Ein Beschäftigungssicherungskonto wäre jetzt echt super gewesen

Lessons learned aus der Corona-Krise

Beschäftigungssicherungskonten sind ein gutes Mittel, um auch längere Perioden schwacher Nachfrage auszugleichen ohne Kurzarbeit und damit Gehaltseinbußen bei den Mitarbeitern in Kauf nehmen zu müssen. In Kombination mit Kurzarbeit kann man dann auch sehr lange Krisen ggf. durchhalten.
Für Mitarbeitende ist ein Beschäftigungssicherungskonto kurzfristig eher nachteilig, da man zu Mehrarbeit verpflichtet werden kann und auf die Verwendung der Überstunden keinen Einfluss hat.
Auf der anderen Seite steht dem gegenüber, dass durch Vermeidung bzw. Rauszögern der Kurzarbeit in der Krise Gehaltseinbußen ebenfalls vermieden und rausgezögert werden und der Zeitpunkt von möglichen betriebsbedingten Kündigungen herausgezögert werden kann.
Möchte ein Unternehmen ein Beschäftigungssicherungskonto einführen, müssen jetzt in der Krise die Regelungen verabschiedet werden, damit bei der nächsten konjunkturellen Erholung mögliche Mehrarbeitsstunden dem Konto zugeführt werden können.

Die letzte große Krise war die Finanzkrise, seitdem ging es 10 Jahre konjunkturell nur bergauf. Der Aufschwung war so lange, dass es – wiedermal – passiert ist, dass sich viele nicht vorstellen konnten, dass es mal wieder eine Krise geben könnte.

Ich habe das daran gemerkt, dass es bei der Definition und Einführung von neuen, flexiblen Arbeitszeitmodellen immer schwieriger wurde, Mechanismen in die Modelle aufzunehmen, die für schlechte Zeiten gedacht sind. Was meine ich damit?

In den Projekten hat sich am Ende alles nur noch darum gedreht, wie man in Zeiten des Fachkräftemangels ggf. Mehrarbeit attraktiv machen kann, wie man produktiver werden kann und wie man das möglichst attraktiv für die Beschäftigten gestaltet. Das alles ist absolut sinnvoll und ich bin auch jetzt -selbst in dieser Ausnahmesituation- noch der Meinung, dass es wichtig ist, Flexibilität für Unternehmen mitarbeiterorientiert zu gestalten.

Was aber komplett außen vorgelassen wurde, waren Fragestellungen, wie kann man im Falle eines Nachfragerückgangs sicherstellen, dass die Kapazität auch reduziert werden kann und dies ohne ggf. gleich in die Kurzarbeit gehen zu müssen.

Ein Mechanismus hierfür ist das sogenannte Beschäftigungssicherungskonto.

Was ist ein Beschäftigungssicherungskonto?

Ein Beschäftigungssicherungskonto ist ein Langzeitarbeitskonto, auf dem in bedarfsstarken Zeiten auch größere Mengen an Stunden aufgebaut werden können, die dann in bedarfsschwachen Zeiten wieder abgebaut werden. Also wie ein normales Zeitkonto, nur mit einem längeren Zeithorizont.

Wichtig daran ist: Das Beschäftigungssicherungskonto ist ein rein betriebliches Konto, d.h. die Verwendung des Guthabens wird ausschließlich durch den Arbeitgeber bestimmt. Dies ist notwendig, damit das Konto klar zu einem Lebensarbeitszeitkonto abgegrenzt ist, das wiederum den Mitarbeitenden gehört. Im Gegensatz zum Lebensarbeitszeitkonto, das in Geld geführt werden muss, kann das Beschäftigungssicherungskonto aufgrund des betrieblichen Verwendungszwecks in Zeit geführt werden und es ist auch nicht insolvenzsicherungspflichtig.

Wie funktioniert ein Beschäftigungssicherungskonto?

Im ersten Schritt muss man sich überlegen, welche Art von Krisenszenario man überstehen möchte. D.h. hält man es für wahrscheinlich, dass man die Arbeitszeit für 12 Wochen durchschnittlich um 20% reduzieren möchte oder 6 Wochen um 40%? Auf Basis einer 40h-Woche hieße 20% Reduktion 8 Stunden pro Woche, bei 12 Wochen wäre man dann bei 96h, die Mitarbeitende auf dem Konto haben müssten, um ein derartiges Szenario zu bedienen. Da es nicht immer gelingen wird, alle Mitarbeiter auf einem einheitlichen Stand zu haben, bietet es sich auch an, ein Beschäftigungssicherungskonto auch in den Minus-Bereich fahren zu können. Hat ein Mitarbeitender z.B. nur 60h auf dem Konto, könnte man in diesem Fall das Konto in den 12 Wochen auf -40h absenken. Möchte man längere oder auch kürzere Krisenszenarien abbilden, können die Kontengrenzen entsprechend höher oder niedriger sein.

Braucht man ein Beschäftigungssicherungskonto? Es gibt doch Kurzarbeit…

Ein Beschäftigungssicherungskonto ist keine Alternative, sondern eine Ergänzung zur Kurzarbeit. Letztendlich kann man kleinere Krisen überbrücken, ohne gleich Kurzarbeit beantragen zu müssen. Denn Kurzarbeit ist auch administrativ ein aufwändiger Prozess und v.a. bedeutet Kurzarbeit finanzielle Einbußen für die Mitarbeitenden, was gerade in Niedriglohnsegmenten extrem schwierig sein kann. Und auch Kurzarbeit ist in der Regel zeitlich begrenzt und wenn man dann vorher ein Beschäftigungssicherungskonto abbauen kann und dann anschließend noch in die Kurzarbeit geht, dann kann man den Zeitraum deutlich verlängern, in dem man eine Durststrecke überwinden kann. Aktuell könnte man z.B. in der Corona-Krise mit 100h Plus und bis zu 40h Minus 3,5 Wochen komplett auf Basis des Beschäftigungssicherungskontos schließen oder z.B. knapp 9 Wochen um 40% reduzieren und in dieser Zeit kann man dann in Ruhe die Kurzarbeit vorbereiten und insgesamt länger durchhalten.

Wenn das so toll ist, warum hat das dann kaum jemand?

Das liegt daran, dass wir Menschen Weltmeister im Verdrängen sind und leider eher kurzfristig denken. Die Idee des Kontos hört sich erstmal gut an, impliziert aber Regelungen, die bei Betriebsräten und Mitarbeitern in der Regel nicht auf Gegenliebe stoßen.

Denn ein Beschäftigungssicherungskonto funktioniert nur, wenn alle Mitarbeiter an diesem Mechanismus teilnehmen. Wenn z.B. nur 30% der Mitarbeitenden das Konto aufgebaut haben (und in der Regel sind das die „High-Performer“, die viel können und jederzeit bereit sind auszuhelfen), müssen in der Krise genau diese Leute erst das Guthaben abbauen, damit Kurzarbeit beantragt werden kann. D.h. es fehlen evtl. genau die Leute, die man in der Krise benötigt und die anderen, auf die man ggf. verzichten könnte, können nicht „heimgeschickt“ werden.

Im Umkehrschluss heißt dies: Ein Beschäftigungskonto muss per Anordnung durch den Arbeitgeber mit Betriebsratszustimmung durch alle Mitarbeitenden gleichmäßig aufgebaut werden können.

Dies stößt aber in der Regel auf Widerstand bei den Beschäftigten, denn es heißt:

  • Mehrarbeit kann verpflichtend durch den Arbeitgeber mit der Zustimmung des Betriebsrats angeordnet werden
  • Die Mehrarbeit kann bis zum Erreichen der gewünschten Obergrenze des Beschäftigungssicherungskontos nicht ausgezahlt werden und muss auf das Konto gebucht werden
  • Die Verwendung des Kontos wird durch den Arbeitgeber bestimmt, d.h. die Mitarbeitenden haben keinen Einfluss auf den Zeitpunkt, wann das Konto abgebaut wird

Dies alles sind Punkte, die -nachvollziehbar- unattraktiv sind. Denn durch Auszahlung der Mehrarbeit könnte man ggf. einen schönen Urlaub machen oder einen neuen Fernseher kaufen und und und…

Dem kann man „nur“ das Argument „Arbeitsplatzsicherheit“ entgegenstellen. Sieht man sich die aktuelle Krise an, wären vermutlich nicht Wenige froh, wenn man in der Vergangenheit auf die ein oder andere ausgezahlte Überstunde verzichtet hätte und nun die Arbeitszeit ohne Lohnkürzung verkürzen könnte bzw. sich etwas weniger Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes machen müsste.

In den letzten Jahren war das aber undenkbar, denn aufgrund der boomenden Konjunktur und des Fachkräftemangels wurde der Verlust des Arbeitsplatzes faktisch als unmöglich angesehen.

Was heißt das jetzt?

Wenn man sich als Unternehmen für die nächste Krise vorbereiten möchte (und ja, die wird wieder kommen), dann muss man jetzt die Weichen stellen. Unter dem aktuellen Eindruck der Krise ist es ggf. einfacher, derartige Regelungen umzusetzen. Und sollte dann nach der Krise der Bedarf wieder steigen und ggf. aufgrund des Nachholbedarfs Mehrarbeit erforderlich sein, dann kann man das Konto gleich auffüllen, um dann in der nächsten Krise handlungsfähig zu sein.

Unternehmen werden mit meiner Hilfe flexibler, produktiver, kundenorientierter und gleichzeitig für Mitarbeiter attraktiver. Der Schlüssel hierzu sind ganzheitliche, innovative und flexible Arbeitszeitmodelle jenseits der bekannten Standards. Seit 1995 berate ich Unternehmen in folgende Themen: Personalbedarfsermittlung & Forecast, Personaleinsatzplanung, Schichtplanung, Arbeitszeitflexibilisierung, Workforce Analytics und Softwareauswahlprozesse für Personaleinsatzplanung und Zeitwirtschaft. In meinen Keynotes gebe ich meine in über150 Projekten gesammelten Erfahrungen, Anekdoten und Visionen für innovative Arbeitszeitmodelle wieder

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