China und Europa sind führend bei der Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI)

Wer wird künftig das globale Regelwerk für KI vorgeben?

EU-Kommission hat April 2021 den allerersten Rechtsrahmen für KI vorgeschlagen. Doch einige asiatische Länder ziehen nach, um nicht nur bei der Entwicklung von KI-Systemen führen zu sein, sondern auch ein positives Umfeld für die Nutzung von KI zu schaffen. Vorne mit dabei: China. Wird bald ein globales Regelwerk aus China folgen?

Künstliche Intelligenz wird zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor. Wirtschaftsmärke werden mehr und mehr von Unternehmen angeführt, in denen Künstliche Intelligenz (KI) das Sagen hat. Doch der Wettlauf um Wettbewerbsvorteile ist nicht nur eine Domäne von Unternehmen und Organisationen. Auch Länder wetteifern miteinander um die Vorherrschaft im Bereich der KI um ihre Industrie zu stärken, die nationale Sicherheit zu schützen oder gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen.

Zu den weltweit führenden Ländern bei der Einführung, Forschung und Entwicklung von KI gehören neben den Vereinigten Staaten auch asiatische Länder wie China, Singapur und Südkorea. Es wird erwartet, dass sich der asiatisch-pazifische Raum auch den nächsten Jahren zu einem (wenn nicht dem) wichtigen Markt für KI-Initiativen entwickelt, da die meisten Ländern in der Region eigene KI-Strategien auf den Weg gebracht haben oder in den nächsten Jahren auf den Weg gebracht werden sollen.

In der Öffentlichkeit ist allerdings die Auffassung weit verbreitet, dass die EU der technologische Wächter der Welt ist und Asien der Wilde Westen darstellt, in dem Datenrechte und Privatsphäre einzelner Menschen keine Rolle spielen. Stimmt das?

KI-Regulierung: Wo steht die EU heute?

Es ist richtig, die EU-Kommission hat April 2021 den allerersten Rechtsrahmen für KI vorgeschlagen („Artificial Intelligence Act“), der sich mit den Risiken der KI befasst und Europa in die Lage versetzen könnte, weltweit eine führende Rolle zu spielen.

Der Vorschlag konzentriert sich auf die von der KI ausgehenden Risiken, wobei KI-Anwendungen in vier Risikokategorien (von minimalem Risiko bis unannehmbares Risiko) eingeteilt werden. So sollen Unternehmen verpflichtet werden, eigenständige KI-Systeme mit hohem Risiko, wie z. B. biometrische Fernerkennungssysteme, in einer EU-Datenbank zu registrieren.

Damit der EU-Vorschlag seine Wirkung zur Entfaltung bringen kann, sind allerdings deutliche Nachbesserungen erforderlich. So sind beispielweise Anforderungen an Hochrisikoanwendungen technisch schlichtweg nicht erfüllbar und machen Künstliche Intelligenz in Europa mit dieser KI-Verordnung unmöglich. Wenn eine Einigung erzielt wird, könnte die KI-Verordnung voraussichtlich ab 2024 für Unternehmen ernst werden. Bei Nichteinhaltung der Vorschriften könnten mögliche Geldstrafen zwischen 2 % und 6 % des Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen.

Auf der anderen Seite ist es nicht richtig, dass es in der Brutstätte der KI-Forschung – und Entwicklung – in Asien – keine ernstzunehmenden Diskussionen zu KI-Gesetzgebung gibt.

Regulierung von Asiens KI-Ökosystemen

Südkorea gehört zu den Ländern, die am besten auf KI vorbereitet sind. Bereits 2019 entwickelte Südkorea eine Strategie für Künstliche Intelligenz und beschleunigt seit 2020 mit den „Digital New Deal“ die digitale Transformation durch ein starkes digitale Ökosystem für Daten, einen KI-Hub sowie eine 9 Billionen Won (7 Milliarden US-Dollar) Förderung in neue Tech-Industrien für 2022. Südkorea schafft nicht nur eine robuste technische Infrastruktur, sondern fördert auch ein politisches Umfeld, das KI ermöglicht. Erst im Jahr 2020 hat Südkorea seine drei wichtigsten Datenschutzgesetze geändert, um die Datennutzung zu fördern. Außerdem wurde ein Rahmengesetz zur intelligenten Informatisierung erlassen, um ein positives Umfeld für die Nutzung von KI zu schaffen. All dies ist Teil der koreanischen Roadmap zur Überarbeitung von Gesetzen, Systemen, Vorschriften und Zugangsrichtlinien für KI.

Auch die Regierung von Singapur hat eine Vision formuliert, dass Singapur bis 2030 eine führende Rolle im Bereich der KI einnehmen soll. Neben einer nationalen KI-Strategie wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Entwicklung eines nachhaltigen KI-Ökosystems zu fördern. Was die KI-Governance und -Regulierung in Singapur betrifft, so müssen Unternehmen beim Einsatz von KI-Technologie bereits die in Singapur geltenden Gesetze zu Sicherheit, Datenschutz und fairem Wettbewerb einhalten. Im Januar 2019 hat die Personal Data Protection Commission Singapore (PDPC) die erste Version eines Modellrahmens für KI-Governance (Model AI Governance Framework) veröffentlicht, das leicht umsetzbare Leitlinien für Organisationen beim Einsatz von ethischen KI-Lösungen beinhaltet. Am 25. Mai 2022 hat Singapurs Minister für Kommunikation und Information einen freiwilligen Testrahmen und ein Toolkit für die Governance von KI namens A.I. Verify veröffentlicht, mit dem die Leistung eines KI-Systems anhand der Angaben des Entwicklers und unter Berücksichtigung international anerkannter ethischer Grundsätze für KI überprüft wird.

Der Ansatz Singapurs zielt darauf ab, ein sehr gutes Gleichgewicht zwischen der Förderung von Innovation und Wachstum und der Gewährleistung einer verantwortungsvollen Entwicklung der KI zu erzielen, sowie Singapurs Position als globales und regionales Technologiezentrum zu erhalten.

Neben diesen Beispielen gibt es allerding ein Land, das besonders weit ist.  Ausgerechnet China – das vielerorts eher für den Umgang mit personenbezogenen Daten kritisch beäugt wird – hat eine Vorreiterrolle dabei eingenommen, eine KI-Verordnung über das Vorschlagsstadium hinaus zu entwickeln.

Ein globales Vorbild aus China?

Im letzten Jahrzehnt hat China eine solide Grundlage zur Unterstützung seiner KI-Wirtschaft geschaffen und weltweit einen bedeutenden Beitrag zur KI geleistet. Was die Forschung betrifft, so hat China im Jahr 2021 etwa ein Drittel aller KI-Zeitschriftenartikel und KI-Zitate weltweit hervorgebracht. Auch wird die Anwendung von KI-Technologie in der Realwirtschaft stark vorangetrieben und wir heute vor allem in den Bereichen Finanzen, Einzelhandel und Hightech eingesetzt.

Doch damit nicht genug: Im März 2022 verabschiedete China eine KI-Verordnung, die den Einsatz von Algorithmen in Online-Empfehlungssystemen durch Unternehmen regelt. Der Geltungsbereich ist damit wesentlich enger gefasst als beim europäischen Artificial Intelligence Act, dafür allerdings bereits im Einsatz. Es schreibt dabei vor, dass solche KI-Dienste moralisch, ethisch, rechenschaftspflichtig und transparent sind und „positive Energie verbreiten“. Unternehmen müssen die Nutzer informieren, wenn ein Algorithmus eingesetzt wird, um ihnen bestimmte Informationen anzuzeigen und es muss die Möglichkeit geben, sich gegen eine gezielte Ansprache zu entscheiden. Darüber hinaus verbietet die Verordnung Algorithmen, die personenbezogene Daten verwenden, um den Verbrauchern unterschiedliche Preise anzubieten.

Es ist zu erwarten, dass China im regulatorischen Bereich weiter Gas geben wird. Erst am 22. September 2022 verabschiedete Shanghai das erste chinesische Gesetz auf Provinzebene, das sich mit der Entwicklung von KI befasst, die „Shanghai Regulations on Promoting the Development of the AI Industry“. Die Shanghaier KI-Verordnung soll außerdem den Weg für eine solide und nachhaltige Entwicklung der KI-Technologie durch ein Einstufungsmanagement und eine „Sandbox“-Überwachung ebnen und damit Unternehmen ausreichend Raum für die Erforschung und Erprobung ihrer Technologien bieten.

Diese Themen werden sicherlich auch anderen KI-Verordnungen weltweit zum Vorbild nehmen und integrieren. Auch ist bemerkenswert, wie schnell die Verordnung in China umgesetzt wurde, verglichen mit dem Zeitrahmen, in denen andere Länder normalerweise Regulierungen verabschieden.

Welcher Ansatz wird sich durchsetzen?

Ob nun der europäische oder chinesische Ansatz (oder ein ganz anderer Ansatz) zukünftig als weltweites Vorbild genommen wird, bleibt abzuwarten. Beide KI-Verordnungen verfolgen unterschiedliche Ansätze. Während der Artificial Intelligence Act umfassender versucht, alle KI-Systeme unter ein regulatorisches Dach zu bringen und für Unternehmen in der Konsequenz weitaus belastender ist, schreibt der chinesische Ansatz umfassende Regeln für Algorithmenempfehlungen vor, die vor allem den Einfluss von Technologieunternehmen eindämmen könnte.

Für die vielen Unternehmen, die erhebliche Ressourcen in KI investieren, ist es von entscheidender Bedeutung, die aktuellen und geplanten rechtlichen Rahmenbedingungen zu verstehen. Speziell für global agierende Unternehmen ist es nicht einfach, die unterschiedlichen Standards, Rechtsrahmen und Empfehlungen zu folgen.

Für Europa wird es vor allem die Herausforderung sein, nicht nur einen praxistauglichen KI-Rechtsrahmen auf den Weg zu bringen, sondern dabei ein Gleichgewicht zwischen Innovationsförderung und Wachstum und einer verantwortungsvollen KI-Entwicklung zu erzielen. Wenn das gelingt, könnte Europa zum Vorbild bei der Regulierung von Künstlicher Intelligenz werden und künftig ein globales Regelwerk vorgeben.

As the "Head of Data Strategy & Data Culture" at O2 Telefónica, Britta champions data-driven business transformation. She is also the founder of "dy.no," a platform dedicated to empowering change-makers in the corporate and business sectors. Before her current role, Britta established an Artificial Intelligence department at IBM, where she spearheaded the implementation of AI programs for various corporations. She is the author of "The Disruption DNA" (2021), a book that motivates individuals to take an active role in digital transformation.

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