Die Nachteile von schnellem Wachstum für Unternehmen

Schnell wachsende Unternehmen begeben sich oftmals in Gefahr

Nicht jedes Unternehmen ist bereit für mehr Wachstum. Oftmals fehlt es an klarer Führung und nötiger Infrastruktur, um sich schnell vergrößern zu können. Tatsächlich kann ein zu schnelles Wachstum aber selbst großartige Unternehmen in Bedrängnis bringen. In diesem Artikel beleuchten die größten Gefahren, die auf ein Unternehmen zukommen, wenn es zu schnell wächst

In einem Interview wurden Bill Hewlett und David Packard, die Gründer von HP, gefragt, was der wichtigste Rat sei, den sie jungen Unternehmern mit auf den Weg geben. Ihre Antwort lautete:

Wachsen Sie nicht zu schnell. (“Don’t grow too fast“)

Wachstum ist in der unternehmerischen Welt das wohl am weitesten verbreitete Mantra. In wirtschaftlichen Bildungseinrichtungen wird das Wachstum eines Unternehmens als eines der obersten Ziele gelehrt. Dies zu hinterfragen, wird in vielen der Business Schools dieser Welt vermutlich mit Ketzerei gleichgestellt. Tatsächlich ist allerdings nicht jedes Unternehmen für schnelles Wachstum bereit. Zu schnell zu groß zu werden, überfordert viele Organisationen und bringt sie oft an die Belastungsgrenze. Besonders in einer digitalisierten Welt kann es sich sogar um exponentielles Wachstum handeln, welches besonders schwer zu kontrollieren ist. Welche Nachteile ein Unternehmen erwarten, wenn es zu schnell wächst und wie man mit schnellem Wachstum richtig umgeht, erfahren Sie in diesem Artikel.

Die Entscheidung schnell zu wachsen

„Die Hälfte aller Unternehmenspleiten ereignet sich ein Jahr nachdem neue Umsatzrekorde erreicht wurden.“  (Quelle: Collins, Lazier, 2002)

Ob und wie viel ein Unternehmen wächst, sollte nicht von äußeren Marktbedingungen abhängen, sondern eine bewusste Entscheidung der Unternehmensleitung sein. Unternehmerisches Wachstum ereignet sich selten durch einen äußeren Umwelteinfluss, sondern hängt in der Regel an einer Reihe von gezielten Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen. Wachstum an sich ist auch nicht immer automatisch erstrebenswert. In jeder Entwicklungsphase eines Unternehmens werden sich neue Herausforderungen und Aufgaben ergeben. Jede Unternehmensgröße bringt daher notwendige Veränderungen mit sich und nicht immer sind die betroffenen Unternehmen richtig darauf vorbereitet.

Der Arbeitsalltag und die Entscheidungen, die in einem Start-Up getroffen werden müssen, sind völlig anders als in einem KMU. Der Arbeitsalltag und die Entscheidungen, die in einem KMU getroffen werden müssen, sind aber wiederum völlig anders als in einem Konzern.

Entlang der Entwicklung vom kleinen zum großen Unternehmen bilden sich daher sowohl Vorteile als auch Nachteile. Ein Start-Up kann beispielsweise viel schneller Innovationen umsetzen, Entscheidungen treffen und neue Produktideen testen. Ein Konzern hingegen ist auf diesen Ebenen schwerfällig und bürokratielastig. Um in Konzernen neue Ideen umzusetzen müssen mehrere Abteilungen deren Segen abgeben, es ist viel interne Politik notwendig um alle Entscheider zu überzeugen, die Rechtsabteilung will die Vorgehensweise prüfen, etc. 

Daher ist nicht automatisch ein großes Unternehmen besser als ein kleines. Wichtig zu verstehen ist, dass die verschiedenen Unternehmensgrößen definitiv anders sind und daher eine andere Arbeitsweise notwendig ist, um auf der jeweiligen Ebene erfolgreich zu sein. Die Unternehmensgröße hat damit direkte Auswirkungen auf die benötigte Art der Unternehmensführung, der Kommunikation, und auch die richtige Wahl der handelnden Personen. Wer auf internationaler Konzernebene mit großen Budgets, dutzenden von Angestellten für jeden Aufgabenbereich und langen Entscheidungswegen ein erfolgreicher Manager ist, könnte im Start-Up oder KMU mit begrenzten Ressourcen, wo Geschwindigkeit und Flexibilität bei den Aufgaben der einzelnen Teammitglieder gefragt, ist eine Bruchlandung erzielen.

Wachstum an sich ist für ein Unternehmen damit weder gut noch schlecht. Daher sollte man es auch nicht automatisch in jedem Fall als das höchste Ziel ansehen. Ob ein Unternehmen schnell wachsen möchte und damit auch seine internen Strukturen verändern will, sollte daher eine strategische Entscheidung sein. 

Will man überhaupt ein großes Unternehmen werden? Eine entsprechende Größe bringt nämlich nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile mit sich. 

Zu schnelles Wachstum für Unternehmen
Zu schnelles Wachstum für Unternehmen – Quelle: David Schneider

Die 10 Nachteile von schnellem Wachstum für Unternehmen

Ein schnell wachsendes Unternehmen ist grundsätzlich zwar erstrebenswert, birgt allerdings eine Reihe von Gefahren in sich. Hier sind einige der häufigsten Stolperfallen, die Unternehmen erwarten wenn das Wachstum zu schnell und unkontrolliert abläuft:

1. Vernachlässigen der Kernaufgaben

Schnelles Wachstum kann selbst grobe Ineffizienz in den Unternehmensabläufen für eine kurze Zeit unwichtig erscheinen lassen. Um immer wieder neue Aufträge anzunehmen, vernachlässigt man treue Bestandskunden, oder widmet sich nicht der dringend notwendigen Lösung von alltäglichen Problemen. Diese anfangs noch kleinen Fehler summieren sich mit der Zeit. Sobald das Wachstum jedoch (oft rapide) zurückgeht, werden diese Probleme schnell deutlich und können für das Unternehmen besonders in Krisenzeiten gefährlich werden.

2. Probleme beim Cash-Flow

Um viele neue Aufträge abzuwickeln, kauft das Unternehmen massenhaft Material ein und stellt neue Mitarbeiter ein. Oftmals wird auch in neue Standorte investiert, obwohl die Infrastruktur für eine derartige Expansion noch kaum existent ist. Sind diese Expansionen erfolgreich, werden die Materialien, Standorte und Mitarbeiter in Produkte umgewandelt, weil man weiterhin schnell steigende Umsätze erwartet. Der Geldbestand des Unternehmens wird dabei in Inventar verwandelt und gebunden. Oftmals dauert es jedoch Monate, bis die Zahlungen der Kunden eingehen. Wenn das Unternehmen dann seine Wachstumsziele verfehlt und die erwarteten Verkäufe nicht erreicht werden, fehlt es an Liquidität. Und ohne Liquidität droht die Zahlungsunfähigkeit.

3. Starke Belastung der Infrastruktur des Unternehmens

Kann Ihre Fabrik innerhalb eines Jahres doppelt so viele Produkte herstellen? Kann Ihr Kundenservice doppelt so viele Beschwerdeanfragen bearbeiten? Sind genug Techniker, Fahrzeuge, Server, Arbeiter, Maschinen, Monteure, etc. vorhanden, um doppelt so viele Produkte auch wirklich herzustellen und liefern zu können – und das in gleichbleibender Qualität? Bei schnellem Wachstum kann sich nicht nur der Umsatz verdoppeln und verdreifachen, sondern auch die nötige Arbeitsmenge und die dafür notwendige Infrastruktur. Sind die internen Systeme nicht auf eine schnelle Skalierung ausgelegt, kann man Opfer des eigenen Erfolges werden.

4. Veränderung der Unternehmenskultur

Durch das schnelle Wachstum und eine große Anzahl neuer Mitarbeiter kann sich die bestehende Unternehmenskultur stark verändern. Abteilungen wachsen oder werden neu gebildet, neue Hierarchieebenen entstehen. Dies stellt auch die internen Kommunikations- und Managementstrukturen vor eine große Herausforderung. Die Komplexität und Bürokratie steigt, wodurch auch weniger Raum für individuelle Entfaltung der Angestellten und Spaß bei der Arbeit bleibt.

5. Sinkende Gewinnmargen

Für schnelles Wachstum sind viele Unternehmen bereit, die Produkte mit zusätzlichen Rabatten und Aktionspreisen zu verkaufen. Sehr oft wird damit eine Preisschlacht am Markt ausgelöst, die am Ende die Deckungsbeiträge und Margen aller Teilnehmer sinken lassen. Haben die Kunden sich einmal an niedrige Preise gewöhnt, sind Profitmöglichkeiten dementsprechend eingeschränkt. Der Effekt ist nicht umkehrbar.

6. Vernachlässigen der Qualität

Gut Ding braucht Weile. Wenn zu viele Aufgaben in zu kurzer Zeit erledigt werden müssen, steigt die Tendenz zu schlampiger und ungenauer Arbeit. Dadurch häufen sich meistens interne Probleme oder Kundenbeschwerden, wodurch noch weniger Zeit für die eigentlichen Aufgaben bleibt.

7. Wenig Zeit für Lernen und Optimierungen

Bei ständigem Wachstum bleibt keine Zeit für eine Reflektion und Optimierung der vergangenen Leistungen und der erreichten Meilensteine. Bei zu schnellem Wachstum besteht sogar die Gefahr, dass man an gewissen Meilensteinen auch einfach vorbei rast oder diese gar nicht als solche wahrnimmt. Dadurch können sich Lücken oder blinde Flecken in den Unternehmensprozessen ergeben, die mit zusätzlichen Wachstum sich noch weiter vergrößern können.

8. Hohe Belastung der Mitarbeiter

Nur in wenigen Unternehmen gibt es klare Systeme und Prozesse, die zusätzliches Arbeitsvolumen beispielsweise durch Hilfe von Digitalisierung automatisieren und damit abfedern können. In den meisten Fällen resultiert dies in einer erheblichen Mehrbelastung einzelner Schlüsselpositionen im Unternehmen. Die betroffenen Mitarbeiter haben dadurch viel mehr Arbeit, die aber in der gleichen Zahl an Arbeitsstunden erledigt werden soll. Nur selten erhalten die Betroffenen eine Entschädigung für zusätzlichen Stress und Aufwand, wodurch es meistens zu Kündigungen kommt. Dadurch fehlt es an Personal in wichtigen Positionen, wodurch sich die Lage noch zusätzlich verschärft für die übrigen Angestellten.

9. Scheuklappendenken

Wenn die Unternehmensleitung zu sehr auf Wachstum setzt, kann diese zu einem Paradigma werden. Dadurch sind die Beteiligten geneigt auch schlechte Entscheidungen zu treffen, nur um den Wachstumstrend fortzusetzen. Osborne Computers beispielsweise verkaufte seine Produkte zu Preisen unter den Herstellungskosten, nur um den Trend des schnellen Wachstums beizubehalten. Natürlich kann jede Organisation einen Euro für 80 Cent verkaufen, bis irgendwann das Geld ausgeht. Osborn Computers hatte mit dieser Strategie Rekordumsätze – und meldete kurz danach Konkurs an.

10. Erfolg ist ein schlechter Lehrmeister

Nicht immer ist geschäftlicher Erfolg auf höhere Intelligenz und geniale Entscheidungen zurückzuführen. Es gibt durchaus Fälle, in denen ein allgemeiner wirtschaftlicher Aufschwung oder ein Trend auf den Märkten gewissen Teilnehmern zu sagenhaften Erfolg verhilft. Beispiele dafür sind vor allem Immobilienunternehmen in den letzten 10 Jahren. Wenn die Bestandsobjekte jedes Jahr 20-30% an Wert gewinnen, muss man kein Genie gewesen sein, um in den letzten Jahren damit ein  Vermögen verdient zu haben. Fälle wie die Pleite der Signa Holding zeigen eindrucksvoll, was passiert, wenn solche Kartenhäuser aufgrund einer Trendumkehr plötzlich zusammenbrechen. Sehr oft sind die Entscheidungsträger in solchen Unternehmen vom Erfolg geblendet. Arroganz und große Egos können die Entscheidungsfähigkeit der Führungseben trüben.

Wie schnell sollte ein Unternehmen wachsen?

Wachstum bringt auch Gefahren mit sich, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. Die Geschwindigkeit, mit der ein Unternehmen wächst, sollte daher eine aktive Entscheidung sein, die bewusst getroffen wird und nicht durch Zustände entsteht, die außerhalb der Kontrolle von handelnden Personen liegen.

Wenn jemand einer der Marktführer in einem schnell wachsenden und dynamischen Marktumfeld wie z.B. digitale Technologie werden will, wird dies nur mit einer schnellen Wachstumsstrategie funktionieren. Wenn der Markt auf organische Weise stark wächst, wäre es unklug, bewusst das Wachstum zurückzuhalten und den Konkurrenten die neu entstandenen Marktanteile zu überlassen. Unternehmen wie Apple oder Compaq hatten beispielsweise nur die Option schnell zu wachsen, weil der Markt für PCs sich so rasant vergrößerte.

In den meisten Branchen wird ein exponentielles Wachstum des Marktes jedoch nicht der Fall sein, wodurch schnelles Wachstum des Unternehmens zu einer Option wird und nicht zwingend notwendig ist.

Wie schnell ein Unternehmen wachsen sollte hängt daher vorwiegend von der Unternehmensleitung ab und den zu Grunde liegenden Prozessen im Unternehmen. In der Regel haben Unternehmen, die ausreichend digitalisiert sind, eine bessere Ausgangsbasis schneller zu wachsen als jene, in denen noch viele Prozesse analog ablaufen. Digitalisierung bringt durch die Möglichkeit von Automatisierung und Prozessoptimierung eine Basis für bessere Skalierbarkeit und somit für schnelles Wachstum mit sich.

Fazit zum Unternehmenswachstum

Jim Collins und sein Team an der Stanford University haben jahrelang Forschung betrieben, um herauszufinden, was die erfolgreichsten Unternehmen von den weniger erfolgreichen unterscheidet. In deren Buch Great By Choice wurde auch genau das Thema Wachstum näher analysiert, und die erfolgreichsten Unternehmen haben dabei einen bewussten Wachstumskurs von 10-20% pro Jahr gehalten. Bewusst gehalten bedeutet, dass selbst in Jahren von wirtschaftlichem Aufschwung das Wachstum bewusst geringer gehalten wurde, während selbst in Rezensionen starr auf den 10-20% jährlichen Wachstum festgehalten wurde. In diesem Bereich bleibt Unternehmenswachstum und die daraus resultierenden Herausforderungen überschaubar und man steigert dennoch jedes Jahr den Umsatz und kann die Profite daraus maximieren.

Will man tatsächlich ein größeres Unternehmen werden? Diese Frage ist oft gar nicht so leicht zu beantworten und muss für jede Situation individuell entschieden werden. Die Agilität und Geschwindigkeit eines KMUs haben genauso deren Vorteile, ebenso wie die Marktdominanz und starken Budgets eines Konzerns. Letztendlich ist Wachstum auch eine Geschmackssache und hängt von den handelnden Entscheidungspersonen ab.

David A. Schneider hat über 10 Jahre an vorderster Front im Vertrieb und im direkten Marketing verbracht. Sein erstes Unternehmen hat er mit 18 Jahren gegründet und war seither von den Möglichkeiten und Auswirkungen des Unternehmertums auf unsere Gesellschaft fasziniert. Seit Jahren hat er es sich zur Aufgabe gemacht, ein Buch pro Woche zu lesen und die Inhalte in der Praxis anzuwenden. In diversen Branchen hat er damit bereits überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt, indem er seine Arbeitsweisen stets an die neuesten Technologien anpasst und orientiert. Derzeit hat er eine leitende Funktion in einem Familienunternehmen mit 150 Mitarbeitern und teilt sein Wissen als Autor, Blogger und Unternehmensberater mit seinen Kunden und Lesern.

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