Krypto-Assets – ein Spiel um soziales Kapital

Warum der Wunsch nach Zugehörigkeit und Status den Preis von Krypto-Assets bestimmt.

Was treibt den Preis von Krypto-Assets wie Token und NFTs an? Ist es nur der Nutzen der Blockchain Technologie? Nein, der Wunsch nach Zugehörigkeit und Status ist der Schlüsselfaktor! Deshalb ist das Metaverse so angesagt.

Krypto-Asset ist ein recht abstrakter Begriff. Für viele bedeutet es vor allem die Möglichkeit, an Kryptomärkten schnell Geld zu verdienen (oder zu verlieren). Sicherlich sind Kursentwicklungen der Krypto-Assets (aka Token) zu einem hohen Teil spekulativen Ursprungs. Tokenomics, also die Ökonomie auf Basis der Token ist jedoch mehr als das. Es stellt einen Meilenstein in der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung dar. Deshalb lohnt sich ein Blick auf Token und der Entstehung dieser (Tokenisierung) abseits des Tradings.

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Photo by Daria Nepriakhina on Unsplash

Was ist Tokenisierung eigentlich?

Tokenisierung ist die Möglichkeit, jeden Aspekt eines Produktes, einer Person, eines Unternehmens oder eines Prozesses digital zu repräsentieren und Teil eines breiten digitalen Ökosystems werden zu lassen. Anders gesagt lässt sich über Token jeglicher Wert digital repräsentieren und mit einem “Preis” versehen.

Das Prinzip an sich ist natürlich nicht neu. So sind Aktien eine Repräsentation eines Unternehmens, denen ein Wert beigemessen wird. Auch traditionelles Geld folgt diesem Prinzip, ebenso wie Sammelkarten und vieles mehr. In all diesen Beispielen wird ein Wert repräsentiert (Aktie, Geld, Sammelkarte) und mit einem Preis versehen.  Die Bestimmung des Preises erfolgt dabei aus einem objektiven und einem subjektiven Nutzen.

Das ist doch alles nicht real!

Gerade diese Nutzen-Betrachtung erscheint bei Krypto-Token aus den Fugen geraten zu sein. Warum steigt der Kurs von Krypto-Assets wie Ethereum so dramatisch? Warum bezahlen Menschen für ein Bild eines Affen mehrere Millionen US Dollar? Warum wird virtuelles Land für horrend anmutende Beträge erworben?

Richten wir einen genaueren Blick auf die Entstehung des Preises eines Wertes. Die objektive Bestimmung des Nutzens klassischer Werte, wie Umsatz oder Gewinn eines Unternehmens, ist vergleichsweise einfach. Allerdings ist das, wie schon gesagt, nur die eine Seite der Medaille. Denn auch in der physischen Welt folgen die meisten Preisentwicklungen einer subjektiven Bewertung, die weitaus komplexer ist.

Dieser Post soll keine Abhandlung zur Preisbildung werden, ich möchte aber zwei wesentliche Elemente herausstellen, die für jede Wertbetrachtung entscheidend sind:

  1. Der Glaube an eine bestimmte zukünftige Entwicklung
  2. Der Ausdruck der Zugehörigkeit und des Status in einer normativen Bezugsgruppe

Das diese Faktoren einen deutlich höheren Einfluss auf den Preis haben, als die reine objektive Nutzen-Betrachtung, sollen einige Beispiele zeigen:

  • der Wert einer Aktie bestimmt sich zum hohen Teil aus dem Glauben an eine zukünftige Entwicklung des Unternehmens und dem Ausdruck der eigenen Zugehörigkeit zu einem Gruppe von Aktionären (Tech-Aktionär, Value-Investor,…)
  • der Wert von FIAT-Geld bestimmt sich, wie der Name schon sagt, auf Basis des  Glaubens an die Macht der sichernden Regierung und ist Ausdruck der Zugehörigkeit zu dem dahinterstehenden politischen System
  • der Wert einer Panini-Sammelkarte ergibt sich aus dem Glauben an die Wertentwicklung einerseits und dem Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sammler-Community andererseits (der Fans eines Vereins & der Sammler der Karten)

Wie wir also sehen, ist die Preisbestimmung getrieben von Glauben und dem Wunsch nach Zugehörigkeit und Status in einer Bezugsgruppe.

Das Internet macht Zugehörigkeit grenzenlos

In der physischen Welt agieren Bezugsgruppen immer innerhalb bestimmter Grenzen. Das kann ein Land, ein politisches System oder ein Markt sein. Menschen außerhalb dieser Grenzen sind ausgeschlossen. Das besondere an der digitale Welt ist, dass sie diese  Grenzen auflösen kann. Aufgrund des offenen und globalen Charakters des Internet, sind digitale Dienste prinzipiell grenzenlos verfügbar und nutzbar.

Die Möglichkeiten des Ausdrucks von Zugehörigkeit und Status in globalen Bezugsgruppen machten soziale Netzwerke deutlich. Mit ihnen wurde es auf einfache Weise möglich, globale Communities außerhalb physischer Grenzen zu begründen. Doch auch diese Systeme basieren auf Grenzen. In diesem Fall werden sie nicht durch ein politisches System sondern von Unternehmen wie Facebook (oder jetzt Meta). Diese Unternehmen setzen Grenzen, indem sie die Zugehörigkeit und den Status der Nutzer verwalten.

Eine entscheidende Frage musste also für eine tatsächliche Grenzenlosigkeit gelöst werden. Wie können Status und Zugehörigkeit mit einem Wert verbunden werden, ohne dass dies durch ein Unternehmen oder ein politisches System erfolgt?  

Damit sind wir nun endlich bei Blockchain und Token angekommen, denn genau das ist es, was die Technologie und die damit verbundene Tokenisierung ermöglicht. Mit Blockchain-Technologien ist es möglich, den Nachweis von Ursprung und Zugehörigkeit am Wert selbst, anstatt einem zentralen Register (wie Zentralbanken, politischen Systemen oder privaten Unternehmen) festzuschreiben. Durch Tokenisierung kann alles, was sich digital ausdrücken lässt, mit Zugehörigkeit und Status verbunden werden. Klingt sehr abstrakt, deshalb nun ein paar Beispiele:

Im ersten Schritt wurde das Protokoll, also die grundlegende Infrastruktur selbst tokenisiert. Durch den ICO (Initial Coin Offering) des Ethereum-Netzwerkes wurde der (erwartete) Nutzen in Form eines Protokoll-Tokens (ETH) abgebildet und einer breiten Masse zugänglich gemacht. In dieser Form wurde die Entwicklung des offenen Protokolls finanziert. Der ETH-Token repräsentiert die Zugehörigkeit und den Status in der Bezugsgruppe der Anhänger dieser dezentraler Technologie. So entstand eine im Grundsatz dezentrale Infrastruktur, die Basis für weiteren Entwicklungen bot.

Auf Grundlage des Ethereum-Protokolls wurden seitdem zahlreiche Anwendungen geschaffen, deren Nutzenversprechen jeweils in Token (Utility-Token) repräsentiert wird.

Schaut man auf die Utility-Token so wird deutlich, dass der Community-Aufbau für die Definition des Token-Preises entscheidend ist. Die Bewertung erfolgt maßgeblich über den Ausdruck der Zugehörigkeit und den Glauben an das jeweilige Projekt. Der objektive Nutzen ist diesen untergeordnet.

Neben den Anwendungen und den Utility-Token sind die sogenannten Non-Fungible Token (NFT) aktuell ein angesagtes Thema. Dabei werden einzigartige Assets tokenisiert. Im Grunde ist das vergleichbar mit Sammelkarten in der physischen Welt. Mit einem NFT kann einem einzigartigen Objekt (non-fungible) eine einzigartige digitale Repräsentation gegeben werden. Noch mehr als bei den Utility-Token ist hier der subjektive Wert für die Preisfindung entscheidend. Wieviel objektiver Wert steckt in einem Jpeg eines Affen? Nicht viel! Wieviel Wert steckt im Ausdruck der Zugehörigkeit zum “Bored Ape Yacht Club” einer Community der Besitzer eines der 10.000 einzigartigen Bored Ape NFTs? Offensichtlich sehr viel, schließlich sind Menschen bereit ETH Token im Gegenwert von 3,4 Mio USD für einen seltenen Ape zu bezahlen. Der Besitz eines Bored Ape bietet auch Utility in Form des Zugangs zu exklusiven Services, vor allem ist der aber Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer Community, Ausdruck des Status in dieser Community und Glaube an eine weiter steigende Entwicklung dieser Werte.

Top Bored Ape Yacht Club NFT
Top Bored Ape Yacht Club NFT – Source: https://opensea.io/collection/boredapeyachtclub

Wenn Zugehörigkeit und Status maßgebliche Treiber der Asset Entwicklung sind, fungieren sie zu weiten Teilen als soziales Netzwerk. Durch die zusätzliche Verankerung des ökonomischen Gedanken in Form der Utility der Token (Token Economy), kann auf Basis der Token eine digitale Gesellschaft entstehen, die übergreifend über den in der physischen Welt gesetzten Grenzen agieren kann. Die Steuerung der dadurch entstehenden Dynamiken, kann nun ebenfalls auf Basis der Token oder anders gesagt, der über diese repräsentierten Bezugsgruppe, erfolgen. Dieser Aufgabe nehmen sich DAOs (Dezentrale Autonome Organisationen) an. In DAOs soll die Entwicklung und Kontrolle der Organisation (Governance) durch die Inhaber der Token erfolgen.

Wie der Wert eines Assets bemessen wird, hängt also vorwiegend von subjektiver und weniger von objektiver Betrachtung ab. Das gilt nicht nur aber gerade eben auch für Crypto-Assets. Die erstmals verfügbaren Möglichkeiten tatsächlich grenzenloser Communities treibt die Entwicklung an. Die Abbildung von immer mehr Anwendungen, das Entstehen von immer mehr NFT-Projekten führt dazu, dass die ursprünglich in die Protokolle wie Ethereum gesteckten Erwartungen immer mehr erfüllt werden und sich darauf neue, größere Erwartungen begründen. Die höhere Aufmerksamkeit und Bekanntheit führt zu einer Vergrößerung der Community und damit immer mehr sozialem Kapital. Dies ist der maßgebliche Antrieb der Entwicklungen der Crypto-Assets.

Thomas Müller ist CEO und Mitbegründer des evan.network, einem Blockchain-basierten Unternehmensnetzwerk. Thomas ist Experte in dezentralen Technologien, verteilter Governance und der Entwicklung Ökosystem-basierter Geschäftsmodelle. Als Sprecher, Autor und Experte trägt er dazu bei, eine Wirtschaft nach den Prinzipien der digitalen Souveränität zu etablieren, in der Unternehmen, effizient, nachhaltig und sicher mit ihren Partnern kooperieren.

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