Kommt das bedingungslose Grundeinkommen?

Wie Technologie unsere Welt verändert und warum das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert wird

Was ist das bedingungslose Grundeinkommen und was hat es mit KI und dem Arbeitsmarkt zu tun? Werden wir bald mehr Diskussionen zu diesen Themen hören? Hier einige Antworten.

Die möglichen Wirkungen der KI auf die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt und damit auf das Volkseinkommen und die Kaufkraft zwingen zum Nachdenken über Alternativen zur Einkommensverteilung und zum Beschäftigungssystem. Das bedingungslose Grundeinkommen, beziehungsweise Bürgergeld ist einer der Vorschläge. Es wird als die einzig wirksame Arznei gehandelt, den Wegfall von Arbeitsplätzen durch den techno-digitalen Wandel zu kompensieren. Unstrittig ist wohl aber, dass es die Entscheidungsträger aller Industrieländer nicht vermochten, diesen Wandel zum Nutzen der Menschen zu gestalten. Es ist längst an der Zeit, sich neuen Modellen der Sozialpolitik zu öffnen. Das bedingungslose Grundeinkommen könnte ein solches Modell sein. Es könnte helfen, von einem „sanktionierenden Sozialstaat“ zu einem „befähigenden Sozialstaat“ zu kommen, meint der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratscher. Er gehört zu den Initiatoren einer vom DIW begleiteten Langzeitstudie, bei der 120 Personen ab diesem Jahr ein Grundeinkommen von monatlich 1.200 Euro erhalten.

Befürworter halten es aufgrund von Digitalisierung und Roboterisierung für unabwendbar sinnvoll. Gegner argumentieren, es sei zu teuer und gebe Anreize, nicht mehr zu arbeiten. In der Schweiz stimmten bei einer Volksabstimmung 2017 mehr als drei Viertel der Wahlbürger gegen die Einführung eines Grundeinkommens von 2.500 Franken. In Finnland wurde von 2017 bis 2019 testweise ein Grundeinkommen gezahlt. Ein Wohlfühleffekt trat ein, ein Beschäftigungseffekt nicht. Kaum einer der Geldempfänger hatte nach dem Experiment einen festen Job. Fast alle Teilnehmer sind inzwischen wieder im schwerfälligen System der finnischen Sozialhilfe. (Resultate der Finland Studie – english)

Seit etwa 2018 intensivierte sich die Diskussion um das Grundeinkommen. Alle Parteien meldeten sich mit ergänzenden oder neuen Vorschlägen. Im Falle der SPD geht es darum, das sozialpolitische Profil zu intensivieren, um die weitere Abkehr ihrer bisherigen Wählerklientel abzuwenden. Sozialhilfe nach Hartz 4 war gestern, Grundeinkommen ist heute. Darüber hinaus erkennen die Parteien immer mehr, dass die alten arbeitsmarktpolitischen Instrumente selbst im Zeitalter von Industrie 4.0 und KI nicht mehr greifen. Da die Industriegesellschaft ein Auslaufmodell ist und Vollbeschäftigung eine Begleiterscheinung des Wirtschaftswunders war, muss sich die Gesellschaft neu organisieren. Bürgergeld wird ein Element dieser Neuorganisation sein.

Pro und Contra – Bedingungsloses Grundeinkommen

Viele Köpfe haben sich mit Gestaltungsvorschlägen zu Wort gemeldet, ebenso Parteien, Gewerkschaften, Wissenschaftsinstitute oder auch Unternehmer, wie der Drogeriemarkt-Eigner Götz Werner. Die einen plädieren für ein bedingungsloses Grundeinkommen, für das keine Gegenleistung zu erbringen ist. Die anderen wollen ein Bürgergeld für alle, für Arme und Reiche, im Gegenzug aber die Streichung aller Sozialleistungen wie Kindergeld, Mietzuschuss, Arbeitslosengeld, Hartz IV, Kilometer-Pauschale oder Krankengeld.

Je nach Modell sind Zahlungen bis maximal 1.500 Euro monatlich angedacht. Hiervon versprechen sich die Befürworter einen Abbau der wuchernden Sozialbürokratie mit ihren über 100 Transferformen sowie eine Vereinfachung des Steuersystems mit seinen diversen Freibeträgen. Zugleich würden diejenigen eine Vergütung erhalten, die gesellschaftlich wertvolle Beiträge leisten, zum Beispiel in der Kindererziehung oder der Pflege der Eltern.

Die Gewerkschaften hingegen befürchten, dass der Sozialstaat geschliffen werden solle und die Mittelschicht letztendlich für das Grundeinkommen zahlt. Menschen würden „mit Geld abgefunden.“ Andere befürchten eine Flucht aus der Arbeit und Eigenverantwortung. Sie warnen vor den nicht absehbaren Folgen bei geringfügigen Veränderungen der Sozialarchitektur und vor der Sogwirkung auf Migranten. Die Grünen halten das bedingungslose Bürgergeld für nicht finanzierbar. Von links wird das Fehlen des Sozialaspekts bemängelt, da Arme wie Reiche in den Genuss der Staatsrente kämen und Unternehmen mit Hinweis auf das gesicherte Existenzminimum Lohndumping praktizieren könnten. Statt eines staatlichen Basisgelds werden Vollbeschäftigung oder höhere Mindestlöhne verlangt. Vereinzelt wird die Verknüpfung von gemeinnütziger Arbeit und Grundeinkommen gefordert. Das Thema ist im öffentlichen Bewusstsein.

Das meinen die Parteien in Deutschland

Die SPD lehnt ein Bedingungsloses Grundeinkommen ab. Sie spricht von einer „Stilllegungsprämie“ und favorisiert ein Recht auf Arbeit. „Modelle wie ein Grundeinkommen, die Leistungen geben ohne gleichzeitige Bemühungen zur Vermittlung in Arbeit und Weiterbildung, sind für uns jedoch zu einfach und werden den Bedürfnissen der meisten nicht gerecht.“

CDU/CSU haben eine ablehnende Position zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Der Mindestlohn sei ausreichend. „Ziel von CDU und CSU ist es, dass es in Deutschland allen möglich sein soll, existenzsichernde Einkommen zu erzielen. Mit dem Mindestlohn wurde hierzu ein Beitrag geleistet.“

Die FDP schließt sich den Meinungen von CDU/CSU und SPD an. „Zur Wahrheit gehört, das BGE und der Sozialstaat werden nicht beide finanzierbar sein. Ein Grundeinkommen, müsste sich dem Existenzminimum entsprechend an den heutigen Sozialleistungen orientieren, müsste also etwa 1.000 Euro betragen.

Im Wahlprogramm der GRÜNEN wird der Begriff Bedingungsloses Grundeinkommen mit schwammigen Allgemeinplätzen ausgefüllt. „Wir beschäftigen uns als Partei intensiv und seit vielen Jahren mit der Frage, wie soziale Sicherung in Zukunft nachhaltig, solidarisch und armutsfest organisiert werden kann. Dabei nehmen wir verschiedene Modelle in den Blick. Darunter auch die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens.“

Die Linken vermeidet den Begriff Bedingungsloses Grundeinkommen. Auf ihrer Homepage fordert sie eine bedarfsgerechte Mindestsicherung von 1.200 Euro statt Hartz-IV. Offiziell heißt es: „DIE LINKE thematisiert das Grundeinkommen … Dabei ist DIE LINKE nicht entschieden, wir wollen die kontroversen Diskussionen weiterführen.“

Zur Finanzierung des Bürgergeldes werden aus vielen Richtungen kommend u.a. diese Vorschläge gemacht: Besteuerung des Einkommens (Lohnsteuer) und des Konsums (Umsatzsteuer) sowie des Geldverkehrs (Finanztransaktionssteuer). Den Befürwortern schweben Beträge von 1.000 Euro bis 1.500 Euro monatlich pro Person vor, mit dem alle staatlichen Zuwendungen abgegolten sind. In Sonderfällen sind Zuschläge notwendig. Zugleich plädieren sie dafür, alle Sozialversicherungen, den Kündigungsschutz und den Mindestlohn abzuschaffen.

Arbeit und Einkommen müssen neu gedacht werden

Unsere Gesellschaft verändert sich im Formel 1-Tempo. Niemand arbeitet mehr 45 Jahre am Stück. Die klassische Familie ist immer weniger der Normalfall. Die Globalisierung sei für die Menschen kein wirklicher Fortschritt gewesen, bei der Digitalisierung dürfe das nicht nochmals passieren. Das könnte aber drohen, wenn menschliche Arbeit durch Roboter ersetzt wird. Es ist an der Zeit, Arbeit und Einkommen neu zu denken.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratscher, brachte 2020 mit seinem Projekt eines Modellversuches zum Grundeinkommen neuen Schwung in die Diskussion. Er widerspricht der These der Protagonisten, wonach die Roboterisierung den Mindestlohn notwendig macht. Den technologischen Wandel gibt es seit Beginn der industriellen Revolution 1764. Er hat im Endeffekt dazu geführt, dass bessere, humanere und höher bezahlte neue Jobs entstanden. Wird das in Zukunft anders sein? Eher nicht. Darum sollten Staat und Gesellschaft die arbeitslos werdenden Menschen nicht mittels Grundeinkommen ruhigstellen, sondern Wege aufzeigen, sich anzupassen und die Chancen des technologischen Wandels zu nutzen. Er schrieb 2021, „dass die Pandemie die Zeit reif mache, sich für eine Erprobung des Grundeinkommendes zu öffnen.“ Wie das Modell im Endeffekt aussieht, hängt von den gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten, vom Produktivitätsfortschritt und dem politischen Kräfteverhältnis zum Zeitpunkt seiner Einführung ab.

Prof. Dr. Walter Simon gründete nach einigen Jahren Industrierfahrung 1985 das Corporate University Center mit Sitz in Bad Nauheim. Von 1995 bis 2002 hatte er den Lehrstuhl für Unternehmensführung an der Business School (University) in Wiesbaden inne. Im Laufe seines Berufslebens trainierte er etwa 15000 Fach- und Führungskräfte. Seine Bibliografie umfasst 22 Bücher zu gesellschaftspolitischen und management-theoretischen Themen. 2006 gewann er den Internationalen Trainingspreis in Silber (BDVT).

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