Tokenisierung – Definition, Herausforderung und Einsatz der Token Ökonomie

Tokenisierung, ein Prozess, der die Digitalisierung und gleichzeitige Demokratisierung des Kapitalmarktes treibt

Durch Tokenisierung lässt sich auf der Blockchain praktisch jeder reale Vermögenswert abbilden. Im Jahr 2027 werden einer WEF-Schätzung zufolge 10% des globalen BIP auf der Blockchain gespeichert sein, rund USD 9.38 Trillionen. Zentraler Baustein zur Entstehung einer Token Ökonomie bildet die Tokenisierung. Worum es dabei geht und welche teils disruptive Bedeutung ihr zukommt, wird in diesem Artikel beschrieben

Tokenisierung – Ein Buzzword erklärt

Auf einem DLT-System lässt sich durch Tokenisierung praktisch jeder reale Vermögenswert abbilden. Im Jahr 2027 werden einer WEF-Schätzung zufolge 10% des globalen BIP auf der Blockchain gespeichert sein, rund USD 9.38 Trillionen. Selbst wenn diese Dimensionen nicht so schnell erreicht werden sollten, ist bereits heute zu erkennen, dass sich dadurch und die unterliegende Blockchain-Technologie Handel und Transfer von Vermögenswerten fundamental ändern werden. Für den „Buzz“ ist also gesorgt.

Zentraler Baustein für eine Token Ökonomie bildet die Tokenisierung. Worum es dabei geht und welche Bedeutung ihr zukommt, wird in diesem Artikel beschrieben. Zunächst erklären wir aber, weshalb die Blockchain-Technologie schafft, was bisherigen Digitalisierungsmethoden nicht gelang und welches Effekte, Nutzen und Herausforderungen der Tokenisierung sind, um deren disruptives Potential zu verstehen.

Nehmen wir dem Buzzword zunächst die Unschärfe: Tokenisierung bedeutet „Schaffung eines Tokens“. Ein Token im Krypto-Kontext ist ein kleines Stück Software-Code (Smart Contract), das einen Realwert repräsentiert und diesen digital auf einer Smart Contract-, resp. Merhzweck-Blockchain speichert, die populärste etwa Ethereum.

„Tokenisierung ist der Prozess zur digitalen Einbettung eines Vermögenswertes wie einer Ware oder eines  Rechtes in einen (Krypto-) Token und dessen Speicherung und Ausgabe auf einem Blockchain-Netzwerk.“

Der Token fungiert damit als Wertaufbewahrungsmittel für einen Vermögenswert, der in der wirklichen Welt bestehen bleibt,[1] und kann samt seinen Besitzrechten im Blockchain-Netzwerk gehandelt und übertragen werden. Dadurch wird eine Brücke zwischen realem und digitalem Raum geschaffen.

Blockchain – Die Grundlage für digitales Eigentum

Die Blockchain-Technologie hat zwei bahnbrechende Novationen hervorgebracht und damit die Voraussetzungen für die Tokenisierung geschaffen: Verhinderung des „Double Spending“ und Ermöglichung verteilten Vertrauens.

Verhinderung des Double Spending: Durch die Verwendung kryptografischer Schlüssel zur Sicherung der auf der Blockchain gespeicherten Token-Eigentümerschaft kann ein einmal geprägter Krypto-Token seinem Inhaber eineindeutig zugeordnet werden. Als eine Art digitaler Kopierschutz wird erstmals im Computer-Zeitalter digitales Eigentum ermöglicht, eine Eigenschaft, prägend für den Begriff „Internet of Value“.

Die Blockchain-Technologie schafft zudem auch sog. verteilte Vertrauen. Durch Konsensus-Verfahren (z.B. Proof of Work oder Proof of Stake) lassen sich Kryptowerte via DLT-Netzwerk (Peer-to-Peer) auch innerhalb einer nicht vertrauenswürdigen Umgebung sicher austauschen; zentrale Akteure wie Banken oder Börsen werden damit überflüssig.

Bestehende Vermögenswerte – Der Gegenstand der Tokenisierung

In einen Token giessen lässt sich tatsächlich jedes Aktivum: Vertretbare Finanzinstrumente wie Wertschriften (etwa Aktien) oder physische Güter wie Edelmetalle lassen sich genauso tokenisieren wie immaterielle Güter, z.B. geistiges Eigentum und Lizenzrechte, aber auch Fiat-Währungen als Unterlegung für Stable Coins. Auch einzigartige und damit nicht vertretbare Vermögenswerte wie digitale oder physische Kunstwerke lassen sich in sog. NFTs abbilden und handeln, was künftig insb. im Zusammenhang mit Web 3.0 befeuerten Metaverse-Plattformen noch eine grosse Rolle spielen dürfte.

Tokenization - Objekte welche Tokens werden können
Tokenisierungs-Objekte – Quelle: Markus Hammer

Tokenisierung – Chancen, Risiken und Effekte

Chancen und Risiken

Tokenisierung bedeutet Chancen und Risiken. Die potenziell grösste Bedrohung entsteht für die bestehende Kapitalmarktindustrie. Durch die Schaffung und Ausgabe von Wertschriften, gerade in Form von Aktien-Token, auf der Blockchain könnten die meisten der traditionellen Intermediäre und Prozesse auf den Aktienmärkten redundant werden. Innerhalb DeFi (dezentralisierte Finanzmärkte) sind in den vergangenen Jahren bereits Hunderte Krypto-Börsen entstanden, die zentral (z.B. Binance oder Kraken; CEX Übersicht) oder dezentral gesteuert werden (z.B. Uniswap; DEX Übersicht). Zentrale, dezentrale und hybride Ansätze verwischen bereits und die Digitalisierung des Kapitalmarktes ist damit eingeleitet. Für angestammte Akteure bedeutet das eine u.U. existenzielle Bedrohung. Für die Frühaufsteher unter ihnen kann sie allerdings auch Chance sein, zu First-Mover Vorteilen und Neupositionierung im Markt der Zukunft führen, also das, was die DeFi Industrie bereits begriffen hat.

Versprechen an Wirtschaft und Gesellschaft

Mit Tokenisierung werden viele Versprechen auf Industrie, Kunden, letztlich uns verknüpft, allen voran Effizienzgewinne, Markt-Demokratisierung und Schaffung neuer Märkte.

Kosten- und Beschleunigungseffekte ergeben sich 1) durch Wegfall zentraler Akteure wie Banken oder Börsen, 2) durch Eliminierung redundanter Datensynchronisierungsprozesse unter Nutzung der dezentral gespeicherten Datenregister („atomic Settlement“) und 3) die Nutzung autonomer, Smart Contract-getriebener Systemsteuerung.

Auch der Demokratisierungseffekt wird durch Wegfall zentraler Akteure erreicht, aber auch durch die Aushebelung von Marktzugangsbeschränkungen; für Privatunternehmen und Startups ist es nun möglich, Firmenanteile kostengünstig zu tokenisieren und direkt am (dezentralen) Kapitalmarkt teilzunehmen. Dadurch wird der (Kapital-) Marktzugang demokratisiert und gleichzeitig neue Märkte geschaffen.

Neues Marktpotential ergibt sich aber vor allem aus der Stückelung digitaler Vermögenswerte und dadurch erzeugter zusätzlicher Liquidität. Bisher illiquide (auch „non-bankable“) Aktiva wie private Wertpapiere, Kunstwerke oder Immobilien lassen sich durch Tokenisierung in kleinste Anteile stückeln („Fractionality“) und auf dem Sekundärmarkt effizient und rund um die Uhr handeln. Gerade Kleinanleger dürften dadurch angesprochen und neue liquide Märkte geschaffen werden.

Herausforderungen des Markts und seiner Akteure

Trotz enormer Dynamik, mit der sich unsere Welt bereits Richtung Token Ökonomie entwickelt, befinden wir uns erst am Anfang und grössere Herausforderungen für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft stehen bevor.

So fehlen insbesondere (internationale) Standards im regulatorischen und Datenbereich. Regulatorisch kann man zurzeit bestenfalls von einem länderspezifischen Flickenteppich sprechen. Es wird seine Zeit dauern, bis sich verlässliche regulatorische Standards durchzusetzen vermögen. Auch im Daten- und Interoperabilitätsbereich müssen sich Standards erst herausbilden, denken wir nur schon an die Migration des zentral gesteuerten SWIFT Standards hin zu dezentralen Smart Contract-basierten Protokollen.

Auch der Aufbau einer effizienten Infrastruktur und einer genügenden Marktliquidität hat erst begonnen. Eine Infrastruktur für Ausgabe und Handel digitaler Assets muss teilweise neu gebaut werden entlang der bekannten Wertschöpfungskette 1) Tokenisierung (Origination und Vertrieb), 2) Tokenhandel und 3) Abwicklung (Clearing und Settlement) samt Nachhandelsdienstleistungen (z.B. Tokenverwahrung). Erst mit einer effizienten, nutzerfreundlichen Infrastruktur kann sich ein liquider Markt bilden.

Eine Marktreife ist voraussichtlich erst in 2-5 Jahren zu erwarten.

Token Ökosysteme – Entstehung der Token Ökonomie

Zur Schaffung einer Token Ökonomie ist neben den vorgenannten Rahmenbedingungen ein effizientes Tokenisierungs-Verfahren und ein dieses betreibendes Ökosystem zentral. Beides stellen wir nun dar und konzentrieren uns auf die Tokenisierung von Wertschriften, insb. Aktien, in Security Token[2]. Sie sind zum massenhaften Handel im regulierten Bereich angelegt, bieten also das grösste Wachstumspotential. Wir orientieren uns dabei am Blockchain Hub Schweiz mit seiner bereits gewachsenen Infrastruktur und vorhandenen DLT-Gesetzgebung.

Ausgabe von Security Token – Dezentrale Kapitalbeschaffung für KMU & Startups

Die Tokenisierung von Kapitalanlagen in Security Token bildet den ersten Schritt der Wertschöpfungskette eines digitalen Kapitalmarkts, auf dem die weiteren Schritte Handel und Nachhandelsdienstleistungen aufbauen. Letztere beiden werden hier daher ausgeklammert. Tokenisierung erfolgt durch Security Token Offerings (STO), eine neue Form der Kapitalbeschaffung, die deutlich günstiger, effizienter und direkter ist als IPOs mit seinen vielen faktischen Zugangsbeschränkungen. Das macht sie besonders für Startups und KMUs attraktiv.

Strukturierung und Herausgabe von Security Token ist aber keinesfalls trivial; technologische, rechtliche, regulatorische, steuerliche, finanztechnische und geschäftsrelevante Aspekte müssen geprüft und umgesetzt werden. Wir greifen hier die zwei zentralen heraus, die technischen und regulatorischen, und stellen uns als Beispiel etwa ein Mittelstandsunternehmen vor, das einen Teil seines Aktienbestandes zur Beschaffung von Wachstumskapital als Security Token ausgeben will.

Das Tokenisierungsverfahren – regulatorische und technische Aspekte

Eine der zentralen Fragen für die Strukturierung eines Tokens ist dessen regulatorische Qualifikation und der daran u.U. geknüpften Pflichten. In der Schweiz bestimmt sich die regulatorische Einordnung eines Tokens über die ihm zugedachte wirtschaftliche Funktion und seinen Zweck. In unserem Fall geht es um die Tokenisierung handelbarer Eigenkapitalanteile samt Stimm- und Dividendenbezugsrechten analog einer Aktie. Diese werden als Anlage-Token qualifiziert und regulatorisch wie traditionelle Effekten (Wertschriften = Securities) behandelt, womit die entsprechenden Anlegerschutzbestimmungen des Schweizer Finanzmarktrechts zur Anwendung gelangen. U.a. muss ein Anlageprospekt, der über Anlagerisiken informiert, aufgelegt und von den Behörden abgenommen werden. Weitere regulatorische Pflichten könnten sich aus Geldwäscherei-Bestimmungen ergeben, wenn dem Token auch eine Zahlungsfunktion zukommen soll, was normalerweise aber nicht der Fall ist.

Es zeigt sich, dass die regulatorische Einordnung eines Tokens zentral, für dessen Strukturierung von strategischer Bedeutung und deshalb früh und umfassend zu klären ist.

Gleiches gilt für die technische Seite der Tokenisierung. Diesbezüglich lassen sich Aktien via STO zwar frei von Eintrittsbarrieren und zentralen Akteuren schaffen und auf der Blockchain ausgegeben, doch sind vorher umfassende Abklärungen und operative Massnahmen notwendig:

  1. Festlegung technischer Standards: Welcher Token Standard und auf welcher Blockchain?
  2. Modellierung des Vermögensgegenstandes: Wie soll der Vermögenswert modelliert und welche Bewertungsmethoden zugrunde gelegt werden?
  3. Testing und Audit: Technische Überprüfung des Tokens und Smart Contracts auf einer Blockchain-Testumgebung, insb. Testing und Audit
  4. Go-live: Freischaltung des Tokens auf der Blockchain

Für viele Token-Arten bestehen bereits technische Standards mit im Smart Contract bereits vorprogrammierten Kernfunktionen. Für den auf den Handel von Wertschriften ausgelegten Security Token ist dies der ERC-1400.[3] Ferner ist ein für den Handel mit Security Token passendes Blockchain-Netzwerk zu bestimmen. Neben allgemeinen Auswahlkriterien wie der Fähigkeit zur Massen-Adoption und Verlässlichkeit ist für Security Token primär entscheidend, ob das Netzwerk den gesamten Lebenszyklus einer Wertschrift abzubilden im Stande ist, einschliesslich die Ausübung von Stimmrechten, Auszahlung von Dividenden und die Abwicklung von Zahlung und Lieferung. Auch sollte die Blockchain einem weltweiten Zugang offenstehen, also eine öffentliche und zugangsfreie sein. Es bieten sich mit Ethereum die populärste und für STOs auch erfolgreichste Allzweck-Blockchain an, doch stehen mittlerweile auch andere Plattformen wie Cardano, Tezos, oder kleinere wie NEO oder Stellar EOS zur Verfügung. Vertiefte Plattformkenntnis und strategische Weitsicht ist also auch hier gefordert.

Anschliessend ist die Software und der Smart Contract auf der Blockchain zu testen und sinnvollerweise zu auditieren, bevor der Token schliesslich auf der Blockchain operativ Live geschaltet und vertrieben werden kann.

Ökosysteme – die Basis für erfolgreiche Tokenisierung

Neben einer gewachsenen Krypto-Industrie samt Infrastruktur-Anbietern entlang der Kapitalmarkt-Wertschöpfungskette, hat sich in der Schweiz auch rund um Tokenisierung mittlerweile ein Heer von Experten und Dienstleistern gebildet. Man könnte schon fast von einem eigenständigen Tokenisierungs-Ökosystem sprechen, das sich als Teil des aus Zug (Crypto Valley) heraus gewachsenen Blockchain- und Krypto-Hubs mit seinen Hunderten von Blockchain-Unternehmen gebildet hat.

Zwei Kennzahlen der eingeblendeten Grafik zeigen, welche Bedeutung der Schweizer Markt für STOs bereits im Jahr 2019 spielte und nur durch das ungleich grössere Amerika übertroffen wird:

STO-Statistiken aus Blockstate Quelle Februar 2022
STO-Statistiken – Quelle: https://blockstate.com/global-sto-study-de/

Bei einem Blick auf Kapitalmarkt- und Finanzdienstleistungen für digitale Assets fällt ferner die verhältnismässige Dichte an Tokenisierungs-Dienstleistungen quer durch die Industrie hindurch auf. 13 von 20 im vergangenen Jahr befragten ausgewählten Unternehmen bieten Tokenisierung an, darunter einige, die sich auf Tokenisierung von Wertschriften und Aktien, spezialisiert haben.

Krypto Assets Übersicht aus Krypto Asset Studie Hochschule Luzern und Swisscom
Krypto Assets Übersicht – Quelle: Krypto Asset Studie Hochschule Luzern und Swisscom

Beispielhaft am Markt Schweiz als Hub für digitale Assets ist zu erkennen dass eine Token Ökonomie wächst, und schnell wächst – die nötigen Rahmenbedingungen vorausgesetzt. Eines ist schon heute klar: Die Token Ökonomie wird kommen, mit aller Wucht – für die Demokratisierungs-Enthusiasten des Finanzmarktes unter uns wohl langsamer als erhofft, für die traditionellen Vertreter eines zentralisierten Kapitalmarktes allerdings deutlich schneller als lieb.

Quellen:

[1] Dadurch unterscheiden sich Token von Blockchain-inhärenten Währungen ohne Äquivalent in der realen Welt („off-Chain“) wie Bitcoin oder Ether (auch Coins / „native“ Token)

[2] Andere fungible Token-Arten wie Zahlungstoken (z.B. Bitcoin), Nutzungs-Token, hybride Token oder Stablecoins sowie NFTs werden ausgeblendet

[3] ERC steht für „Ethereum Request for Comments“. Der Standard gilt Blockchain-übergreifend, ist also interoperabel.

For over 20 years I have established leading edge business, regulatory and digital solutions in the Banking sector and built small businesses cross-industry. My passion today goes for Blockchain ecosystems, the decentralized innovation power originating from it, directed towards a more self-sufficient environment. This multidisciplinary topic allows me to leverage my experience as a delivery manager, business developer, lawyer, entrepreneur, and combine business, regulation and technology expertise

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