Konsent – Der agile Entscheidungshelfer

Das praktische Gegenstück zum diskussionsintensiven Konsens

Viele Menschen glauben, dass eine Entscheidung nur dann getroffen werden kann, wenn ein s.g. Konsens erzielt wird, sich also alle auf etwas (mehr oder minder) geeinigt haben. Das wesentlich praktischere Gegenstück zum Konsens stellt jedoch der Konsent da, ein Entscheidungshelfer aus den agilen Arbeitsmethoden. Wie man mit dem Konsent wesentlich schneller und vor allem besser zum Ergebnis kommt, veranschaulicht dieser Artikel.

Wenn es in einer Gruppe um das Treffen von Entscheidungen geht, wurde in der Vergangenheit, sofern keine Einzelperson(en) größeres Stimmrecht hat(ten), oft der bekannte Konsens verwendet. Ein Konsens ist erzielt, wenn sich alle Positionen so weit angenähert haben, dass alle an der Entscheidung Beteiligten mit dem Ergebnis leben können. Doch mit dem Konsent geht das in vielen Fällen sehr viel leichter – und in jedem Fall schneller. Wo also liegt die Ursache für die Vorteilhaftigkeit des Konsents, den vordergründig nur ein einziger Buchstabe von seinem ungleichen Zwilling, dem Konsens, unterscheidet? Dem gehen wir nun einmal auf den Grund.

Wer im Digital-Umfeld arbeitet, der wird in den letzten Jahren sicher zwangsläufig mit den Methoden des agilen Arbeitens in Berührung gekommen sein: Scrum, Kanban, Design Thinking und zahlreiche andere Techniken und Buzzwords flimmern seitdem durch das Web und die Seminarräume und Büros unserer Arbeitswelt. Doch auch wenn nicht jede Technik des agilen Arbeitens für jedes Unternehmen und jede Situation geeignet ist, so lohnt es sich doch in jedem Fall, sich mit den grundsätzlichen Möglichkeiten der eben erwähnten Thematiken auseinanderzusetzen. Im Zweifelsfall lernt man einfach etwas für den nächsten oder den übernächsten Job. Und es gibt dabei ein paar sehr coole Dinge, wie etwa die aus dem Design Thinking stammende (und durch Google bekannt gewordene) Crazy 8-Methode, oder eben den Konsent, von dem tatsächlich jede Firma enorm profitieren kann.

Das Grundsatzproblem des Konsens

In einer Unternehmung haben wir zum Glück seltener die ungünstigste aller möglichen Situationen, die es gibt, nämlich eine Sache basisdemokratisch entscheiden zu müssen. Und – um es auf die Spitze zu treiben – wenn die Entscheidung erst dann getroffen werden kann, wenn jeder Einzelne zufrieden ist, dann kommt mit Garantie eines nicht dabei heraus und das ist das bestmögliche Ergebnis. Somit wäre dann auch jeder mit einem Vetorecht als Tyrann seiner eigenen Ansichten in der Lage, die Entscheidung zu verhindern. Dass dies insbesondere in der Wirtschaft nicht zielführend sein kann, liegt auf der Hand.

Aber auch wenn es in einer Gruppensituation in Unternehmen einen oder mehrere entscheidungsbefugte Personen gibt – wenn man hier ohne ein Konstrukt wie den Konsent arbeitet, dann passiert trotzdem oft etwas, das die Entscheidungsfindung hemmt: Viele der heute Verantwortlichen tun sich gern dabei schwer, sich festzulegen. Es werden zu viele Ideen, Ansichten und Einwände gehört, wodurch zu Recht der Eindruck beim finalen Entscheider entsteht, dass die Gruppe am Ende nicht geschlossen hinter einem Kompromiss steht, weil eben immer irgendwer irgendwas zu Nörgeln hat. Und da man im Nachhinein immer schlauer ist, schlägt am Ende gern die Stunde der opportunistischen Besserwisser.

Das sind dann aber in aller Regel die Leute, die während der eigentlichen Diskussion weder etwas gesagt und ihren Standpunkt verteidigt haben, noch offen Kritik am Vorgehen äußerten. Sie mimen das Unschuldslamm und unterminieren dann nachträglich das Projekt, wodurch der irgendwann doch zu einem Entschluss gekommene Entscheider dann mittelfristig keine Lust mehr hat, Verantwortung zu übernehmen. Denn zu Meckern gibt es ja immer irgendwas – und die Nachträglich-Allwissenden sind eben die Allerschlauesten.

Kanban BoardDie Schlagkraft des Konsents

Hier kommt der Konsent also wie gerufen. Eine Entscheidungsform, die mit flachen Hierarchien im Digital-Umfeld ebenso funktioniert, wie mit streng hierarchisch organisierten Corporates. Das grundlegende Prinzip ist relativ einfach: Es gibt einen Entscheider, der am Ende die Entscheidung trifft, die Verantwortung für die Umsetzung übernimmt, oder diese mit Rückmeldung deligiert. Für die Entscheidungsfindung hört der Entscheider sich die Informationen von allen relevanten Beteiligten an. Hat jemand einen begründbaren und relevanten Einspruch gegen die zu treffende Entscheidung in der aktuellen Form, so kann er diesen während der Erarbeitungsphase einbringen.

Es besteht innerhalb der gesamten (Projekt-)Gruppe das Commitment, dass bei Entscheidungen, die nach langem Prüfen und Abwägen getroffen wurden und gegen die keine relevanten und begründbaren Einwände mehr vorgebracht wurden, keine nachträglichen Kritikpunkte gerechtfertigt sind (sofern diese nicht als konstruktives Feedback gegeben werden). Wer nicht entschieden hat und selbst keinen relevanten Einwand vorgebracht hat, dem steht das Recht auf nachträgliches Schlechtmachen also überhaupt nicht mehr zu. Nur wer sich beteiligt, bzw. selbst die Verantwortung für eine Entscheidung übernimmt, hat nachträglich eine „Stimmberechtigung“ für konstruktiv-kritisches Feedback. Durch diese Regeln soll der Anerkennung des Entscheiders als Verantwortungsträger Rechnung getragen werden. [vgl. hierzu agile-teams.de]

Die Regeln des Konsents in der Übersicht

  • Ein Entscheider trifft die Entscheidung und trägt für sie die Verantwortung
  • Er kann diese Verantwortung auch deligieren und sich Reportings geben lassen
  • Im Entscheidungsfindungsprozess sind alle Einwände gerechtfertigt, die als relevant und begründet anzusehen sind
  • Demnach wird diejenigen Entscheidung getroffen, gegen die niemand mehr einen gewichtigen Einwand vorbringen kann
  • Somit müssen nicht endlos viele Interessen berücksichtigt werden, es wird die beste nicht mehr anfechtbare Variante gewählt
  • Stellt sich die Entscheidung im Nachgang als falsch heraus, darf Kritik nur in konstruktivem Feedback geübt werden, sowohl nur von eben jenen, die aktiv an der Entscheidungsfindung beteiligt waren (also selbst entschieden haben oder Einwände vorgebracht haben)

Im Ergebnis ist eine Konsent-Entscheidung fast immer schneller als eine Konsens-Entscheidung und in der Mehrheit der Fälle ist die Entscheidung auch besser, weil effizienter, zielgerichteter und weniger „totdiskutiert“, als beim Konsens. Gerade junge, dynamische Unternehmen, erzeugen heute ihr Momentum durch Konsent-Entscheidungen. Aber auch Weltkonzerne wie Google haben den Wert des Konsents längst erkannt. Und wann sind Sie soweit?

Die Vorteile von Digitalisierung und digitaler Transformation in Vertrieb und Marketing der Assekuranz nutzbar zu machen - das ist die Passion von Sebastian Heithoff (*1986). Der selbstständige Unternehmensberater stieg 2007 in die Versicherungsbranche ein und ist seit 2012 digital unterwegs. Mit Heithoff Consulting setzt er auf die Kernbereiche Digital Enablement und Digitale Positionierung.

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