Führungsvakuum durch Wechsel ins Home Office? 5 Tipps für gute Teamarbeit

warum KPIs, Strukturen, Perspektivwechsel und Kommunikation dabei helfen, ein Team weiterzuentwickeln - auch im Home Office

Das Home Office ist (bisher) lange nicht so verbreitet, wie viele meinen. In der Realität nutzen wenige Unternehmen die technischen Möglichkeiten aus. Vielleicht deshalb, weil wirklich Arbeit macht, alles zu organisieren? Vielleicht auch, weil das Vertrauen in die Mitarbeiter fehlt, wirklich zu arbeiten? Bestimmt ist es eine Mischung. In der Krise stellt sich gerade jedoch meist nicht die Frage ob, sondern wie im Home Office gearbeitet werden kann. Da ist zugleich eine Chance, Teams nachhaltig weiterzuentwickeln. Mit klaren Strukturen, hilfreichen KPIs und viel Kommunikation.

Das Home Office trifft viele unvorbereitet. Die aktuelle Situation mit Sicherheitsabstand, freiwilligen Quarantänen und wo möglich Home Office stellen Teamstrukturen völlig auf den Kopf. Das bringt sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeiter neue Herausforderungen. Zumal das Arbeiten im Home Office noch immer in wenigen Unternehmen genereller Standard ist, da oft über das „ob“ diskutiert wird, statt über das „wie“. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung (2019) zeigt warum:

„Demnach gaben 22 Prozent der befragten Frauen an, sie arbeiteten nicht von zu Hause, weil es nicht erlaubt sei – und obwohl es technisch möglich sei. Bei den Männern trafen diese Aussage nur zwölf Prozent.“ …

„Die meisten verzichteten allerdings aus eigenem Antrieb auf Home office. Knapp 80 Prozent der Befragten waren der Meinung, die Arbeit von zu Hause passe nicht zu ihrem Job. Rund 70 Prozent gingen außerdem davon aus, dass die eigene Anwesenheit dem Chef wichtig sei.“

Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/studie-homeoffice-101.html

Aktuell steht schlagartig das „wie“ im Raum und weniger das „ob“. Auch eine Gelegenheit, das Team weiterzuentwickeln über KPIs (Key Performance Indizes), Kommunikations- und Meetingstrukturen und ganz viel Kommunikation.

Anwesenheit im Home Office?

Ein gutes Stichwort an dieser Stelle. Denn ganz oft steckt hinter diesem kleinen Wort ziemlich viel. Das zeigen mir viele Gespräche der letzten Tage in der Ausnahmesituation.  Viele Führungskräfte beschäftigt es tatsächlich, wie sie „sehen“ können, was die Mitarbeiter im Home Office machen. Zum einen geht es um Ergebnisse und Effizienz und zum anderen aber auch um das Zwischenmenschliche. Also wie es den Mitarbeitern damit geht. Denn tatsächlich kommen nicht alle gleich gut damit klar, dass der soziale Austausch in der Kaffeeküche fehlt. Andere dagegen freuen sich vielleicht, weil sie einfach mal etwas abarbeiten können. Und das relativ ungestört vom (nervigen) Small Talk der Kollegen.

Persönliche Strukturen erleichtern oder erschweren die Arbeit im Home Office

Viel hat damit zu tun, wie jeder einzelne im Team so „tickt“. Abhängig davon, welche persönlichen Stärken dominant sind, verhalten wir uns unterschiedlich. Außerdem bestimmen Stärken was wir brauchen, um motiviert und mit Elan in der „Isolation“ des Home Office an Aufgaben heranzugehen. So manch einer kämpft vielleicht auch noch mit seinen Ängsten und bräuchte eigentlich viel mehr Nähe als das zurzeit geboten ist.

Die gute Nachricht: Nähe hat nicht unbedingt mit körperlicher Anwesenheit zu tun. Auch digital ist es möglich, emotionale Nähe und Teamgefühl zu schaffen und zu stärken.

5 Tipps für Führungskräfte und Mitarbeiter

Tipp 1: Sich Mühe geben!

An dieser Stelle sei erwähnt, dass es nicht allein die Sache der Führungskraft ist, den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit des Teams sicherzustellen. Boris Grundl hat in einem seiner Trainings mal gesagt, dass die Führungskraft aus seiner Sicht „nur“ 50% der Verantwortung für die Entwicklung der Mitarbeiter trägt. Die restlichen 50% liegen beim Mitarbeiter selbst. Ich würde inzwischen sogar weitergehen und mehr Verantwortung beim Mitarbeiter sehen. Gerade wenn man sich mit Learning Journeys und selbst organisiertem Lernen beschäftigt, Verantwortungsübernahme wird im Rahmen der digitalen Transformation groß geschrieben. Jeder einzelne trägt die Verantwortung für sich selbst und den gemeinsamen Erfolg. Die Aufgabe der Führungskraft ist es selbstverständlich den Rahmen zu schaffen und die Entwicklung zu unterstützen. Aber jeder Mitarbeiter ist gefordert seinen Beitrag zu leisten. Das gilt auch oder ganz besonders jetzt in der Krise.

Tipp 2: Perspektivwechsel in der Kommunikation anregen

Kommunikation an sich ist oft schon schwierig. Missverständnisse sind vorprogrammiert. Das ist nichts Neues. Arbeiten nun schlagartig alle von Zuhause, fehlen die köpersprachlichen Signale. Die Wahrnehmungskanäle der Kommunikation sind reduziert. Digitale Kommunikation versachlicht nachweislich gegenüber dem gesprochenen Wort. Wir neigen dazu, gleich zum Punkt zu kommen. Auf SmallTalk – oder die Höflichkeitsfloskeln – zu verzichten. Auch können rhetorische Besonderheiten wie z. B. Ironie digital nicht oder nur schwer gedeutet werden. Das bedeutet, dass ich mir immer sehr genau überlegen muss, wie die Botschaft beim Gegenüber ankommen könnte. Vielleicht gerade jetzt auch eine gute Gelegenheit öfter mal zum Telefonhörer zu greifen. Statt schnell eine E-Mail oder WhatsApp zu verschicken? Hilfreich ist es wirklich, sich immer wieder selbst an der eigenen Nase zu packen. Und zu überlegen, wie könnte mein Gegenüber das auffassen. Oder auch: Einfach mal nachfragen!

Tipp 3: Strukturen schaffen für effektives Zusammenarbeiten aus dem Home Office

Weder die Mitarbeiter noch die Führungskräfte hatten wirklich Zeit, sich auf diese neue Situation vorzubereiten. Jetzt entsteht erst einmal ein Vakuum, das es zu füllen gilt. Wenn nicht schon dezentrale Standorte und Home Office vorhanden sind, fehlt Teams nun zunächst die Plattform für den strukturierten Austausch und der Rahmen für die Regelkommunikation. Jetzt ist agil sein gefragt, nämlich Hilfsmittel einfach einmal zu testen. Je nach Vorhandensein von Collaboration-Tools gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ein gutes Hilfsmittel ist zum Beispiel MS Teams. Dort können Themen/Projekte über Kanäle organisiert, Dokumente gemeinsam bearbeitet und diskutiert werden. Über das integrierte Meetingsystem, eine Aufgabenverwaltung und auch Whiteboardfunktionen ist ein schneller synchroner und asynchroner Austausch von Informationen möglich. Oder auch ganz einfach über eine gemeinsam genutzte OneNote-Datei. In einem zentralen Laufwerk abgelegt erarbeiten alle gemeinsam eine Struktur für zum Beispiel das Teilen aller relevanten Infos. Sinnvoll ist eine Übersicht über die Tagesziele jedes einzelnen Teammitglieds, den Fortschritt von Aufgaben in Richtung Zielerreichung und vieles mehr. Wichtig ist immer, genau zu regeln welche Themen über welchen Kanal wie geteilt/bearbeitet werden. Es ist im Übrigen eine gute Möglichkeit der virtuellen Teamentwicklung, diese Strukturen und Vereinbarungen gemeinsam in einem Video-Konferenz-Call zu erarbeiten und weiterzuentwickeln. Vielleicht jeden Tag eine Stunde – so ist zugleich der regelmäßige Austausch sichergestellt. Zusätzlich kann es hilfreich sein, sich weiterer Elemente aus dem agilen Projektmanagement zu bedienen. Beispiel: Daily Stand-up. Zur vereinbarten Zeit treffen sich alle Teammitglieder virtuell im Meetingraum. 15 Minuten für Stimmung, Tagesziele, besondere Herausforderungen und wichtige Infos, Unterstützungsbedarf. Kurz, knackig, hilfreich. Und: Kurze Reflektion, ob das Meeting so hilfreich war oder ob Anpassungsbedarf besteht.

Tipp 4: Hilfreiche KPIs (KeyPerformanceIndizes) entwickeln

Vertrauen – ein Thema, das in Führungskräftetranings, in Führungsleitbildern, etc. gerne diskutiert und hochgehalten wird. Doch mal ehrlich: Wie groß ist das Vertrauen wirklich? Oder im Gegenzug das Verlangen nach Kontrolle des Arbeitsfortschritts? Das ist die eine Seite. Die andere ist aber auch, dass die Teammitglieder den eigenen und kollektiven Fortschritt des Teams sehen müssen. Das hält die Motivation hoch und das gemeinsame Ziel (= der Kit für ein funktionierendes Team) im Blick. In den meisten Unternehmen existieren wirtschaftliche Kennzahlen, vielleicht auch Prozesskennzahlen. Die sind wichtig. Doch eine Dimension wird gerne vergessen: Woran macht das Team den Erfolg fest? Woran merkt der einzelne Mitarbeiter, das er/sie einen wichtigen Beitrag zum großen ganzen leistet? Genau das sind Fragen, die bei räumlicher Verteilung noch relevanter werden. Gerade Führungs- oder Teamkennzahlen können wertvoll sein. Diese werden ebenfalls gemeinsam erarbeitet und dann in den Regelterminen gewertet. Auffälligkeiten besprochen. Das kann ganz einfach über Punkte setzen (geht virtuell auch gut) oder mit Hilfsmitteln für Umfragen wie LamaPoll oder ähnliche Tools erfolgen (bei digitalen Tools bitte immer die Mitbestimmung beachten!). Solche KPIs funktionieren aber nur, wenn sie ernsthaft besprochen werden. Ziel: Gemeinsam besser werden und Knackpunkte aufdecken. Im Übrigen muss man sich bei dauerhaft sehr gut bewerteten Kennzahlen die Fragen stellen, ob es die richtigen sind oder es nicht Zeit für ein paar neue ist. Aber bitte nicht mehr als 3 oder 4 zeitgleich. Ein paar Ideen für „softe“ Kennzahlen:

  • Ich habe das Gefühl, alle wichtigen Informationen für meine Arbeit zu haben
  • Mein Beitrag wird im Team gesehen
  • Wir halten uns an unsere Spielregeln
  • Wir haben heute schon zusammen gelacht
  • Wir arbeiten an den richtigen Themen
  • Meine Führungskraft gibt mir konstruktives Feedback
  • Wir arbeiten im Team gut zusammen
  • Ich habe meine Wochenziele erreicht
  • Wir unterstützen uns im Team gegenseitig

Tipp 5: Persönlich werden

Raum für die Menschen schaffen ist – auch mit Blick auf die individuellen Bedürfnisse – wichtig. Auch wenn alle aus dem Home Office arbeiten. Dabei hilft zum Beispiel 2-mal die Woche ein kleines Kaffee-Meet-up im Team: Jeder der zur vereinbarten Zeit kann, kommt mit einer Tasse Tee oder Kaffee in das virtuelle Meeting zum persönlichen Plausch. Einzige Regel: Keine inhaltlichen Diskussionen. Ziel ist der soziale Austausch, das gemeinsame Lachen im Team. Mit Kreativität entstehen hier bestimmt weitere hilfreiche Formate um gemeinsam motiviert durch die Krise zu steuern. Vielleicht auch hin und wieder kollektiv 5 Minuten Schreibtischfitness? Warum nicht? Gerade Führungskräfte sollten aktiv mit gutem Beispiel voran gehen. Sich gerade zu Beginn der virtuellen Teamarbeit extra Zeit nehmen und die Teammitglieder einzeln in regelmäßigen Abständen kontaktieren. Einfach um zu hören, wie die Stimmung ist, mit welchen Schwierigkeiten gekämpft wird und wo etwas gut läuft. So fühlen sich alle gesehen und die Führungskraft bekommt ein besseres Gefühl dafür, wo die wirklichen Knackpunkte liegen.

Fazit

Jetzt ist Teamwork gefragt – mehr denn je. Zugleich eine gute Chance, mehr Selbstverantwortung und mehr Austausch zu fördern. Wichtig dabei ist, das auch nach der Krise weiter zu verfolgen und langfristig die Arbeit im Home Office zu einer guten Alternative werden zu lasen.

Wenn Menschen gemeinsam auf einem Trampolin springen, können sie sich gegenseitig beschleunigen oder ausbremsen. Das ist in Teams und Organisationen genauso. Als Trainerin, Coach, Team- und Kulturentwicklerin begleitet Sandra Dundler die Menschen digital und analog dabei, die Herausforderungen der Transformation zu meistern. Sie war selbst lange Jahre Mitarbeiterin in einem Konzern auf unterschiedlichen Führungsebenen.

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