahrnehmung,
  • die Kommunikation der Marke zu den Kunden und die Interaktion dieser mit der Marke,
  • das Vertrauen, welches sie genießt und
  • die individuelle Relevanz, das Leben angenehmer und besser zu machen.

Noch einfacher ausgedrückt: Die Marke ist die Persönlichkeit – die Individualität – eines Produktes bzw. eines Unternehmens.

Langfristige Markenführung bedeutet, die Markenpersönlichkeit als eine Art kreative Schablone des Handelns aller Marken-Verantwortlichen zu etablieren und die Marke immer wieder mit dieser einmal definierten Vorlage abzugleichen. Und doch: Die Schablone ist nicht in Stein gemeißelt. Sie muss ab und zu neu justiert werden, weil sich gesellschaftliche Wertvorstellungen ändern, weil sich Bedürfnisse neu entwickeln und weil auch wissenschaftliche Erkenntnisse neues Handeln der Marke erzwingen.

Wir sehen, eine Marke ist zum einen dem Konsumenten persönlich verpflichtet, eine als angemessen erwartete Preis-Leistung zu bieten und andererseits haben Marken eine gesellschaftliche Verantwortung. Aus dem Expertentum des Unternehmens entspringt zwangsläufig eine ethische und gesellschaftspolitische Verpflichtung.

Neben der Produktqualität und den Services rund um das Produkt sind also ökologische und soziale Auswirkungen der Produktion und des Konsums entscheidend für die Markenführung und deren Akzeptanz.

Heute ist sehr schnell durchschaubar, ob eine Marke aufrichtig, ehrlich und offen das Leben der Konsumenten mit ihrer Leistung besser machen will, oder nur auf kurzfristige Gewinnmaximierung aus ist, ohne gesellschaftliche oder konsumentengerichtete Vision. Greenwashing, Qualitätsbetrug oder Inkonsistenz im gesamten System der Marke werden schnell entlarvt.

Erst wenn eine Marke vom Unternehmenskern her mit einer aufrichtigen Vision geführt wird, kann sie nach außen und innen das volle Potential entfalten. Es gilt, alle unternehmerischen Einheiten und Abteilungen auf das gleichgerichtete Markenziel auszurichten. Eine Marke ist daher vor allem Organisationsentwicklung.

2. Die Brand Identity: Die Gesamtheit der Bausteine einer Marke

Die Markenidentität oder “neudeutsch” Brand Identity bezeichnet alles, was die Marke nach außen (bei Kunden, Konsumente oder potenitellen Arbeitnehmern) und nach innen (im Kollegenkreis bei der täglichen Arbeit und in der Wahrnehmung bei Investoren) wahrnehmbar macht und definiert. Diese Bausteine sind unser Handwerkszeug für erfolgreiches Branding.

Im folgenden werfen wir einmal einen Blick auf die wichtigsten Ebenen der Markenidentität:

  1. Brand Strategy
  2. Brand Design
  3. Brand Architecture

A. Brand Strategy

Brand Positioning (Produkt, Zielgruppe, Markt):

Der Zweck, die kreative Idee der Marke, ist der Nukleus, aus dem sich alles weitere entwickelt. Dieses Why der Marke richtet eine klar durchdachte, besondere Produkt- oder Dienstleistungsidee an eine genau zu definierende Zielgruppe mit besonderen Bedürfnissen. Ziel muss es sein, ein Angebot zu schaffen, welches sich vom Wettbewerb unterscheidet  – und damit auch das Leben der Kunden bereichert.

Markenpositionierung zwischen Markt, Kunde und Produkt

Wenn wir Freund oder Helfer oder Berater der Konsumenten sein wollen, dann muss die Marke mit ihrer Persönlichkeit auch zur Kundschaft passen und auf Augenhöhe zu ihnen sprechen. Wir sehen schon, soziodemografische Merkmal der der Zielgruppenbeschreibung sind zu grob und ungenau. Wir müssen die Zielgruppe psychologisch und verhaltenstheoretisch beschreiben, wir müssen eintauchen in die Werte und Motive der Kunden, wir brauchen Empathie für die Stil- und Lebenswelten unserer Zielgruppen.

Brand Values (Werte, Einstellungen, Markenpersönlichkeit):

Wenn unser Angebot, die Konkurrenz und die Käufer klar definiert sind, dann können wir auch die Persönlichkeit unserer Marke abstecken. Der Archetyp der Marke, also das lebendige Vorbild einer Person, passt zur Persona der Kunden. Da Marken in die Lebenswelt ihrer Kunden aufgenommen werden und idealerweise zum Lebensbegleiter werden, sollten sie auch wie eine Person eine Rolle im Leben der Konsumenten übernehmen. Diese Markenpersönlichkeit wird wie eine Verbraucher-Persona definiert.

Obwohl die Entwicklung einer Marke ein intellektueller Prozess ist, darf sie nicht am Reißbrett entworfen werden, sondern fußt auf gelebten Werten der Gründer und Entwickler.

Brand Character Statement (der Leitgedanke der Marke):

Das Marken-Statement fasst den Anspruch der Marke in einem plakativen und merkbaren Satz zusammen. Er dient als wertebasiertes Leitbild der Markenpositionierung.

Brand Model

Idealerweise verdichten wir die Identität in einem Modell. Als One Pager zusammengefasst hilft es uns, die Elemente im Zusammenwirken und im kausalen Zusammenhang zu erfassen.

Die Definition und Dokumentation der Marke ist das Herzstück des Branding. Das Skizzieren des Grundstücks, der Wände und der tragenden Säulen einer Marke hilft, eine Markenarchitektur plastisch werden zu lassen. Die Markenarchitektur definiert den Raum für effiziente Markenführung. Denn was als Elemente der Marke festgelegt und dokumentiert ist, kann abgerufen werden, kann an alle Markenführenden und Mitarbeiter kommuniziert werden, ist der Plan für Verhalten, Kampagnen, PR, Employer Branding, Produktentwicklung und Services.

Das Modell enthält alle oben skizzierten Elemente der Strategie – verdichtet und leicht konsumierbar dargestellt. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten der Darstellung. Einige Modelle stellen die Marktleistung und die Zielgruppe stärker in den Vordergrund. Andere Modelle legen den Schwerpunkt auf Kultur und nach innen gerichtete Identität, wiederum andere auf die Unternehmensführung. Einen wunderbaren Überblick über Markenmodelle mit den zugehörigen Templates zum Ausfüllen gibt es hier: Das richtige Markenmodell.

Ich kann nur jedem Unternehmen und jedem Marken- und Marketingverantwortlichen raten, diese Übung zu machen und die bisher erarbeiteten Elemente der Marke in einem Modell zu verdichten. Ein solcher One-Pager wird dann zur Schablone der Markenführung. Wenn man sich diese Verdichtung im wahrsten Sinne immer wieder vor Augen führt, wird man regelmäßig an die Leitplanken der Marke erinnert. Das Modell hilft, die Marke anschaulich greifbar und an andere kommunizierbar zu machen. Und es hilft, den Pfad für die weitere Markenentwicklung ein wenig vorzuzeichnen.

B. Brand Design

Die Identität der Marke manifestiert sich in der Gesamtheit der Markensignale, die sie aussendet. Diese einzelnen Elemente des Branding, welche das Markendesign bestimmen, sind die folgenden:

  • Logo
  • Typografie
  • Farben
  • Gestaltungsraster
  • Tonalität
  • Icons & Störer

Es geht hier nicht nur um visuelle Gestaltungselemente. Auch die Sprache, geschrieben oder gesprochen, ist ein zentrales Element des Markendesigns. Gerade jetzt in der Zeit von Sprachassistenten, Podcasts und einer Fülle von digitalen Inhalten wird Sprache als Differenzierungselement immer wichtiger.

C. Brand Architecture

Die Markenarchitektur definiert das Zusammenspiel und das Abhängigkeitsverhältnis von Unternehmensmarken, Produktmarken und Submarken.

Es gibt verschiedene Ausprägungen einer solchen Architektur. Procter & Gamble beispielsweise ist Konsumenten vielleicht als Absendermarke für Kompetenz und Qualtiät bekannt. Bekannt für die besondere Differenzierung in ihren Segmenten sind ganz sicher die starken Produktmarken Knorr, Magnum und Dove – um nur ganz wenig zu nennen. P&G baut keine epischen Produktranges direkt unter der Unternehmensmarke auf, sondern etabliert viele in unterschiedlichen Segmenten starke Einzelmarken unter verschiedenen Namen. P&G ebnet durch diese Produktmarkenstrategie auch die Möglichkeit, im selben Segment mit mehr als einer Marke präsent zu sein und so mit unterschiedlichen Markenwelten unterschiedliche Personas anzusprechen. Wer es sich leisten kann …

Der Markenname Nivea hat zwar vordergründig nichts mit Beiersdorf zu tun, dem Unternehmen, welches die Marke geschaffen hat. Aber unter dem Namen der Markenfamilie Nivea hat Beiersdorf Hunderte von Produkten entwickelt.

Ganz anders bei der Marke Würth. Würth ist Unternehmensmarke. Würth ist Produktmarke. Würth ist die Marke einer vertikalen und horizontalen Range unterschiedlicher Produkte. Würth steht auf jeder Schrauben-Packung, auf den Ordnungssystemen für Werkzeug und auf Elektrogeräten.

Die folgende Abbildung zeigt die vorgenannten Ebenen der Markenidentität mit ihren Bausteinen.

Brand Identity – Die Gesamtheit der Bausteine einer Marke
Abb. 2: Brand Identity – Die Gesamtheit der Bausteine einer Marke | Quelle: Kai Bösterling

3. Branding – How to: Die Erfolgsfaktoren einer Marke

Die Basis ist gelegt, wenn wir das richtige Grundverständnis für die Tragweite und für den Ausgangspunkt einer Marke erlangt haben (siehe unter 1.). Dann wissen wir auch, welche Bausteine und Ebenen der Marke wichtig sind – für eine relevante Ansprache der Kunden (siehe unter 2.).

Wo sind nun die Stellschrauben, die erfolgreiche Marken von weniger erfolgreichen Marken unterscheiden? Wir konzentrieren uns auf die IMHO wichtigsten drei:

A. Strategische Intelligenz und Kreativität

Eine erfolgreiche Marke zu kreieren, das ist irgendwie zwischen Kunst und Handwerk angesiedelt. Warum? Marketing ist doch angewandte Wissenschaft!? Naja! Das strategische Entwickeln und Planen einer Marke ist Kunst UND Handwerk! Das Finden des strategischen Ausgangspunkts einer Marke fußt auf einer kreativen und bestenfalls innovativen Idee. Businessideen oder Produktideen fallen nicht von den Bäumen. Die werden mit Schweiß, Fleiß und eben auch mit ganz viel kreativer Intelligenz entwickelt. Und darum ist das strategische Entwickeln einer Marke auch ein künstlerischer Prozess. Das nachgelagerte Branding ist der Prozess des Machens und Etablierens einer Marke. Und das ist Marketing-Handwerk – immer wieder ergänzt von kreativer Gestaltung – zum Beispiel der Weiterentwicklung von Produkten oder der Kreation aufmerksamkeitsstarker Kampagnen.

Der Zweck des Unternehmens, die Idee des Kundennutzens, ist unser kreatives Fundament für die langfristige Stabilität der Marke. Wenn dieses nicht stark ist und einen entscheidenden Kundennutzen trägt, ist die Marke nicht marktfähig. Die Marke soll das Leben der Menschen in einer Facette ihrer Bedürfniswelt besser machen. Und: Verbraucher erwarten, dass Marken zudem die Umwelt, die Gesellschaft und die wirtschaftliche Ethik positiv lenken. Haltung wird heute von vielen Verbrauchern erwartet. Und sie ist ein wichtiger Differenzierungsfaktor im Markt. Marken begleiten Menschen durchs Leben. Da will man auch wissen, mit welcher Weltanschauung diese Marken zum Freund des Konsumenten werden.

Dabei ist das Finden des anfangs skizzierten Sweet Spot aus Produkt, Markt und Konsument unsere kreative Herausforderung. Das Beobachten von Wünschen und Bedürfnissen der prospektiven Kunden und das Finden einer innovativen Übersetzung für das Produkt und die Marke ist unsere wichtigste kreative Herausforderung und damit auch der größte Erfolgsfaktor einer Marke. Wenn wir schon nicht genau am Anfang die richtigen Erkenntnisse (neudeutsch: Insights) erlangen, um daraus eine kreative Idee für unsere Marke zu entwickeln, dann erzeugen wir höchstwahrscheinlich nicht genügend Relevanz für unser Produkt und damit keine Daseinsberechtigung für unser Unternehmen.

Manchmal hapert es an einer ganzheitlichen Betrachtung des Status Quo. In meiner Praxis wurde mir das erst kürzlich im Rahmen der Neuentwicklung der Marke eines Online-Händlers wieder vor Augen geführt. Der Händler hat unglaublich viele Studien über das Verhalten und die Vorlieben der Kunden erstellt, es gab Auswertungen der User Journey auf dem Online-Shop und es gab Erkenntnisse zur Wirkung der Kampagnen. Was es aber nicht gab … tja … all diese Erkenntnisse wurden nicht auf einen Tisch gelegt, um kritisch Querverbindungen zwischen den Daten und aus der Gesamtheit Schlüsse zu ziehen. Stattdessen war man mit der Datenflut total überfordert. Die Pflicht, alle Daten auf den Tisch zu legen, bedeutet Fleiß und Schweiß. Das Ziehen der Erkenntnisse daraus, das ist strategische Kreativität.

Strategisches Branding gestaltet alle Kontaktpunkte möglichst konsistent. Fühlen, Denken und Handeln der Kunden sollen stimmig im Sinne der Markenausrichtung beeinflusst werden. Die Bekanntheit und das Image einer Marke sind entscheidende Faktoren für den Kauf. Performance Marketing, also eine impulssteuernde Sales-Maßnahme, funktioniert nur dann effizient, wenn auch die Marke im vorgenannten Sinne Relevanz erzeugt. Markenarbeit bzw. Branding liefern bis zu 80 % de Erfolge, Performance Marketing nur die restlichen 20 %. Das ist mittlerweile in verschiedenen Studien (u. a. durch Les Binet und Peter Field) erforscht worden. Die genaue Prozentaufteilung eines effizienten Optimums zwischen Performance und Brand Marketing ist branchenspezifisch. So ist im FMCG-Bereich die Aufteilung bei 60 % Brand-Marketing-Aufwendungen und bei 40 % Performance-Marketing-Aufwendungen optimal, während bei komplexen, erklärungsbedürftigen Produkten oder Investitionsgütern der optimale Anteil von Brand Marketing steigt. Bei diesen Produkten entscheiden Interessenten weniger impulsgesteuert.

In der aktuellen Zeit der Unsicherheit und Krisen wird Brand Marketing immer wichtiger, weil Impulskäufe zurückgehen. Anschaffungen werden wohl überlegt. 58 % der Konsumenten sagen, dass sie in 2023 weniger Impulskäufe tätigen als die Jahre zuvor (Edelman Trust Report 2023). Es zählt mehr denn je das Vertrauen in die Marke.

B. Mehrwert durch Digitalisierung und Services

Ein zweiter wichtiger Erfolgsfaktor von Marken ist das Schaffen von Mehrwert, der die eigentliche Produkt- oder Dienstleistung differenzierend erweitert. Warum? Es ist immer schwieriger Produkte von denen der Konkurrenz zu nuancieren, dass Marken hieraus einen Wettbewerbsvorteil erlangen.

Es kann die unkonventionelle, kulante und verbindliche Art der Ansprache sein, welche Verbraucher in ihren Bann zieht und zusätzliche Kaufgründe bietet. Ikea schafft das mit einer eigenen Sprache und Tonalität.

Es kann aber auch das Service Design sein, welches Marken von denen der Konkurrenz entscheiden. Die Kacheln im Bad, welche ich mir mit eigenen Dekors bedrucken lassen kann, die M&Ms, welche ich mit Geburtstagsgrüßen für die Enkel individualisieren kann oder das Müsli, welches ich mir nach meinen eigenen Vorlieben zusammenstellen kann. Diese Services nutzen digitale Plattformen, welche diese Sonderleistungen für jeden verfügbar und convenient gestalten.

Konsumenten erwählen heute Marken. Nicht Marken wählen Kunden. Die Vielzahl an digitalen Kontakt- und Servicepunkten auf der Customer Journey ermöglichen Konsumenten ein plastisches differenzierendes Bild über die Markenwelt zu erlangen und sich zu entscheiden. Die digitale Kundenreise bietet die Chance auf Erhöhung der Awareness-Fläche für Marken, aber sie bietet auch die Möglichkeit, den Entscheidungsprozess schneller und nahtloser zu gestalten.

Die Gestaltung von modularen Produktangeboten (Einstieg, Medium und Premium) erhöhen die Accessibility, indem Einstiegshürden verringert werden. Gleichzeitig entstehen Begehrlichkeiten für Upgrades.  Diese Value Ladder funktioniert besonders gut digital, z. B. im Rahmen von Abo-Modellen, aber auch von zusätzlichen Service-Paketen, die man einfach dazukaufen kann.

C. Mut und Geduld

Branding ist ein immerwährender und langfristiger Prozess. Branding benötigt Kontinuität der Maßnahmen, um ein Awareness-Depot im Mindset der Kunden aufzubauen. In Krisenzeiten versuchen Unternehmen zu sparen und kürzen zuerst die Marketingbudgets. In guten Zeiten werden die Spendings wieder hochgefahren. Falsch!

Das Ehrenberg-Bass Institute für Marketing Science in Australien hat Anfang 2023 365 Marken in den USA analysiert und den rasanten negativen Effekt des Stopps von Werbemaßnahmen gemessen. Pro Jahr haben die Marken durchschnittlich 10 % Marktanteile verloren, gemessen am Umsatz gegenüber den Firmen, die nicht die Werbeausgaben gestoppt haben. Diese Firmen genossen aufgrund des geringen Konkurrenzdrucks ungeteilte Aufmerksamkeit und damit erhöhte Sichtbarkeit. Den Verlust der Marktanteile dann wieder aufzuholen, ist kostenaufwendiger als kontinuierlich präsent zu sein.

Strategisches Branding und Markenmanagement heißt also, Rücklagen für schwache Zeiten zu bilden und kontinuierlich in Branding zu investieren. Vielleicht gehört Mut dazu, antizyklisch in Brandin zu investieren. Aber eigentlich ist es nur vernünftig.

Vernünftig ist es auch, die Marke mit der Entwicklung des Marktes und den Bedürfnissen der Zielgruppe abzugleichen. Hierzu gehört, den Schutz der Komfortzone zu verlassen und sich immer wieder zu hinterfragen. Mut gehört auf jeden Fall dazu, in neue Marken-Gefilde vorzudringen und neue Wege zu gehen.


Zwei Beispiele

a. Rügenwalder Mühle:
Für die traditionsreiche fleischerzeugende Marke Rügenwalder Mühle war es ein mutiger Schritt, einen Großteil der Produktion auf vegetarische udn vegane “Wurst” umzustellen. Es war gegen die Metzger-Ehre und gegen die Vorgehensweise der Konkurrenz. Heute produziert und verkauft das Unternehmen mehr vegetarische und vegane Produkte als Fleisch und Wurst. Damit hat diese Marke den Spagat gewagt, ihr traditionelles Lebensmittel-Segment zu hinterfragen und ist das Risiko gegangen, aus Sicht ihrer angestammten Käuferschaft ein ganz neues Segment zu betreten.

Gleichzeitig hat die Rügenwalder Mühle in der Kommunikation Haltung gezeigt, in dem sie klar gesagt hat, dass Fleischkonsum Verursacher des Klimawandels ist. Damit hat sich die Marke im wahrsten Sinne des Wortes ins eigene Fleisch geschnitten. Und war letztendlich überaus erfolgreich.

Als Marke gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen kann mutig sein, weil man sich aus der Deckung des angestammten Kerngebiets herauswagt. Es kann auch Polarisieren. Aber es bietet weiteres Potential, sich als Marke noch klarer zu positionieren und von der Konkurrenz abzuheben.

b. Gucci

Das Luxuslabel hat sich um 2015 herum noch einmal neu erfunden. Mit Streetculture hat das Unternehmen die werte-sensible Gen Z neu begeistert und mit den alten Klischees gebrochen. Luxus von Gucci bewegte sich für diese Generation aus der elitären Ecke heraus auf ihre Augenhöhe. Gucci hat damit Luxus “demokratisiert”, ohne sich als Luxuslabel abzuschaffen oder gar billiger zu werden. Die Begehrlichkeit ist da, mehr denn je. Das Besondere der Marke ist erhalten geblieben. Die Marke hat sich aber einer neuen Generation geöffnet, welche Erwartungen an Sinn, Authentizität und Leidenschaft hat.


Den Mutigen gehört die Welt. Den mutigen Marken gehört die Welt! Dieser Anspruch ist die ständige Triebfeder des Markenführenden. Dieser Anspruch leitet den Weg der Entwicklung der Marke, die sich ständig hinterfragen muss. Um permanent Bedürfnisse der Kunden optimal zu befriedigen, um absolut relevant zu sein. Um das Leben der Kunden besser zu machen. Ja, um vielleicht sogar die Welt ein wenig besser zu machen.

 

Kai Bösterling ist seit 20 Jahren Berater in verschiedenen Werbe- und Kommunikationsagenturen. In den letzten Jahren verantwortete er in der Geschäftsleitung von Digitalagenturen die Markenberatung. In Agenturen wie Zum goldenen Hirschen und GREY klassisch ausgebildet, ist er heute überzeugt, dass Marke, Idee und Kundenerlebnis Leitfunktionen in Unternehmen übernehmen müssen – als geistige Haltung, als service-orientiertes Handeln für den Kunden und als Brücke zwischen digital und analog.

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