Wie Digitalisierung Märkte, Investitionen und Produkte verändert

Welche Auswirkungen hat die digitale Technologie auf unser Leben und die Wirtschaft tatsächlich? Und wie genau sehen diese aus?

Der Artikel beleuchtet drei wesentliche Faktoren, die unsere Realität nachhaltig verändern werden. Die Auswirkungen auf Unternehmen, die Gesellschaft aber auch unser individuelles Leben sind zwar noch nicht absehbar, aber wir können bereits lernen damit umzugehen und besser auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Ein makaberes Beispiel aus der Wirtschaftsgeschichte lehrt uns was passieren kann, wenn man diese Entwicklungen ignoriert.

Digitalisierung ist in aller Munde. Es ist schwer, Social Media zu öffnen, eine Nachrichtensendung zu sehen oder eine Zeitung zu lesen, ohne dieses Wort zu finden. Durch diese Omnipräsenz ist Digitalisierung leider auch zu einem viel gebrauchten Buzzword geworden. Es wird besonders dann gerne verwendet, wenn etwas gut klingen soll, aber eigentlich keiner wirklich den Hintergrund versteht. In diesem Artikel beleuchten wir, was Digitalisierung wirklich bedeutet – für die Wirtschaft, Gesellschaft und Unternehmen.

Mehr zu den Auswirkungen für KMUs: Digitalisierung für KMU

Würden Sie Ihr Geld investieren?

Am einfachsten lässt sich die Auswirkung von Digitalisierung durch ein Beispiel erklären. Dabei geht es um eine fast schon treffsichere Investition in ein weltbekanntes Unternehmen. Die Zahlen und das Projekt sind real – treffen Sie Ihre Entscheidung ob sie dabei sein und investieren wollen würden, oder nicht:

Ende der 1980er-Jahre wurde von Motorola Inc., einem der damals weltweit führenden Unternehmen für Mobiltelefone und der dazugehörigen Technologie, eine Tochterfirma gegründet, die den erst noch entstehenden Markt der Mobiltelefone für immer verändern sollte. Noch vor jedem anderen Technologieunternehmen auf dem Mobilfunkmarkt bemerkte Motorola, dass sich Mobiltelefonnetzwerke in großen Städten vergleichsweise einfach realisieren ließen, weil die Kosten auf eine Vielzahl von Benutzern aufgeteilt werden konnten.

Allerdings wurde dadurch ebenfalls erkannt, dass es keine vergleichbare Lösung geben kann für Mobiltelefonnetzwerke außerhalb von Großstädten, vor allem nicht in spärlich besiedelten Gegenden auf dem Land. In abgelegenen Gegenden war schlicht die notwendige Bevölkerungsdichte nicht gegeben, um die Kosten für ein Mobilfunknetz zu decken. Eine Kalkulation basierend auf Kosten von 100.000 US-$ pro Sendemast (die damaligen Kosten pro Stück) und den zusätzlichen Kosten von zu dieser Zeit noch sündteuren Mobiltelefonen selbst würde es unrentabel machen, jemals den Großteil der Landschaft mit Mobilfunk abzudecken. Daher wurde nach einer neuen, besseren Lösung gesucht, um weite Teile der Welt mit Mobiltelefonen beliefern zu können. Bald schon hatte man diese gefunden.

In internen Kreisen wurde es als bahnbrechende Innovation gefeiert, welche die Welt und die Kommunikation auf unserem Planeten für immer verändern würde. Das Projekt wurde Iridium genannt, nach dem 77. Element im Periodensystem. Diese neue Lösung sah ein Netzwerk von 77 Satelliten vor, die im niedrigen Orbit die Erde umrunden und Mobiltelefonie für einen fixen Preis anbieten können – egal an welchem Ort auf der Welt. Damit könnte man selbst in den entlegensten Gegenden dieser Welt permanente Kommunikation gewährleisten – von der Antarktis bis in die Wüste. Natürlich waren der Aufwand und die Kosten eines solchen Projektes enorm. Die dafür folgende Kalkulation errechnete allerdings, dass bei nur einer Million Benutzer auf der ganzen Welt mit einem Preis von 3.000 US-$ pro Satellitentelefon (damals ein üblicher Preis) und einer Gesprächsgebühr von nur 5 US-$ pro Minute das Projekt schnell Gewinne einfahren würde. Doch damit nicht genug: Einmal platziert, würde Iridium dauerhaft Gewinne generieren und das womöglich noch über Jahrzehnte. Ein genauer Businessplan wurde aufgestellt, mit einer Dauer von zwölf Jahren von der Entwicklung bis zur Einsatzbereitschaft des Systems. Das Projekt war offensichtlich ein garantierter Gewinn. Die Vorstände bei Motorola und die Investoren waren begeistert.

An dieser Stelle würde ich Sie um Ihre Meinung bitten:

  • Was hätten Sie damals von dem Projekt gehalten?
  • Hätten Sie investiert?
  • Wenn ja, warum?
  • Wenn nein, warum nicht?
  • Was, schätzen Sie, wurde anschließend aus dem Projekt?

Wie manche von Ihnen an dieser Stelle vermutlich wissen, war Iridium einer der spektakulärsten Fehler der jüngsten Wirtschaftsgeschichte, bei dem Investoren insgesamt über 5 Milliarden Dollar verloren haben. Dafür gab es eine Vielzahl von Gründen.

Einerseits wurden ab dem Moment, in dem die Satelliten für das Netzwerk entwickelt wurden, die Kosten für Mobilfunkmasten immer geringer – und zwar viel geringer. Gleichzeitig wurden die bestehenden Netzwerkgeschwindigkeiten und deren Leistung immer stärker und Mobiltelefone wurden immer kompakter und billiger.

Obwohl diese Veränderungen sich erst nach und nach einstellten, wurde an dem bestehenden Businessplan festgehalten – denn zu viel war bereits an Zeit und Geld investiert worden. An diesem Punkt wollte man keinesfalls das Projekt aufgeben. Es war ein klassischer Fall kognitiver Verzerrung der Wahrnehmung aufseiten der Beteiligten und ein perfektes Beispiel für eine Sunk-Cost Fallacy.

Der Businessplan war ursprünglich in seinen Zahlen ein garantierter Gewinn. Der exponentiell ansteigende technologische Fortschritt war jedoch nicht berücksichtigt worden. Vereinfacht gesagt, hat sich in den zwölf Jahren der Markt dermaßen verändert, dass Iridium zum Scheitern verurteilt war, noch bevor der erste Satellit den Orbit erreicht hatte.

Motorola war damit nicht alleine. Konkurrenten wie Globalstar oder Odyssey hatten ähnliche Projekte geplant, bei denen weitere Milliarden verloren wurden, trotz zuvor scheinbar treffsicheren Businessplänen.

Wie konnte das nur geschehen? Um dies zu verstehen, müssen wir lediglich 3 massive Veränderungen verstehen, die digitale Technologie mit sich bringt. Alle 3 haben im Fall von Iridium zugetroffen.

Erste Veränderung: Exponentielles Wachstum

Die vermutlich wichtigste Änderung die digitale Technologie uns bringt ist gleichzeitig jene, die von den meisten Menschen am wenigsten verstanden wird. Dies liegt nicht daran, dass die meisten Menschen dumm wären, sondern schlicht an der Art und Weise wie es in unserer Gesellschaft gelehrt wird zu denken.

In unserem Schulsystem wird nämlich gelehrt linear zu denken. Lineare Denkweise bedeutet: 1+1 = 2. In unserem bisherigen Wirtschaftssystem war dies auch angebracht. Hatte man in den 80er Jahren eine Fabrik mit Output 100 Einheiten pro Woche und wollte 200 Einheiten pro Woche, musste man eine zweite Fabrik bauen. Waren in einer Fabrik 60 Arbeiter und man wollte die Leistung verdoppeln, erhöhte man die Zahl auf 120 Arbeiter und führte eine zweite Schicht ein. In den Zeiten ohne Internet und Automatisierungstechnik war dies auch der einzig logische Weg. Lange Zeit wurde wirtschaftliches und gesellschaftliches Wachstum durch diese Arbeitsweise bestimmt.

Heute kann eine Fabrik aber nicht nur von 100 Einheiten auf 200 Einheiten den Output steigern. Durch effiziente Automatisierung und Digitalisierung können wir in der gleichen Fabrik auch 400 Einheiten, 500 Einheiten und noch viele mehr erzeugen – ohne dabei eine neue Fabrik zu bauen.

Als die ersten Dampfmaschinen in Fabriken verwendet wurden, konnte 1 Arbeiter, der eine Maschine bedient, plötzlich mehr erledigen als vorher 10 Arbeiter zusammen. Digitalisierung verstärkt diese Entwicklung noch um ein Vielfaches, indem beispielsweise eine Roboterstrasse in der Fertigung die Arbeit von 100 manuellen Arbeitern übernimmt und oft noch weit darüber hinaus. Kombiniert mit CPQ-E Systemen für die technische Abwicklung und digitalen Marketing- und Vertriebsmodellen kann dieselbe Fabrik den Output von 100 Einheiten auf 1.000, 3.000 oder gar 5.000 Einheiten heben. In unserer digitalen Welt ergibt 1+1 nicht mehr 2, sondern 50, 80, 134 oder womöglich noch mehr. Effiziente Digitalisierung bedeutet, mit dem vorhandenen mehr zu machen und schont dabei Ressourcen, weil wir mit weniger Aufwand mehr erreichen können.

Dies erfordert eine grundlegende Änderung unserer Denk- und Arbeitsweise. An Iridium waren keine Amateure beteiligt. Es waren top Führungskräfte mit Jahrzehnten an Erfahrung. Was sich jedoch keiner vorstellen konnte, war das exponentielle Wachstum und die daraufhin folgende Entwicklung der Mobilfunktechnologie. Viel bessere Sendemasten und viel bessere Mobilgeräte mit viel mehr Netzwerkgeschwindigkeiten kamen nach wenigen Jahren auf den Markt und machten den zuvor garantierten Erfolg des Projektes schnell zunichte. Das Schwierigste am exponentiellen Wachstum ist, dass wir uns oft nicht vorstellen können, wohin uns neuer technologischer Fortschritt bringen kann. Dies ist besonders bei mehrjährigen Projekten ein sehr hohes Risiko, das sich kaum kalkulieren lässt.

Beim exponentiellen Wachstum ist am Beginn lange Zeit kaum ein Fortschritt erkennbar. Wenn überhaupt, sind es kaum erwähnenswerte Meilensteine. In dieser Phase wird oft über eine neue Technologie gescherzt oder sie wird schlichtweg nicht ernst genommen. Nach einigen Jahren jedoch entwickelt sich eine Dynamik, die unvorstellbar große Fortschritte in sehr kurzer Zeit ermöglicht. Durch unser linear erlerntes Denken ist unsere Vorstellungskraft oft schlichtweg nicht dafür ausgelegt, diese Form des Wachstums zu verstehen. Deshalb sind auch intelligente Menschen immer wieder überrascht und werden kalt erwischt, wenn plötzlich eine disruptive Technologie bestehende Geschäftsmodelle hinfällig werden lässt.

Zweite Veränderung: Stark sinkende Preiskurven

Erinnern Sie sich an die ersten Flachbild Fernseher? Wer Anfang der 2000er eines dieser Science-Fiction Geräte in seinem Wohnzimmer hatte, musste sehr wohlhabend sein. Die ersten Modelle mit einer vernünftigen Größe wurden zum Preis eines kleinen Autos. Doch wie lange war dies der Fall?

Nur wenige Jahre später hatte fast jeder mit einem durchschnittlichen Einkommen eines dieser Geräte in seinem Wohnzimmer. Spätestens 5 Jahre nach der Vorstellung der ersten Flachbildfernseher machte man sich fast lächerlich, wenn man noch einen Röhrenfernseher in seinem Zuhause stehen hatte – schließlich hatte mittlerweile so gut wie jeder einen modernen, flachen Fernseher.

Tatsächlich werden auch heute noch die neuesten Top-Modelle von High-Tech-Fernseher in prestigeträchtigen Kaufhäusern rund um die Welt ausgestellt mit Preisen, zu denen man locker ein familienfreundliches Auto erwerben könnte. Die Masse der Geräte mit weniger bahnbrechender Technologie ist jedoch zu einem sehr erschwinglichen Preis zu haben und greifbar für jedermann. Die gleiche Entwicklung gab es bei Digitalkameras, bei den ersten Smartphones, und vielen weiteren technologischen Produkten.

Die Entwicklung neuer, digitaler Technologie ist zeit- und kostenintensiv. Darum werden die ersten Modelle von neuen, digital gestützten Produkten immer noch teuer sein. Sobald die technologische Barriere eines neuen Leistungsniveaus jedoch durchbrochen ist, wird alles zuvor dagewesene durch die neuen technologischen Möglichkeiten sofort altmodisch. Damit beginnt ein rapider Preisverfall, gefolgt von einer Massenproduktion vorwiegend in asiatischen Ländern.

Auch dies war einer der wesentlichen Gründe, warum Iridium scheiterte. Die exponentiell wachsende Technologie schritt so schnell voran, dass die Preise für Sendemasten in den Jahren nach Projektstart rasant fielen. Ebenso fielen die Gesprächsgebühren weit nach unten und die Kosten für einzelne Mobiltelefone waren bald niedrig genug, damit fast jeder sich eines leisten konnte. Die ursprüngliche Kalkulation mit dem Preis für jedes Mobiltelefon und die Gesprächsgebühr pro Minute waren damit bei Weitem nicht mehr marktkonform.

Dritte Veränderung: Geschwindigkeit

Als logische Folge von exponentiellem Wachstum und stark fallenden Preiskurven müssen wir mit einer zunehmenden Geschwindigkeit rechnen, in der sich die Technologie sich weiterentwickelt. Denn damit bekommen immer mehr Menschen Zugang zu neuen Technologien, die sich ständig verbessern und dabei mit der Zeit auch noch kostengünstiger werden. Technische Produkte wie Tablets, Smartphones oder Laptops werden bereits entwickelt mit einer effektiven Produktlebensdauer von ca. 6 Monaten, in denen sie hochpreisig angeboten werden können. Bereits danach folgt bereits der Preisverfall, weil man damit rechnet, dass nach 6 Monaten bereits leistungsfähigere Modelle das Produkt wieder abgelöst haben.

Dies verändert aber nicht nur technische Geräte. Es verändert die Art wie wir kommunizieren, die Art mit der wir Geschäfte machen, wie wir uns Informationen oder Produkte beschaffen und noch vieles mehr. Kaum ein Bereich des Lebens wird langfristig davon nicht betroffen sein. Das beste Beispiel ist heute der allgegenwärtige Nutzen von Smartphones für fast alle Anliegen und Fragen des täglichen Lebens. Damit sind diese Geräte heute weit entfernt vom ursprünglichen Nutzen eines Mobiltelefons. Die zunehmende Vernetzung der Welt, kombiniert mit dem exponentiellen Wachstum, sinkender Preiskurven und enormer Geschwindigkeit mit der sich die Technologie weiterentwickelt, ergibt eine geschäftliche, aber auch gesellschaftliche Realität, in der permanente Veränderung die Norm ist.

Fazit

Das einzige, was wir heute mit Sicherheit sagen können, ist, dass die Welt in 10 Jahren eine andere sein wird als heute. In welcher Form anders, das bleibt abzuwarten. Wer sich den neuen Trends nicht anpassen kann oder will, wird in kurzer Zeit überholt werden. Dies gilt besonders für kapitalstarke, aber schwerfällige und bürokratische Unternehmensstrukturen. Ebenso können wir derzeit ein völliges Versagen der Politik beobachten in fast allen westlichen Ländern – weil diese durch die langsame Bürokratie und zentralen Entscheidungswege mit den permanenten Veränderungen bei Weitem nicht mithalten können.

Das exponentielle Wachstum verstärkt diesen Trend noch zusätzlich und kann für Organisationen vom Kleinunternehmen bis hin zu gesamten Staaten für ein böses Erwachen sorgen, wenn man sich diesen Entwicklungen nicht immer wieder aufs Neue anpasst. Gleichzeitig ist es aber eine der wahrscheinlich größten Chancen der Menschheitsgeschichte, für alle, die bereit sind, sich selbst und die tägliche Arbeitsweise immer wieder neu zu erfinden. Digitalisierung bietet uns damit eine immer wieder neue Basis für innovative Ideen, optimierte Lösungen und damit eine bessere Zukunft.

David A. Schneider hat über 10 Jahre an vorderster Front im Vertrieb und im direkten Marketing verbracht. Sein erstes Unternehmen hat er mit 18 Jahren gegründet und war seither von den Möglichkeiten und Auswirkungen des Unternehmertums auf unsere Gesellschaft fasziniert. Seit Jahren hat er es sich zur Aufgabe gemacht, ein Buch pro Woche zu lesen und die Inhalte in der Praxis anzuwenden. In diversen Branchen hat er damit bereits überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt, indem er seine Arbeitsweisen stets an die neuesten Technologien anpasst und orientiert. Derzeit hat er eine leitende Funktion in einem Familienunternehmen mit 150 Mitarbeitern und teilt sein Wissen als Autor, Blogger und Unternehmensberater mit seinen Kunden und Lesern.

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