Digitale Transformation ist kein Projekt – sie ist neues Unternehmertum

Wie erzielt man Wirkung in der neuen Welt? Digitale Transformation neu gedacht

Digitale Transformation besteht nicht aus Lego-Steinen wie New Work, Agilität oder Technologie, die mit einzelnen Projekten umgesetzt werden können. Vielmehr geht es um die Ausrichtung des Unternehmens an sich änderndem Kundenverhalten. Organisation und Technologien werden davon abgeleitet. Wenn man weiss, wie!

„Get **it done“

Genau das steht bei der Neo-Bank Revolut in deren Londoner Büros in grossen Lettern an der Wand. Auch wenn mich ausser einer Kundenbeziehung nichts mit Revolut verbindet, so kann ich mich mit dem Motto durchaus identifizieren.

Egal ob als IT-Executive bei etablierten Firmen, oder bei meinen Engagements als CTO bei verschiedenen Startups – ich war immer im Projektgeschäft. Die oberste Priorität dabei: Das Ziel so schnell und sicher wie möglich zu erreichen. Get **it done!

Nun spricht man allerorten von Projekten, die die Digitale Transformation meistern sollen: Ein Organisationsprojekt hier, eine neue Technologie da, vielleicht noch einen Kurs für etwas feel-good Leadership… das Angebot ist vielfältig. Aber kommt man so wirklich zum Ziel?

Ich meine nein. Und zwar deshalb, weil die Transformation eines Unternehmens nicht aus Legosteinen besteht, die man einfach zusammensetzen müsste. Digitale Transformation ist eine ganzheitliche, fortlaufende Aufgabe mit vielen Abhängigkeiten.

Was die digitalisierte Welt tatsächlich von uns fordert, ist kein Projekt mit einem definierten Ende. Es ist vielmehr ein unternehmerischer Weg, nur unter anderen Vorzeichen und mit anderen Ansprüchen als früher.

Unternehmertum besteht nach wie vor in der ständigen Orientierung am Markt. Und es ist genau der Markt, der sich ändert, und weiter ändern wird. Dafür muss man sich aufstellen.

Ein Haufen nach Innen gerichteter Projekte bringt einen dabei kaum näher an den Kunden.

Ein paar Beispiele dazu, was ich meine.

New Work?

Eines der häufigsten Schlagwörter ist New Work, unter das alles von Homeoffice über flache Hierarchien bis kooperativen Führungsstil fällt.

Das ist ja alles nicht verkehrt. Es handelt sich dabei durchaus um Kennzeichen moderner, produktiver Organisationen.

Aber: New Work alleine führt nicht zu Innovation oder höherer Produktivität, auch wenn manche das vielleicht versprechen.

Eine optimale Arbeitsumgebung zu gestalten beginnt bei der eigenen Wertschöpfung, und nicht bei irgendwelchen Praktiken.

Oder anders gesagt: Nur weil ich gewisse Eigenschaften eines möglichen Ergebnisses imitiere, habe ich noch nicht das gewünschte Ergebnis selbst.

Agilität?

Ähnlich sieht es bei diesem Schlagwort aus. Agilität meint eigentlich die Eigenschaft eines Unternehmens, flexibel und intelligent agieren und reagieren zu können.

Was das im Einzelfall bedeutet, ist sehr individuell.

Was wird uns aber überall erzählt, wie wir «agil» werden?

Indem wir ein grosses Change-Programm machen, und dabei am besten einen fertigen, unternehmensfremden Prozess installieren (den ausser uns schon x andere genauso einsetzen).

Operation gelungen, Patient … wo war der nochmal?

Auch hier wird die Richtung verwechselt. Agile Strukturen müssen aus dem individuellen Business heraus entwickelt werden. Durch aufgepfropfte Blaupausen werden sie bestenfalls imitiert.

Technologie?

Cloud, AI, Blockchain, IoT usw. sind in aller Munde. Sie sind aber weder Selbstzweck noch zwangsläufig ein Heilsbringer für die eigene Zukunft.

Selbst viele der disruptiven Startups haben hier ein Problem. Sie starten mit der Technologie an sich, und nicht mit einer kundenorientierten Lösung (sprich: einem marktfähigen Produkt).

Der Einsatz von Technologie braucht aber einen fachkundig kalkulierten Business Case. Denn sich im Nachhinein überlegen zu müssen, für welches Problem man gerade eine Lösung gebaut hat, kann nicht nur für Startups sehr teuer werden.

Nun aber richtig!

Genug der Lästerei – wie macht man es denn besser? „Get **it done“ in der Digitalen Transformation – wie geht das?

Der Nebel lichtet sich recht schnell, wenn man zur Abwechslung beim Kunden anfängt.

Dreieck der Digitalisierung und digitalen Transformation

1. Digitale Transformation beginnt damit, das Geschäft vom Kunden aus neu zu definieren.

Als Unternehmer müssen wir uns folgendes überlegen:

  • Wie hilft Technologie den Kunden heute oder in naher Zukunft, Dinge personalisiert und damit besser zu bekommen, als es mein altes Standard-Angebot erlaubt?
  • Wo brechen Wertschöpfungsketten durch Startups oder andere Konkurrenten auf, die sich einen Teil des Kuchens schnappen wollen?
  • Was sind die USPs der Zukunft, die für den Kunden einen Unterschied machen und seine Kaufentscheidung bestimmen werden?

Diese und weitere Überlegungen führen uns dazu, dass wir den Unternehmenszweck neu definieren, oder zumindest justieren müssen.

Der klare Unternehmenszweck ist von grosser praktischer Relevanz. Es geht in diesem Fall nicht etwa um eine Vision (idealisierter Zielzustand), sondern um die Mission: Was genau bieten wir, um unsere Kunden zu begeistern?

Der Knackpunkt:

Davon, was wir den Kunden liefern bzw. bieten wollen, leiten wir alles weitere ab. Organisation und Technologie sind schliesslich kein Selbstzweck. Sind sind auch keine zu optimierenden Silos. Tatsächlich dienen sie einzig und allein dazu, die Mission des Unternehmens effizient zu ermöglichen. Leider wird diese Erkenntnis vor lauter Spezialisierung und Expertentum leider oft vergessen.

2. New Work und Agilität sind das Ergebnis …

… einer a) am Kunden und b) auf Produktivität von innovativer Arbeit ausgerichteten Organisation.

Niemand kommt auf die Idee, Homeoffice für Airline-Piloten einzuführen – weil es offensichtlich keinen Sinn macht.

Die meisten Diskussionen über Homeoffice finden aber auf genau diesem Niveau statt: Jeder hat eine Meinung dazu, aber keiner fragt, was eigentlich für Arbeit zu tun ist. Zu klären wäre eigentlich, ob die geänderte Kommunikation und Teaminteraktion relevant oder egal, nützlich oder schädlich für die Produktivitätist.

Ähnlich ist es mit (agilen) Prozessen. Ein effizienter Prozess hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt davon, was der Prozess eigentlich hervorbringen soll. Ein weiterer Faktor ist z.B. der angepeilte Innovationsgrad. Die Entwicklung von kleinen Erweiterungen ist etwas grundlegend anderes als die von etwas noch nie Dagewesenem. Wenn das Ziel mehr Innovationskraft und Produktivität ist, dann kommen wir als Unternehmer nicht umhin, die Wertschöpfung im eigenen Unternehmen genau zu verstehen, und fachkundig zu gestalten. Das ist eine neue, und fortlaufende Verantwortung.

Wir müssen verstehen, wie unsere Leute in unserer Umgebung für unsere Ziele am besten produktiv zusammenarbeiten, und das kontinuierlich optimieren. Nur dann haben wir eine Chance, auf Dauer besser als die Konkurrenz zu sein. Keine Sorge: Bei den Blaupausen Ideen zu klauen ist gut, es steckt durchaus nützliches Wissen darin. Aber der Kontext entscheidet. Die Umsetzung wird am eigenen Kunden ausgerichtet und gemessen, nicht an einem generischen Soll. Das erfordert Führung, keine Berater.

Und noch ein Wort zu Innovation: Auch wenn sie nicht exakt planbar ist und Unschärfe mit sich bringt – Innovation ist führbar, und muss geführt werden. Innovation ist mehr als eine initiale, im Homeoffice vom Himmel gefallene Idee. Innovation gibt es erst, wenn eine Idee erfolgreich umgesetzt wird. Dafür braucht es über einen langen Zeitraum unzählige grosse und kleine Entscheidungen und Ergebnisse. Das erreichen Menschen, die produktiv zusammenarbeiten. Genau dafür muss ein individueller Rahmen geschaffen werden.

3. Technologie ist nicht nur für Ingenieure

Auch wenn das Thema für viele fremd ist, und man es noch so gerne delegieren möchte: Technologie tangiert heute alle Bereiche des Business. Sie spielt damit eine so wichtige Rolle, dass man sich auch auf Geschäftsleitungsebene mit ihr auseinandersetzen muss.

Einerseits kann Technologie ein Gebrauchsgegenstand sein. Dann gilt es, die Kosten zu optimieren. Die Konkurrenz tut es auch. In anderen Fällen ist Technologie aber auch ein Enabler oder Differenzierungsmerkmal. Dann ist es umso kritischer fürs Business, die richtigen Entscheidungen zu treffen. 

Man darf nie vergessen: Technologie bringt a) Kosten und b) Risiken mit sich. Es gibt immer alternative Lösungen, die unterschiedliche Ausprägungen von Kosten bzw. Risiken haben.

Kostenfaktoren sind dabei nicht nur Ausgaben für Tools und benötige Mitarbeiter, sondern auch die investierte Zeit, bis eine Lösung läuft. Die Risiken reichen von „kriegen wir es überhaupt hin“ bis „es läuft, aber eigentlich müssen wir es gerade nochmal neu bauen“. Risiken und totale Kosten müssen daher frühzeitig im Entscheidungsprozess kalkuliert, und die Lösung danach ausgesucht werden. Dies muss fachübergreifend und unter kundiger Führung geschehen.

Ebenso ist das Sourcing (lokales Team vs. Near-/Offshoring) keine Frage des Stundensatzes. Der ist lediglich einer der Faktoren in der Gleichung.

Fassen wir zusammen

Digitale Transformation ist kein Projekt, das man abschliesst, bevor man wieder zur Tagesordnung zurückkehrt. Es geht auch nicht darum, ein paar Zutaten zusammenzumixen, und auf ein Wunder zu warten. In der digitalisierten Welt zu bestehen ist eine fortlaufende unternehmerische Aufgabe, die neu Kenntnis über Themen von Technologie bis Organisationsentwicklung erfordert.

Das ideale Ergebnis ist ein Unternehmen, das sich künftig selbst weiterentwickelt: Fortlaufende Evolution statt einmalige Transformation.

Die initiale Veränderung, die für viele nun ansteht, besteht aus

  1. der Ausrichtung des Unternehmens auf sich änderndes Kundenverhalten
  2. einer aus den Wertschöpfungsketten abgeleiteten Organisationsstruktur, die insbesondere Erkenntnisse zur Produktivität innovativer Arbeit berücksichtigt
  3. intelligentem Einsatz von Technologie als Teil von Business Cases

Darüber zu sprechen – auch mit fachkundiger Unterstützung – ist ein guter erster Schritt. Das schafft zum einen Klarheit und stellt zum anderen die Weichen darauf, echte Wirkung zu erzielen.

Klarheit und Wirkung – das ist  «Get **it done!» in der digitalen Welt.

Steffen kennt die Digitalisierung von beiden Seiten - als IT-Executive bei etablierten Unternehmen, und als CTO bei verschiedenen Fintech-Startups. Er hat gelernt, wie man luftige Ideen konkretisiert, komplexe Vorhaben umsetzt und hoch performante Teams kreiert. Heute berät er Unternehmen als Sparring Partner für Strategie, Technologie und Organisation beim Verkürzen der digitalen Lernkurve.

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