Mit IoT-Technologie gegen den Hunger

Können IoT, Blockchain & Co. etwas gegen den weltweiten Hunger ausrichten?

Bei all den technologischen Innovationen der letzten Jahre müsste doch eigentlich auch etwas dabei sein, das hilft, den weltweiten Hunger erfolgreich zu bekämpfen. Mobile Computing, Künstliche Intelligenz, Machine Learning und das Internet der Dinge (IoT) transformieren alle Bereiche des Lebens, warum nicht auch die Nahrungsmittelproduktion und -verteilung?

Dass die Weltbevölkerung immer weiter wächst und die Rohstoffe immer knapper werden ist schon lange kein Geheimnis mehr. Schon jetzt übersteigt der weltweite Bedarf an Nahrungsmitteln alle Vorhersagen. Den Vereinten Nationen (UN) zufolge muss die globale Agrarproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen, damit alle Menschen ernährt werden können. Und das bei einem Schwund des zur Verfügung stehenden Ackerlandes. Zwar gab es in den vergangenen Jahrzehnten große Erfolge im Kampf gegen den Nahrungsmangel, aber der Hunger ist noch lange nicht besiegt – und die Zahl der hungernden Menschen steigt laut UN-Angaben wieder.

Das Unbegreifliche daran ist: Weltweit werden ausreichend Nahrungsmittel produziert, um alle Menschen zu ernähren. Auch in Ländern, in denen viele Menschen unterernährt sind und jeden Tag Hunger leiden, gibt es meist genügend Nahrungsmittel für alle. Doch warum werden diese dann nicht besser verteilt? Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen liegt es an ineffizienten Logistikketten, Kriegen, dem Klimawandel und an zu wenig Wissen über die jeweilige Landwirtschaft.

Bei all den technologischen Innovationen der letzten Jahre müsste doch eigentlich auch etwas dabei sein, das hilft, den weltweiten Hunger erfolgreich zu bekämpfen. Mobile Computing, Künstliche Intelligenz, Machine Learning und das Internet der Dinge transformieren alle Bereiche des Lebens, warum nicht auch die Nahrungsmittelproduktion und -verteilung?

Logistikprozesse neu überdenken

Dabei sind oft nur kleinste Veränderungen notwendig, um positive Effekte herbeizuführen. Deutlich wird dies zum Beispiel bei der Logistik für einen Liter Milch: In der durchtechnologisierten Welt von Heute verlieren die Menschen schnell aus den Augen, welche Anstrengungen notwendig sind, um ein Produkt von A nach B zu transportieren. Ganz einfach, weil es in den Industrieländern fast immer funktioniert und so günstig geworden ist, Produkte zu bewegen. Selbst wenn in der Logistikkette etwas schief geht, hat es nur geringe Auswirkungen auf den Endkunden, da es genug Supermärkte und Anbieter gibt, bei denen man sich im Falle eines Ausfalls bedienen kann. Im schlimmsten Fall steigt der Milchpreis kurzfristig um fünf Prozent, aber Großstadtbewohner bemerken diesen Preisanstieg in der Regel nicht einmal.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es in den Dritte Welt- oder Schwellenländern anders aussieht. Ich komme ursprünglich aus Tripolis im Nordlibanon, das von der Welthandelsorganisation WTO als ärmste Stadt im Mittelmeerraum angesehen wird. In meiner Kindheit herrschte Bürgerkrieg. Wenn die Kosten für Milch um fünf Prozent an einem Ort steigen, der sich im Krieg befindet und von Armut heimgesucht wird, dann müssen diese Menschen mindestens fünf Prozent weniger essen. Gleiches gilt für Medikamente, Lehrbücher und Baustoffe. Bei diesen Produkten haben kleine Preisänderungen nichtlineare Auswirkungen, was bedeutet, dass es keine geringfügigen Änderungen mehr sind. Arme Länder sind um ein vielfaches mehr von diesen Auswirkungen betroffen als beispielsweise Hamburg oder Paris.

Etwa zehn bis zwölf Prozent des weltweiten BIP werden für Logistik ausgegeben – Autos, Menschen, Kühlschränke, Medikamente, Lebensmittel von hier nach dort. Ein riesiges Potential also. Könnten dann nicht auch positive Veränderungen große Auswirkungen haben? So könnten doch Verbesserungen in der Logistik im Bereich von fünf bis zehn Prozent zu sinkenden Preisen führen. 

Technologie nutzen, um Hunger zu verhindern

In vielen Haushalten und Unternehmen ist eine “vernetzte Welt”, in der Sensoren in Küchengeräten bis hin zu Industrieausrüstungen – Daten übermitteln, um Prozesse intelligenter zu machen, heutzutage fast schon selbstverständlich. Das Internet der Dinge (IoT) und das Industrial Internet of Things (IIoT) ermöglichen im Zusammenspiel eine “optimiertere Welt”. Heute bereits optimieren diese Technologien den Energiesektor, die Luftfahrt und die Transportindustrie. Aber auch im privaten und kommunalen Umfeld bewirken sie Positives. Smart-Home-Anwendungen helfen Menschen, ihren Energieverbrauch besser zu steuern. Smart-City-Initiativen ermöglichen es Kommunen, Herausforderungen bei der Stadtentwicklung zu optimieren. Und genauso lassen sich mit IoT & Co. auch die Nahrungsmittelproduktion und -distribution positiv verändern.

Nahrungsmittel Transport und Logistik mit Hilfe von Technologie und IoT verbessern
Technologien für Nahrungsmittelproduktion und -distribution

Will man die Nahrungsmittelproduktion und -distribution positiv verändern muss man die zur Verfügung stehenden Daten intelligent nutzen. Je mehr es davon gibt, umso fundierter können Entscheidungen getroffen werden. Sensoren liefern solche Daten und sie lassen sich nahezu überall anbringen. Auf Traktoren und LKW, in Kühltruhen und Gewächshäusern, sogar aus Pflanzen lassen sich mit dem IoT Daten gewinnen. Schon jetzt gibt es viele Beispiele, anhand derer man sehen kann wofür wir das Internte der Dinge alles einsetzten können – auch gegen den Hunger:

  • Erntezeiten besser bestimmen und Lagerbestände analysieren: bevor die Lebensmittel auf dem Markt kommen, sind oftmals 30 bis 40 Prozent der Produktion schon verloren. Dies bedeutet vor allem in den Entwicklungsländern oft herbe Verluste. Mit IoT lässt sich herausfinden, wann die optimale Erntezeit ist und Lagerbestände können analysiert und überwacht werden. 
  • Optimierung der Lieferkette: Mit Hilfe von IoT können Vertriebsnetze effizienter und produktiver werden. Lkw können auf der Straße per GPS verfolgt, Staus rechtzeitig ermittelt und so schnell alternative Routen vorgeschlagen werden. Auch der Zustand der Lebensmittel in den Containern lässt sich so überwachen.
  • Indoor-Farmen statt traditionellem Ackerbau: Durch den Einsatz der IoT-Technologie zur Temperaturkontrolle, Befeuchtung, Schädlingsbekämpfung usw. können in Indoor-Farmen höhere Erträge erzielt werden als in der traditionellen Freilandwirtschaft, die Wetter, Dürren und Krankheiten ausgesetzt ist.
  • Produkthaltbarkeit verlängern: Speziell entwickelte Sensoren ermitteln bei Lebensmitteln, ob diese noch genießbar sind und verkauft werdenkönnen. Dänemark  ist hier Vorreiter – die meisten Supermarktketten haben bereits eine Strategie entwickelt, um so Lebensmittelabfälle zu reduzieren.
  • Food Sharing: Das Internet der Dinge hilft Geschäften, Hotels, Restaurants etc, Waren an lokale Wohltätigkeitsorganisationen und andere Verteilungsprogramme auszugeben, anstatt sie zu entsorgen. Informationen werden in Echtzeit an Helfende weitergeben, so dass die Lebensmittel bei den entsprechenden Anbietern abgeholt werden können.
  • Kaufverhalten verändern: Lebensmittelverschwendung muss vor allem in den wohlhabenden Ländern reduziert werden. Das IoT hilft hier mit intelligenten Kühlschränken: Sie ermitteln die Menge und Qualität der Lebensmittel, schlagen anhand des Verbrauchermusters zu kaufende Lebensmittel vor, senden Warnmeldungen oder empfohlene Bestellungen.

Lassen sich diese interessanten Ansätze auch in die Praxis umsetzen?

Mit IT Gutes bewirken – Social Innovation

Social Innovation gewinnt immer mehr an Bedeutung, auch bei IT-Unternehmen wie meinem Arbeitgeber Hitachi Vantara. Es bedeutet für uns die Nutzung von Technologie und neuen Geschäftsmodellen, um das Leben Einzelner und der Gesellschaft als Ganzes positiv zu verändern. Durch Nutzung moderner Technologien wie IoT, Künstlicher Intelligenz, Machine Learning und Big Data wollen wir helfen, soziale und ökologische Herausforderungen zu bewältigen. So etwas kann natürlich nicht alleine gesetmmt werden, weshalb wir andere Unternehmen, NGOs und Regierungen mit einbeziehen.

Sensoren und das IoT spielen in immer mehr unserer Projekten eine wichtige Rolle. Sie werden genutzt im Bereich der nachhaltigen Energieversorgung, bei intelligenten Transportsystemen oder Landwirtschaft 4.0 (Stichwort ‘Precision Farming’). Durch fahrerlose Traktoren, Satellitentechnologien für die Pflanzenbildgebung, Gewächshäuser mit Smartphone-Betrieb und Feldkontrolle mit Drohnen lassen sich landwirtschaftlichen Prozesse auf der ganzen Welt verbessern. Viele dieser Technologien sparen Arbeit, aber ihr größter Nutzen liegt darin, dass sie autonom Daten sammeln und auswerten. 

Eine solche Lösung ist der Digital Agriculture Transformation Accelerator (DATa), der IoT-, Big-Data-, Sensoreingaben und Technologiekonvergenz nutzt, um jede Phase des landwirtschaftlichen Prozesses zu bewerten und Einblicke in den jeweiligen Betrieb zu bieten. Landwirte können ihrer Leistung mit Erfahrungswerten aus der Branche messen.

Mittel- bis langfristig wird es zu Social Innovation mit intelligenter Technologie keine Alternative geben. Die Weltbevölkerung steigt weiter – bis 2050 auf etwa 9,8 Milliarden. Um diese Zahl an Menschen satt zu bekommen, müssen Unmengen an Lebensmitteln produziert und von A nach B transportiert werden. Mit Technologie werden sich nicht alle aber doch einige der Herausforderungen meistern lassen. Ich schaue dabei optimistisch in die Zukunft.

 

Wael Elrifai - Hitachi Vantara*Wael Elrifai ist VP, Digital Insights Solution Engineering bei Hitachi Vantara und außerdem als Buchautor und öffentlicher Redner im Bereich AI & IOT tätig. Der diplomierte Elektroingenieur und Volkswirt ist Mitglied der Association for Computing Machinery, der Special Interest Group for Artificial Intelligence, der Royal Economic Society und des Royal Institute of International Affairs.

    Hitachi Vantara bietet Unternehmen Lösungen rund um Daten. Wir helfen dabei, Innovationen hervorzubringen und Ergebnisse zu erzielen, die wirtschaftlich und gesellschaftlich von Bedeutung sind. Mit DataOps und dem Einsatz künstlicher Intelligenz schaffen wir eine Verbindung zwischen Datenkonsumenten und Datenproduzenten und helfen dabei, die richtigen Daten zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu platzieren.

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