Black Swan Theorie erklärt – Auf das Unmögliche vorbereiten

Warum Unternehmen und die Gesellschaft dafür gerüstet sein müssen und was es mit dem schwarzen Schwan auf sich hat

Jedes ungewisse Experiment oder jedes Unternehmen, das bisher noch unbekannte Wege geht, muss sich in Acht nehmen vor einem sogenannten schwarzen Schwan. Dies bezeichnet ein Ereignis von höchster Unwahrscheinlichkeit, dass aber schwerste Auswirkungen auf Märkte, Kunden, das eigene Produkt oder das eigene Unternehmen haben kann. Vor allem disruptive Innovationen und neue Technologien können davon betroffen sein. Diese und müssen stets auf ein derartiges Ereignis reagieren können – oder mit verheerenden Konsequenzen rechnen.

Die Theorie des “schwarzen Schwans” wurde populär durch das gleichnamige Buch von Nassim Nicholas Taleb. Die Bezeichnung stammt von einem altertümlichen Sprichwort aus dem Lateinischen, das etwas so wahr oder so wahrscheinlich sei „wie ein schwarzer Schwan“. Selbst römische Philosophen aus dem zweiten Jahrhundert bedienten sich dieser Formulierung als Bezeichnung für ein Ding der Unmöglichkeit. Später im Mittelalter und bis in das 16. Jahrhundert war ein schwarzer Schwan eine Redewendung für etwas, dass es einfach nicht gibt.

Auf der bis damals bekannten Welt war ein Schwan nämlich weiß. Alle existierenden Aufzeichnungen über diese Tiere beschrieben sie mit weißen Federn. Ein schwarzer Schwan war eine abstrakte Vorstellung von etwas, dass es eigentlich nicht gibt oder laut aktuellem Wissensstand gar nicht geben kann. Ein Ding der Unmöglichkeit, etwas, das allen Naturgesetzen widersprechen würde und deshalb kategorisch ausgeschlossen wird von jedem Risikomanagement oder jeglicher Planung. Im Jahr 1697 erkundete schließlich eine Gruppe von niederländischen Abenteurern, angeführt von Willem de Vlamingh, die Gebiete des westlichen Australiens. Entgegen allen Erwartungen der damaligen Zeit entdeckten sie etwas, dass es eigentlich nicht geben durfte: einen schwarzen Schwan.

Daraufhin wurde diese Bezeichnung geboren für etwas, dass man zwar aktuell für nicht denkbar hält, was sich später jedoch als wahr erweist. Es ist damit eine Bezeichnung für einen festen Glauben an etwas, das in späterer Folge falsifiziert wird. Taleb hat einen schwarzen Schwan in seinem ersten Buch als ein Ereignis höchster Unwahrscheinlichkeit an den Finanzmärkten beschrieben, vor allem in Anbetracht der Auswirkungen, die derartige Ereignisse dort haben können. In seinem gleichnamigen Buch aus 2007 beschreibt er, wie sich diese Ereignisse jedoch auch in anderen Bereichen außerhalb des Finanzmarktes immer wieder finden lassen.

Der Schwarze Schwan in der „Black Swan“-Theorie

Aus dieser Perspektive ist die jüngere Wirtschaftsgeschichte voll von scheinbar unmöglichen Ereignissen, die als unmöglich galten, bis sie eintraten. Fast alle großen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte waren genau so ein schwarzer Schwan. Bis sie schließlich eintraten, waren sie unvorhersehbar, galten als unmöglich und ihr Eintreten hatte unschätzbare Ausmaße:

Der Erste Weltkrieg, die Kernenergie, der Aufstieg und die Verbreitung des Internets, die Auflösung der Sowjetunion, die zivile Nutzung von GPS-Systemen für jedermann, die Durchsetzung von Smartphones, die Subprime-Krise von 2008, der Boom von Elektrofahrzeugen, das Coronavirus, der Einmarsch Russlands in die Ukraine und vieles mehr.

All diese Ereignisse waren undenkbar, bis sie Realität wurden. Wenn du versucht hättest, sie vorherzusagen, wärst du als verrückt oder dumm abgetan worden. Das heißt natürlich, bis eines Tages diese „unmöglichen“ Szenarien eintraten und Wirklichkeit wurden.

Laut Taleb ist ein schwarzer Schwan charakterisierbar durch folgende drei Kriterien:

  1. Das Ereignis kommt plötzlich und überraschend.
  2. Das Ereignis hat wesentliche Auswirkungen.
  3. Nach den ersten Analysen und Aufzeichnungen über das Ereignis wird oft im Nachhinein behauptet, man hätte es vorhersehen können. Daten oder Hinweise wären verfügbar gewesen, wurden aber nicht beachtet. Bei der Wahrnehmung von Beteiligten verhält es sich ähnlich.

Eines der jüngsten Ereignisse dieser Art, die weltweite Pandemie von Covid-19, wird oft als eines der wesentlichen Schwarzer-Schwan-Ereignisse der letzten Jahrzehnte bezeichnet. Schließlich wäre selbst im Traum niemand auf die Idee gekommen, dass ein Virus das weltweite Leben für kurze Zeit vollständig lahmlegen würde und daraufhin noch lange Zeit später weltweit zu Lieferengpässen, Preisschwankungen, Krisen und hohen Inflationsraten auf der ganzen Welt führen würde.

Tatsächlich wurde aber bereits seit Jahrzehnten von Virologen vor den Gefahren einer möglichen Pandemie gewarnt – und immer wieder darauf hingedeutet, wie absolut schlecht unsere Gesellschaft auf so ein Ereignis vorbereitet wäre. Nur nahm diese Virologen niemand ernst, bis es zu spät war. Eine Pandemie ist historisch gesehen auch alles andere als unmöglich. Immer wieder gab es weltweit Ausbrüche von fatalen Viren oder Infektionen, zu sehen an der Spanischen Grippe von 1918, der Pest und zahlreichen anderen Epidemien in der Vergangenheit. Derartige Ereignisse haben sich in regelmäßigen Abständen immer wieder ereignet und sind alles andere als unvorhersehbar. Die Fakten sprachen demnach alle dafür, dass in absehbarer Zeit erneut eine ansteckende Krankheit die Menschheit heimsuchen würde. Nur wollte diese niemand hören. Denn nach Jahrzehnten, in denen wir uns ohne Einschränkungen globalisiert hatten, hielt es kaum jemand für denkbar, dass ein derartiges Ereignis jemals wieder stattfinden würde.

Laut Taleb war Covid-19 nicht einmal ein schwarzer Schwan, sondern ein weißer Schwan. Denn die Beweise für periodisch wiederkehrende Pandemien lagen auf der Hand. Beachtet wurden sie aber trotzdem nicht und Covid-19 traf die Weltwirtschaft völlig unvorbereitet, wodurch der angerichtete Schaden enorm ausfiel.

Wie geht man mit einem schwarzen Schwan um?

Die Digitalisierung wird für viele Unternehmen einen wesentlichen Umbruch bedeuten. Man muss sich auf neue, bisher unversuchte Ideen einlassen. Das Risiko, einen schwarzen Schwan zu treffen, ist dabei stets gegeben. Gewohnte und scheinbar sichere Fahrwasser müssen aufgegeben werden für etwas völlig Neues und Unbekanntes, dessen Ausgang ungewiss ist. Die Theorie des schwarzen Schwans ist daher für alle die Innovationen in einer Organisation umsetzen relevant, denn schlussendlich weiß man nie wirklich, was passieren wird und was die Zukunft für uns noch bereithalten wird. Auch Szenarien, die aus heutiger Sicht völlig unrealistisch und fantasievoll erscheinen, sollten dennoch überprüft und zumindest als denkbar erachtet werden. Eine Aussage wie „das passiert garantiert nicht“ hat sich in der jüngsten Wirtschaftsgeschichte oft als verheerend erwiesen:

  • Der Vorstand bei Nokia dachte nicht, dass Computerfirmen bald die größte Konkurrenz sein würden.
  • Die Manager bei Kodak glaubten ebenfalls nicht, dass die digitale Fotografie als ein viel schlechteres Geschäftsmodell für die Hersteller sich am Markt durchsetzen würde.
  • Die NASA-Ingenieure der Challenger hätten nie zu träumen gewagt, dass ein paar Grad an Temperaturunterschied das Raumschiff nach nur wenigen Sekunden explodieren lassen würde.
  • Das Management bei Ford hätte nie damit gerechnet, dass Kunden ein Auto (Ford Edsel), das exakt nach deren Vorstellungen gebaut wurde, nicht haben wollen.
  • Das Reaktorunglück in Fukushima ereignete sich, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass ein so hoher Tsunami jemals in der Region eintreffen würde. Etc.

All diese Annahmen führten zu teilweise katastrophalen Auswirkungen für die Organisation selbst und teilweise weit darüber hinaus. Damit Ihre Transformation in die digitale Ära nicht ein ähnliches Schicksal nimmt, sollte man sich auf eventuelle Situationen vorbereiten, auch wenn sie aus aktueller Sicht sehr, sehr unwahrscheinlich wirken. Die richtige Antwort auf derartige Ereignisse, die von ihrem Charakter her unvorhersehbar sind, ist allerdings nicht, sich den ganzen Tag mit undenkbaren Szenarien zu beschäftigen.

Die erfolgreiche Vorbereitung auf einen schwarzen Schwan geschieht vielmehr dadurch, dass man sich als Unternehmen auf mögliche, negative Ereignisse einstellt und dafür entsprechend gewappnet ist. Gleichzeitig ist es aber entscheidend, auch in guten Zeiten von positiven Ereignissen Gebrauch zu machen und sich finanzielle Reserven anzulegen.

Die Vorbereitung auf ein negatives Ereignis darf den gegenwärtigen Alltag in einem positiven Wirtschaftskreislauf jedoch nicht behindern. Sich auf schwere Zeiten vorzubereiten, bedeutet nicht, dass man gute Zeiten nicht ausnutzen soll. Im Gegenteil. Wenn Sie Erfolge feiern können, dann tun Sie es und schöpfen Sie Ihre Profite ab, so gut es geht. Vielmehr geht es bei der Vorbereitung auf einen schwarzen Schwan um die Schaffung eines weichen Polsters in guten Zeiten, für den Fall, dass sich diese Zeit wandelt und einem magere Jahre bevorstehen könnten. Metaphorisch gesprochen müssen Sie sich während der Sommermonate auf den Winter vorbereiten. Dies kann in Form von Kapitalreserven erfolgen, durch Diversifizierung von Einkommensquellen oder Kundenschichten, durch neue Geschäftsfelder etc., um möglichst stabil noch zu stehen, wenn unerwartet ein Teil des Kerngeschäfts wegbrechen würde.

Besonders Finanzinstitute wie Banken sind durch schwarze Schwäne anfällig, denn deren Geschäftsmodell des Geldverleihens geht von dauerhaftem Wirtschaftswachstum und einem ständig funktionierenden Wirtschaftskreislauf aus. Gerät dieser Kreislauf aber ins Stocken oder kommt gleichzeitig eine Vielzahl von Kunden in Zahlungsverzug, droht ein Zusammenbruch des gesamten Systems und kann zu potenziell unvorhersehbaren Verlusten führen. In der Krise von 2008 reichte eine einzige Investmentbank, die sich verspekuliert hatte, um fast eine Kernschmelze des gesamten Finanzsystems auszulösen.

Zusammenfassung

Als Unternehmen sollte für eine erfolgreiche Transformation das Geschäftsmodell daher möglichst stabil sein und für eventuelle Änderungen im Markt gewappnet sein. Taleb merkt auch an, dass ein schwarzer Schwan abhängig ist von der jeweiligen Perspektive. Ein Truthahn, der in ein Schlachthaus geführt wird, wird dies sicherlich für einen schwarzen Schwan halten – sein Metzger jedoch kaum. Daher sollte man möglichst versuchen, nicht der Truthahn zu sein, indem man versucht, seine eigenen Schwächen zu finden und diese möglichst mit einem Plan B zu versehen oder sich anderweitig stärker zu positionieren. Vor allem in den sich schnell verändernden digitalen Märkten mit exponentiellem Wachstum ist dies ein wichtiger Faktor, den es zu beachten gilt. Eine dementsprechende Antwort auf unvorhersehbare Ereignisse kann damit selbst einen schwarzen Schwan weiß erscheinen lassen und macht das Unternehmen allgemein resistenter gegen schlechte Wirtschaftszyklen.

Experimente mit neuer Technologie sind von Natur aus ungewiss und jeder Versuch, Bereiche des Unternehmens zu digitalisieren, kann in Wahrheit in seinem Ergebnis nicht vorhergesagt werden. Es sollten daher auch Szenarien betrachtet werden, die aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich sind, beispielsweise disruptive technologische Veränderungen. Allerdings wissen wir, dass diese in regelmäßigen Abständen und auf allen Märkten vorkommen können und werden.

David A. Schneider hat über 10 Jahre an vorderster Front im Vertrieb und im direkten Marketing verbracht. Sein erstes Unternehmen hat er mit 18 Jahren gegründet und war seither von den Möglichkeiten und Auswirkungen des Unternehmertums auf unsere Gesellschaft fasziniert. Seit Jahren hat er es sich zur Aufgabe gemacht, ein Buch pro Woche zu lesen und die Inhalte in der Praxis anzuwenden. In diversen Branchen hat er damit bereits überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt, indem er seine Arbeitsweisen stets an die neuesten Technologien anpasst und orientiert. Derzeit hat er eine leitende Funktion in einem Familienunternehmen mit 150 Mitarbeitern und teilt sein Wissen als Autor, Blogger und Unternehmensberater mit seinen Kunden und Lesern.

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