2020 – Hacks für Hektische: Einfach mal machen!

Muss es immer gleich ein Hack-Marathon sein? Statt theoretischer Blockaden loslegen und tolle Erfahrungen sammeln!

Manche nennen es “Hackathon”, andere “Hack Day” oder gar “Hack Week”. Woanders feiert man es als “Hackfestival” oder kurz “Hackfest”. “Hackathon” kommt von einer Zusammensetzung der Begriffe “Hack” und „Marathon” und meint einen Event mit der Voraussetzung, “innerhalb der Dauer dieser Veranstaltung gemeinsam […] Lösungen für gegebene Probleme zu finden. Hackathons haben immer ein spezifisches Thema oder sind technologiebezogen.

Seit 1999 ist “Hackathon” ein Begriff. Das Event JavaOne aus dem Jahre 1999 gilt als erster Hackathon – so entstand auch der klare Technologie-Bezug von Hackathons in deren Ursprüngen. Das Fachmagazin Dev-Insider kommentiert: “Dieser erste Hackathon war noch am dichtesten an der Erfüllung gängiger Klischees: IT-Spezialisten, Ingenieure, Entwickler und Techniker saßen gemeinsam am Projekt, ein Programm für das Palm V zu entwickeln. Ein Gerät also, das heute selbst nur noch eine seltsame Randnotiz der Geschichte ist.

Die Grenzen der Beschränkung auf Technologie haben die Hack-Events längst durchbrochen. Heute sind Hackathons weit verbreitet, um themenunabhängig in einer begrenzten Zeit gute Ideen und Lösungen zu finden. Manche sprechen sogar von der ultimativen, fast magischen Kraft, schnell und schmerzfrei Innovationen zu gebären. Statt einer kleinen Gruppe von Ingenieuren oder Softwareentwicklern nehmen heute viel diverser zusammengesetzte Gruppen an Hacks teil. Einer der Hintergründe ist: Wer von Beginn an in die Entwicklung einer Idee und Innovation eingebunden ist, dem ist die spätere Umsetzung schon vertraut. Hier Personen verschiedener Unternehmensbereiche einzusetzen, ist sehr nützlich, da das die nachgelagerten Umsetzungsprozesse enorm vereinfacht und beschleunigt. Die Hacker bürgen quasi als innerbetriebliche Testimonials für die spätere Implementierung ins Unternehmen.

Diesen Vorteil benennt die Schweizer Digitalstrategin Leila Summa: “Jeder, der bei der Erarbeitung einer Problemlösung anwesend ist und einen aktiven Teil an der Herleitung von Lösungen hat, ist automatisch viel offener der neuen Idee gegenüber und übernimmt unbewusst auch eher die Verantwortung für eine erfolgreiche Umsetzung. Tech-Giganten nutzen diese Erkenntnis schon seit Jahrzehnten, um ihre gesamte Belegschaft in die Innovationssuche zu involvieren.” (vgl. Leila Summa und Christine Kirbach: “33 Werkzeuge für die digitale Welt”, Redline Verlag 2019, S. 144)

Das bestätigt Marc Paczian, leitender Solutions Architekt bei Dropbox in der DACH-Region in einem Artikel: Während anderswo ausgewählte Mitarbeiter binnen einiger Stunden oder Tage eine bestimmte Problemstellung mit Zielvorgabe lösen müssen, widmen sich bei Dropbox alle Mitarbeiter − und das sind weltweit rund 2.300 − fünf ganze Tage lang kreativen Projekten. Daraus resultiert handfester geschäftlicher Mehrwert: „Knapp ein Drittel der Innovationen von Dropbox stammt aus dieser Hack Week, also direkt vom Team. Innovation funktioniert bottom-up.“

Ulrike Meyer, CIDO von Willenbrock aus Bremen berichtete mir von einem Hackathon, bei dem Teams vor verschiedene Aufgaben gestellt wurden, die Kunden zu bewältigen haben. Spannend fand sie die Kombination aus Nerds (wie sie liebevoll IT-Spezialisten und Programmierer nennt) und Kunden. Die Kunden wurden mit in die vereinfachte Programmierung eingebunden und lernten so die Herausforderungen der IT kennen. Diese einzigartige Erfahrung verknüpfte beide Seiten optimal und schaffte ein grundlegendes neues Verständnis füreinander. Zudem erlebte Ulrike einmal einen Hackathon mit Studenten aus verschiedenen Unis und Uni-Disziplinen und fand es sehr erstaunlich, wie völlig unbelastete, fachfremde Personen intuitiv Lösungen gefunden haben.

Drei „goldene“ Regeln

Wer will, dass sein Hackathon gelingt, befolge die drei folgenden „goldenen“ Regeln:

  • Immer alle Teammitglieder – also alle Charaktere, auch die ruhigen -, zu Wort kommen lassen und nicht den „Brüllaffen“ eine Bühne für Selbstdarstellung und das Durchboxen der eigenen, lautstark geäußerten Ideen bieten. „Toleranz ist A und O“ und „lass dein Ego zuhause“, fordert Digitalstrategin Leila Summa.
  • Keine Expertenschlacht veranstalten! Jeder ist im Hackathon ein Anfänger, die Gruppe denkt von Beginn an alles (gemeinsam) neu! Marc Paczian von Dropbox dazu: „Status Quo war gestern – `So machen wir das immer´ gilt nicht.“
  • Sichere psychologische Räume bieten: Kreativität und Innovation kann nur entstehen in sicheren Räumen. Das bedeutet: Jede, wirklich jede Idee bekommt Raum, keine wird abgewertet oder bestraft. Niemand wird belächelt oder demontiert. Nur wenn in der Gruppe – sei sie auch noch so groß – die Gedanken frei fließen und ausgesprochen werden können, ist eine echte und ehrliche Voraussetzung für einen Kreativitätshack gewährleistet.

Natürlich gibt es Hackathons auch außerhalb der Unternehmensgrenzen, branchenübergreifend, rein B:B oder auch mit gemischtem Publikum aus B:B und B:C.

Neben allerhand `Nützlichem für die Gesellschaft´ als Ergebnis benennt das Portal Wissenschaftskommunikation.de: „Den Teilnehmenden dient ein Hackday aber auch zum Austausch und Networking und macht abgesehen davon einfach jede Menge Spaß

Hackathons in der PR?

Ich werde wohl nie die Zeit finden für einen Hackathon. Obwohl ich gar nicht veranstalten, sondern einfach nur eine von inzwischen vielen Einladungen wahrnehmen müsste. Irgendwie scheint es mir auch zu spleenig und zu weit hergeholt, meine Herausforderungen mit einem Hackathon lösen zu können. In der PR geht es auch irgendwie nicht um Innovationserfindungen und Prototypen. Doch stimmt das denn?

Moritz aus der Kreativbranche Medienproduktion, der nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, erzählte mir, dass ein Hackathon zwar sehr gut ist, um sich mit Leuten aus der Branche zu vernetzen, aber ihm ebenfalls meist die Zeit fehlt, um mehr davon zu besuchen. Zudem sieht er ein großes Risiko darin, dass Firmen unter Vorwand eines Hackathons kostengünstig an neue Ideen herankommen wollen, für die sonst Pitches verschiedener Kreativagenturen nötig wären.

Ich hatte etwas über den großen #PR-Hackathon von news aktuell gelesen, bei dem es um „agile Produktentwicklung in der Kommunikation“ ging. Das Ergebnis war für mich als kleine Agentur mit ganz persönlichen Medienkontakten nicht relevant, aber ich wollte unbedingt auch einen Hackathon mit meiner kleinen PR-Agentur ausprobieren. Und wie das so toll ist an einem kleinen, eigenen Geschäft: Gedacht – getan!

What the hack! 

Der erste Hackathon endete jäh mit einem Anruf, in dem ein Kunde mit Auftrag drohte. Schnell heißt es da: Alles stoppen und ran an den Job! Doch was als Unfall startete, also das geringe Zeitfenster für unseren Hack, endete als feste Institution. Bei uns gibt es nämlich eine Hack Hour. Jede und jeder haut raus, was durch den Kopf schwirrt – themenbezogen, in schnellem Stakkato. Doch neben diesem Brainstorming gehen wir einen Schritt weiter, filtern durch kurze Abstimmung die besten Ideen aus und gehen direkt die ersten Schritte in ein Umsetzungskonzept. Dann evaluieren wir, ob die Idee wirklich “Hand und Fuß“ hat und ob wir weiter an einer Realisierung arbeiten können und möchten.

Ping-Pong

Im Textbereich haben wir ein Verfahren entwickelt, das wir „Ping-Pong” nennen – ein wissenschaftlicherer Name ist uns noch nicht eingefallen. Es ist auf jeden Fall ein selbst erfundener Hack, der uns im Alltag gewaltig voranbringt. Die meiste Arbeitszeit nimmt mit Abstand das Erstellen von PR-Texten in Anspruch. Dazu muss sich eine Person in einen ruhigen Bereich der Agentur (wo gibt es den dort?) zurückziehen, um Textansätze und -ideen zu suchen und anschließend zu Papier zu bringen. Alleine dieser Schritt ist schon absolut abhängig von Tagesform und Zugang zu den richtigen Gedanken.

Bei Ping-Pong bekommen zwei oder drei Mitarbeiter je eine halbe Stunde Zeit für ihre Mitwirkung am Text. Person Nummer 1 textet einen Teil, dann geht dieses Fragment an Person 2, die ihren Senf dazu gibt. Sobald ein Gefühl aufkommt, dass es nicht mehr flutscht, die Worte nicht mehr automatisch aus der Feder fließen, man auf dem Schlauch sitzt, geht der Text an Person 3. Je nachdem, ob die Inhalte ausreichend erfasst und die Gesamtkomposition bereits bereit sind zum Redigieren, geht der Text manchmal noch einmal in die Runde oder Halbrunde, d.h. Person 1 sieht sich wieder einem angewachsenen Textkonstrukt gegenüber und startet in die Überarbeitung. Und so weiter.

Ergebnis dieses Hacks ist eine Zeitersparnis beim Texten von im Schnitt 3-4 Arbeitsstunden pro Text. Zudem beinhaltet der Text das Wissen, das differenzierte Meinungsbild und das Lektorat von drei oder vier smarten Personen – meist ein klarer Mehrwert gegenüber Texten eines Einzelverfassers. Inzwischen sind einige unserer Kundinnen und Kunden auf diesen Zug aufgesprungen und genießen das Texten im Ping-Pong-Verfahren. Die so erzielten Ergebnisse wurden nicht nur schneller erreicht, sondern haben sich auch inhaltlich und stilistisch stark verbessert. Und das nur aufgrund der Erkenntnis, dass nur im seltensten Fall einer alleine die ultimative Idee hat und keiner (alleine und täglich) auf dem Stein des Weisen sitzt.

Wichtiger Hinweis an Journalisten: Selbstredend spreche ich hier von PR- oder Werbetexten, nicht vergleichbar mit einem Exklusivartikel aus einer journalistischen Edelfeder.

Das Schlusswort gehört noch einmal Leila Summa, die ihre Erkenntnisse aus dem #hackthewaterkant, veranstaltet im Namen der ZVO Ostholstein im Spätsommer 2019, wie folgt zusammenfasst: „Bei einem Hackathon ziehen so viele starke Menschen an einem Strang: spontan, schnell, kreativ und strategisch durchdacht. Der gute alte Hackathon hat wieder einmal bewiesen, was er sein kann: eine Abkürzung zur Innovation!“

Mein persönliches Fazit: Einfach mal machen. Zu viel Theorie führt oft zu Verschiebungen, Ausreden, es wieder nicht zu tun und dann fehlt eine tolle Erfahrung. Egal wie groß euer Unternehmen ist und wie viele mitmachen – macht einfach mal – das Ergebnis kann eigentlich nur cool sein! Viel Spaß beim Hacken!

Als studierte Germanistin und Politologin wollte Sabine eigentlich in der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung oder als Frauenbeauftragte arbeiten – letztendlich aber landete sie in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und blieb aus Erfolgsgründen. Als Kommunikationsexpertin brennt Sabine für Spiele, Soft- und Hardware, Apps, Sprache, digitale Lehr- und Lernlösungen, KMU, Robotik, KI und Cloudthemen (B:C und B:B) und schreibt darüber. Für jeden verständlich.

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