Gendergerechte Sprache – Ein Leitfaden für Unternehmen

6 Tipps um gendergerechte Sprache umzusetzen

In diesem Artikel geht es um gendern im Rahmen der Unternehmenskommunikation mit dem Schwerpunkt Arbeitgeberattraktivität. Viele Unternehmen erkennen mittlerweile die Vorteile der Einhaltung gendergerechter Sprache, sowohl in Bezug auf ihr Image als auch hinsichtlich der Attraktivität für (potenzielle) Arbeitnehmer*innen. Es ist daher wichtig, als Unternehmen zu verstehen, welchen Einfluss gendern auf die Kommunikation hat und wie diese in die Strategie einzubeziehen ist.

In unserer diverser werdenden Gesellschaft gewinnt die Verwendung von inklusiver und gendergerechter Sprache zunehmend an Bedeutung. Auch Unternehmen müssen sich informieren und sicherstellen, dass ihre Sprachverwendung angemessen ist. Insbesondere die HR- und Marketingabteilungen spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie sowohl intern als auch extern kommunizieren. Dieser Leitfaden hilft dabei, sich der Sprachvielfalt bewusst zu werden und eine angemessene und respektvolle Sprachkultur im Unternehmen zu fördern. Wer tiefer in das Thema eintauchen möchte – hier gibt es noch einen weiteren interessanten Artikel: „21 Tipps für mehr Diversität am Arbeitsplatz„.

Studien zu gendergerechten Kommunikation

Gendergerechte Sprache wird oft kontrovers diskutiert. Daher vorab einige Fakten in Anlehnung an die Studien Misersky, Majid & Snijders (2019), Gygax et. al. (2008), Social Psychology (2015), Psychologische Rundschau (2001), zum Thema:

Theoretisch betrachtet ist das generische Maskulinum für alle Geschlechter vorgesehen – in der Praxis ist das aber nicht der Fall. Das generische Maskulinum wie z.B. „Kollegen“ gilt zwar grammatikalisch als Bezeichnung für alle, doch viele psycholinguistische Studien zeigen ein anderes Ergebnis:

Tatsächlich werden bei Sätzen die im Maskulinum formuliert sind, vor allem Bilder von Männern in den Köpfen hervorgerufen.

Beispielsweise nennen Versuchspersonen bei der Frage nach berühmten Musikern oder Schriftstellern signifikant mehr Männer, als wenn nach „Musikerinnen und Musikern“ gefragt wird. Selbst bei stereotyp weiblich besetzten Berufen wie Kosmetiker, Kassierer oder Tänzer denken Menschen in Experimenten eher an Männer. In Studien mit Reaktionszeit-Messungen hat die Frage nach weiblichen Personen längere Reaktionszeiten ausgelöst, was erneut bestätigt, dass das generische Maskulinum vor allem männliche Bilder im Kopf erzeugt.

Die Kritik lautet daher, dass das generische Maskulinum die Welt nicht so divers darstellt, wie sie ist. Studien haben außerdem gezeigt, dass geschlechterneutrale Beschreibungen dazu führen können, dass Mädchen sich eher in männerdominierten Berufen vorstellen können.

Vier Gründe für gendergerechte Sprache im Unternehmen

Für Unternehmen kann es aus verschiedenen Gründen interessant sein, gendergerecht zu kommunizieren. Zu den wichtigsten Gründen zählen:

Vermeidung von Diskriminierung

Gendergerechte Sprache ist eine Form der Kommunikation, die sicherstellt, dass alle Geschlechter gleichberechtigt eingeschlossen werden. Es beinhaltet in erster Linie die Verwendung von Sprache und Worten, die nicht sexistisch oder diskriminierend sind. Es bedeutet auch, dass Kommunikation verwendet wird, die Menschen jeder Herkunft und Identität respektiert und einbezieht.

Image und Reputation

Gendern hilft Unternehmen, ihre Marke reflektiert und verantwortungsvoll darzustellen. Außerdem vermittelt gendern, dass ein Unternehmen modern und progressiv ist, was für potenzielle Kund*innen und Mitarbeiter*innen attraktiv sein kann.

Mitarbeiter*innenbindung und -zufriedenheit

Eine gendergerechte Sprache und Kommunikation kann dazu beitragen, dass sich Mitarbeiter*innen aller Geschlechter gleichermaßen wertgeschätzt und respektiert fühlen. Das kann sich positiv auf die Mitarbeiter*innenzufriedenheit auswirken und die Bindung an das Unternehmen stärken.

Erhöhte Anziehungskraft auf diverse Talente

Durch die Verwendung gendergerechter Sprache können Unternehmen sicherstellen, dass alle Kund*innen und Bewerber*innen, egal welchen Geschlechts, gleichermaßen angesprochen werden. Das kann die Vielfalt im Bewerber*innenpool erhöhen und das Unternehmen für ein breiteres Spektrum an Talenten attraktiv machen. Für die Praxis heißt das, durch eine gendergerechte Sprache in Stellenanzeigen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Bewerber*innen jeglichen Geschlechts angesprochen fühlen und sich dementsprechend auf die Stelle bewerben.

Geschlechtergerechte Sprache in der Praxis: 

Es gibt viele Ansätze gendergerecht zu kommunizieren:

Beidnennung

  • Beide Geschlechter werden genannt, z.B. Kolleginnen und Kollegen.

Trennen mit Typografie

  • Verwendung der Unterstrichs, zum Beispiel „Kolleg_innen“. Diese Variante hat den Vorteil, dass sie geschlechtsneutral ist und damit auch non-binäre Menschen mit einschließt.
  • Eine weitere Möglichkeit ist der Schrägstrich, der beide Geschlechter beinhaltet, zum Beispiel „Student/innen“.
  • Auch Klammern können verwendet werden, zum Beispiel „Kolleg(innen)“.
  • Das Gender-Sternchen ist eine weitere Option, hier wird ein Sternchen in das Wort eingefügt, zum Beispiel „Kolleg*innen“, dieses schließt ebenfalls non-binäre Menschen ein.
  • Bei der Nutzung des Binnen-I wird ein großes I in das Wort eingefügt, um beide Geschlechter gleichzeitig anzusprechen, zum Beispiel „KollegInnen“.
  • In Stellenanzeigen wird auch häufig „m/w/d“ oder „all genders“ hinter dem Stellentitel verwendet.

Neutralisierung

  • Eine weitere Möglichkeit ist die Neutralisierung der Sprache, bei der geschlechtsbezogene Begriffe vermieden werden, zum Beispiel „Kollegium“.

Kritik an gendergerechter Sprache

Geschlechtergerechte Sprache hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und wird auch in vielen Bereichen eingesetzt. Allerdings gibt es auch Kritik an diesem Konzept. Eine häufig vorgebrachte Argumentation gegen das Gendern ist, dass es die Verständlichkeit, Lesbarkeit und Zugänglichkeit der Sprache beeinträchtigt. Sternchen und Passivkonstruktionen führen zu längeren und schwerer lesbaren Texten. Genderzeichen können irritieren und die Sprachästhetik negativ beeinflussen. Andere bezeichnen das Gendern als Sprachkorsett.

Argumente um die Bedenken zu entkräften

Um diesen Argumenten entgegenzuwirken, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass gendergerechte Sprache eine Ergänzung und keine Ersatzsprache ist. Es sollte nicht das Ziel sein, alle traditionellen geschlechtsspezifischen Begriffe durch gendergerechte Begriffe zu ersetzen. Vielmehr sollen sie als Option verfügbar sein.

Die Forschung hat gezeigt, dass Menschen im Allgemeinen Veränderungen in der Sprache negativ empfinden. Unbekannte Wörter stellen für unser Gehirn anfänglich eine Herausforderung dar, da sie mehr Anstrengung erfordern. Durch häufigere Verwendung bilden sich jedoch mehr neuronale Verbindungen, was dazu führt, dass uns diese Wörter leichter fallen.

Seit Bestehen der Sprache unterliegt diese Veränderungen. Wir nutzen heute Wörter, die vor einigen Jahren noch nicht existierten. Der Duden (2020) enthält in der 28. erweiterten Umlage, etwa 3000 neue Wörter, darunter „gendergerecht“ und „transgender“. Die Sprache wird somit stets an unsere gegenwärtige Welt angepasst und ist etwas ganz natürliches.

Des Weiteren sprechen die oben erwähnten Studien deutlich für eine gendergerechte Kommunikation.

Sechs Schritte um gendergerechte Sprache im Unternehmen umzusetzen

Sechs erste Schritte um gendergerechte Sprache im Unternehmen umzusetzen.

Geschäftsführung einbeziehen

Die Unterstützung und Zustimmung der Geschäftsführung ist ein wesentlicher Faktor, um gendergerechte Sprache in einer Organisation oder im Unternehmen zu implementieren. Da die Umsetzung geschlechtergerechter Sprache ein kultureller Wandel bedeutet, ist es wichtig, dass die Führungskräfte hinter der neuen Kommunikation stehen. Idealerweise bereiten die Abteilungen HR & Marketing einen Workshop vor, der die Möglichkeiten und Vorteile von gendern beleuchtet. Gemeinsam wird sich im Workshop für eine Form des genderns entschieden (siehe geschlechtergerechte Sprache in der Praxis).

Leitfaden erstellen

Um Transparenz und Übersichtlichkeit zu gewährleisten, ist es empfehlenswert, einen Leitfaden zur gendergerechten Sprache zu erstellen. Dieser kann als Grundlage für alle weiteren Schritte dienen. Der Leitfaden sollte alle wichtigen Informationen enthalten, wie zum Beispiel welche Form des Genderns verwendet werden soll, aber auch Regeln für spezielle Fälle und Tipps zur Umsetzung enthalten.

Abteilungen abholen

Um eine kontinuierliche und nachhaltige Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache in der Organisation oder im Unternehmen zu erreichen, müssen die einzelnen Abteilungen abgeholt und ermutigt werden, das Gendern in ihren Kommunikationsprozessen zu integrieren. Dazu kann es hilfreich sein, den Abteilungen ebenfalls Workshops zu geschlechtergerechten Sprache anzubieten und sie beim Umsetzen der neuen Richtlinien zu unterstützen.

Kollegium informieren

Nachdem die Abteilungen auf dem neuesten Stand sind, ist es wichtig, dass das Kollegium über die neuen Richtlinien informiert und sensibilisiert wird. Dies kann beispielsweise in Form einer internen Kampagne geschehen, bei der der Leitfaden an alle Mitarbeiter:innen und Abteilungen kommuniziert wird. Es empfiehlt sich, auch regelmäßig Rückmeldungen zu erhalten, damit alle Mitarbeiter*innen die neuen Richtlinien verstanden haben.

Umsetzung auf allen Kanälen

Ein immer wichtiger Punkt ist die Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache auf allen Kanälen. Dazu gehören nicht nur die internen Prozesse, sondern auch alle externen Kommunikationskanäle wie Webseite und Social Media. Alle Texte müssen dahingehend überarbeitet und das Gendern entsprechend umgesetzt werden.

Auf Gegenwind vorbereiten

Wie bereits erwähnt ist es ist durchaus möglich, dass es intern & extern zu Widerstand und Kritik an der neuen Richtlinien kommt. Auch hier ist es wichtig, mit Studien zu argumentieren und nicht eine individuelle Meinung zu stark zu gewichten. Die Geschäftsführung sollte hier ein Vorbild sein und sich aktiv für die neuen Richtlinien einsetzen, um das Unternehmen voranzubringen.

Fazit

Eine gendergerechte Kommunikation stärkt die Unternehmens- und Arbeitgebermarke. Es ist wichtig, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und angesichts der kontroversen Debatte ein klares Statement in Hinsicht moderne Kommunikation zu setzen. Als Unternehmen im Jahr 2023 sich bewusst gegen Geldern auszusprechen ist ein Signal, sich nicht mit Gleichberechtigung und Veränderungen auseinandersetzen zu wollen – und dies fällt insbesondere dem weiblichen Geschlecht auf. Um erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen bereit sein, sich weiterzuentwickeln und sich der Welt anzupassen. Wann fängst du mit dem Gendern an?

Quellen:

Julia Misersky, Asifa Majid & Tineke M. Snijders (2019): Grammatical Gender in German Influences How Role-Nouns Are Interpreted: Evidence from ERPs, Discourse Processes, 56:8, 643-654, DOI: 10.1080/0163853X.2018.1541382: https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/0163853X.2018.1541382

Pascal Gygax, Ute Gabriel, Oriane Sarrasin, Jane Oakhill & Alan Garnham (2008): Generically intended, but specifically interpreted: When beauticians, musicians, and mechanics are all men, Language and Cognitive Processes, 23:3, 464-485, DOI: 10.1080/01690960701702035: https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/01690960701702035

Psychologische Rundschau (2001): 52, pp. 131-140: https://doi.org/10.1026//0033-3042.52.3.131. 2001Hogrefe-Verlag Göttingen: https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1026//0033-3042.52.3.131

Social Psychology (2015): 46, pp. 76-92, 2015Hogrefe Publishing: https://doi.org/10.1027/1864-9335/a000229.

Duden (2020): https://cdn.duden.de/public_files/2020-08/Pressemappe_D1_28_Aufl_innen_A4_RZ_1.pdf

I am Johanna Ehses, I am an expert in employer branding. My focus is on supporting SMEs in attracting and retaining talent and strengthening the corporate culture. With my clients, mainly from IT and consulting, I work both internally on the development of the corporate culture and EVP - and externally on aspects such as the career site and social media. My approach is strategic and data-driven in order to use resources effectively and optimally. As I am passionate about Employer Branding, I also want to share my knowledge and promote the topic in Europe and beyond.

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