Digital Enablement-Strategie für den AO-Vertrieb – Wer plant, gewinnt

Erprobte Konzepte schlagen wilden Aktionismus in jedweder Hinsicht

Das Digital Enablement einer gesamte Ausschließlichkeitsorganisation (kurz AO), ist eine enorme Herausforderung. In der Versicherungswirtschaft leisten sich zahlreiche Gesellschaften seit jeher den „Luxus“ einer eigenen Vertriebsmannschaft, anstatt nur auf Makler und Direktvertrieb zu bauen. Doch wie kriegt man mehrere hundert oder gar tausend Menschen dazu, digitale Tools und Kanäle effizient im Vertrieb zu nutzen? Digital Enablement strategisch gedacht.

Unter dem Begriff Digital Enablement wollen wir im Folgenden die digitale Transformation (oder nach anderer Formulierung auch die Digitalisierung) bzw. digitale Befähigung (engl. to enable) einer großen Zahl von Einzelindividuen durch eine Gruppe von Fachexperten verstehen. Kurz gesagt: Wie bringe ich mehrere hundert oder gar tausend Leute dazu, etwas zu können, das bisher noch nicht viele auf dem Kasten haben? Und wie gehe ich dabei mit den unterschiedlichen Motivations- und Fähigkeitsstufen um? Diese und weitere Fragen, möchte der folgende Artikel beantworten. Aus realer Erfahrung.

Was passiert in Deutschland, oder alternativ auch in Österreich oder der Schweiz, wenn ein Vertriebsvorstand gewahr wird, dass seine Mitarbeiter und Vertriebspartner nicht mehr die Sprache der Kunden sprechen und damit den Zeitgeist verkennen? Nun ja, zu allererst einmal gar nichts, denn das hat man ja immer schon so gemacht. Was jetzt nach einem für meine Texte typischen charmant-provokanten Statement klingen mag, ist leider nichts anderes, als die Wahrheit. In vielen Fällen zumindest. Bis wirklich etwas getan wird und man sich aus der Komfortzone hinausbewegt, bedarf es schon eines immensen Leidensdrucks, sonst hat man keine Chance gegen das Silodenken und die Budgetschlachten innerhalb der oberen Führungsebenen, 1-2 Stufen unterhalb des Vorstands. Und weil man das immer schon so gemacht hat, hört man natürlich auch nicht damit auf.

Das Digital Enablement bedarf einer erprobten Strategie

Ist jedoch an einem gewissen Punkt die Einsicht gekommen, dass es Zeit wird für Veränderungen, dann rufen schnell die ersten nach einer tollen Strategie. Ganzheitlich soll sie sein, am besten total innovativ und auch nachhaltig. Und natürlich strategisch. Eine strategische Strategie! Nachdem dann alle Stufen des Buzzword-Bingos gespielt worden sind, bleibt die Frage im Raum: „Wie geht das denn nun mit dem Digital Enablement?“ Das hat ja bisher noch keiner im Unternehmen gemacht, anderenfalls würde man ja wissen, wie das geht. Aber da man das schließlich noch nie gemacht hat, verfällt der motivierte Teil des jeweiligen Gremiums hier gern in Aktionismus, um in Eigenregie eine Strategie zu entwickeln, die man so bisher noch nie entwickelt, geschweige denn umgesetzt hat. Das kann ja heiter werden.

An dieser Stelle muss dazu fairerweise gesagt werden, dass es wirklich nicht leicht ist, etwas zum ersten Mal zu tun. Vom Fahrrad oder Baum musste man ja auch erst ein paar Mal hinunterfallen, bevor das Oben-bleiben geklappt hat. Fällt man allerdings als Versicherungsunternehmen mit der Digital Enablement-Strategie auf die Nase, kostet dies schnell einen sechsstelligen Betrag. Von Folgekosten aufgrund von Verzögerungen wegen des fehlenden Know-hows gegenüber dem Gesamtmarkt, wollen wir lieber gar nicht anfangen. Deshalb ist es enorm wichtig, dass sich eine Gesellschaft hier versierte Unterstützung holt und auf Berater setzt, die derartige Projekte bereits mehrfach erfolgreich umgesetzt haben. Papa konnte uns schließlich auch das Fahrradfahren beibringen, denn er wusste, wie es geht.

Digital erprobte StrategieDiese Konzept-Grundpfeiler sind elementar

Um effektiv daran zu arbeiten, mehrere hundert oder auch einige tausend Menschen im Rahmen des Digital Enablement digital zu befähigen, gibt es bereits Erfahrungswerte, die dabei helfen, vermeidbare Fehler zielgerichtet zu umfahren. Da mittlerweile innerhalb fast jeder AO einzelne Vermittler von sich aus die digitalen Wege gegangen sind (i.d.R. nach dem Trial-and-Error-Prinzip und aus purem Selbsterhaltungstrieb), gibt es Expertisen, die leider viel zu oft nicht bei der Planung von flächendeckenden Digital Enablement-Kampagnen berücksichtigt werden. Das sollte in Zukunft geändert werden! Denn erprobtes Wissen zu verschwenden, ist das genaue Gegenteil von sinnvollem Enablement. Voneinander lernen und die Stärken des anderen dabei nutzen, lautet die Devise. Weiterhin bedarf es in jedem Fall eines interdisziplinären Teams aus unterschiedlichen Abteilungen, dies entwickelt man zwingend im Team.

Mit am Tisch der strategischen Planung sitzen in jedem Fall der Vertrieb, die Schulungsabteilung, eine Assistenz des Vertriebsvorstandes, Vermittler mit Best Practice-Charakter, sowie Projektmanagement bzw. Seminarorganisation. Hinzu kommt – sofern noch keine eigenen Erfahrungen in diesem Bereich vorliegen – der Consultant eines externen Unternehmens, um das Know-how über die inhaltliche Ausrichtung, zeitliche Staffelung und Umsetzung der Digital Enablement-Strategie zu liefern. Denn nur so lässt sich vermeiden, dass man direkt das tut, was der neu eingesetzte Aktionismus gerne hätte: Zu versuchen, sofort das neu zu erwerbende Wissen in die Köpfe aller zu schulenden Personen zu stopfen. Wir erinnern uns an die Metapher mit dem Fahrrad bzw. dem Baum – machen wir nämlich bei der Strategie einen vorher nicht erkennbaren Fehler, dann tut es weh – und wird teuer.

Konkrete Konzeptfindung und Pilotgruppe definieren

Ist das interdisziplinäre Team konstituiert, geht es gemeinsam an die inhaltliche Ausrichtung der Digital Enablement-Kampagne. Hierfür hat sich (neben anderen Ansätzen) das Tuckman-Phasenmodell bezahlt gemacht, welches aus den Stationen Forming – Storming – Norming – Performing  besteht. Dieser Ansatz aus dem Bereich der Teamentwicklungsprozesse besteht aus einer Findungphase, einer Konfrontationsphase, dem Sammeln und Geraderücken der Themen und final deren geordneter Inangriffnahme. An dieser Stelle sei zur Abkürzung von Diskussionen auf das aus dem Agile-Umfeld stammende Prinzip des Konsents, als Gegenstück zum landläufigen Konsens, hingewiesen. Wir wollen schließlich Entscheidungen treffen und in die Umsetzung gehen – und keine Endlos-Debatten führen.

Stehen die zu vermittelnde Inhalte fest (wobei hierfür eine Betrachtung sämtlicher Sphären des Kundenkontakts durch digitale Tools und Kanäle zu erfolgen hat),  wird zum Start eine s.g. Pilotgruppe von 40-50 Personen definiert. Diese wird zur Erprobung und Verifizierung der Belastbarkeit des vorher definierten Konzepts eingesetzt. Eine solche Pilotgruppe besteht idealerweise aus einem Querschnitt der zu schulenden Personen und hierbei nicht nur aus den Menschen, die sowieso schon motiviert und involviert sind (s.u.), denn es muss später in der Gesamtstrategie darum gehen, möglichst viele, respektive alle Personen aus der Zielgruppe AO, mitzunehmen. Das wird nicht einfach und es entstehen durch diese heterogene Gruppe vorhersehbare Irritationen. Aber auch ein Auto muss durch den Elch-Test – ein gutes Konzept schafft also auch eine Belastungsprobe.

Dabei ist es wichtig, sich die Besonderheiten bezüglich Fähigkeiten und Motivation der unterschiedlichen Zielgruppen innerhalb der AO-Mannschaft zu verdeutlichen:

  • Es gibt diejenigen, die digitale Fähigkeiten haben und sie auch anwenden (Profis)
  • Es gibt diejenigen, die keine Fähigkeiten haben, sie aber gerne erlernen wollen (Lernwillige)
  • Es gibt diejenigen, die digitale Fähigkeiten haben, sich aber der Anwendung verweigern (Rebellen)
  • Und es gibt diejenigen, die keine digitalen Fähigkeiten haben und auch nicht mitmachen wollen (Graupen)

In der späteren Phase, wenn aus der Auswertung des Piloten die Konzeption des Folgeprozesses entsteht, müssen hier für die unterschiedichen Gruppen differenten Anspracheformate und Schulungsausrichtungen ausgearbeitet werden. Denn selbst die Graupen kann man begeistern und daraufhin befähigen, zumindest einige von ihnen. Die Rebellen werden meist nicht zu ändern sein, aber mit Profis und Lernwilligen kommt man am weitesten.

Pilotphase durchführen, auswerten und daraus fortentwickeln

Innerhalb der Pilotphase wird mit einem Querschnitt der Zielgruppe die Validität des Konzepts zum Digital Enabelement der gesamten AO getestet. Hier kristallisieren sich dann diejenigen Dinge heraus, die schon sehr gut sind, ebenso werden die Schwächen sichtbar, die man dann glücklicherweise beheben oder zumindest abmildern kann, bevor die breite Vermittlerschaft in ihre Schulungen startet. Da im Piloten idealerweise rund 40-50 Personen geschult (enabled) hat, ergibt sich in jedem Fall ein aufgefächertes Bild über die Wahrnehmung von inhaltlicher Ausgestaltung, technischer Durchführung und Zielerreichbarkeit. Hierauf basiert dann die Gesamtstrategie, mit der man sich – im idealfall in mehreren Wellen – an das Enablement der gesamten AO-Mannschaft begibt.

 

Management Summary – Das Rezept in Kurzform

Wir brauchen für das Gelingen der AO Digital Enablement-Strategie mehrere Ingredienzen:

  • Die Einsicht über die Notwendigkeit der Strategie und den Rückhalt des Vorstands
  • Ein Commitment, Silodenken und Budgetschlachten zu unterlassen – stattdessen Zusammenarbeit zwischen allen Ressorts zu fördern und das große Ganze in den Fokus zu nehmen
  • Ein interdisziplinäres Planungsteam aus Vertrieb, Schulungsabteilung, Assistenz des Vertriebsvorstandes, Vermittler mit Best Practice-Charakter, sowie Projektmanagement bzw. Seminarorganisation und (bei Bedarf) einem erfahrenen externen Berater
  • Ein Konzept für die Durchführung der Pilotphase
  • Eine Pilotgruppe aus dem Querschnitt des Vertriebes von 40-50 Personen, die das Konzept testet
  • Eine Auswertung der Rückmeldungen und der Pilotphase an sich
  • Ein darauf aufbauendes Gesamtkonzept, mit dem die gesamte AO enabled wird

 

Die Vorteile von Digitalisierung und digitaler Transformation in Vertrieb und Marketing der Assekuranz nutzbar zu machen - das ist die Passion von Sebastian Heithoff (*1986). Der selbstständige Unternehmensberater stieg 2007 in die Versicherungsbranche ein und ist seit 2012 digital unterwegs. Mit Heithoff Consulting setzt er auf die Kernbereiche Digital Enablement und Digitale Positionierung.

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