Was ist ein digitales Mindset? 6 Dimensionen, die ein digitales Mindset definieren

Was hinter dem Buzzword "digitales Mindset" steckt

Der Begriff „digitales Mindset“ (oder: Digital Mindset) ist seit einigen Jahren nicht mehr aus Beiträgen in Social Media Netzwerken und aus der Business Literatur wegzudenken. Doch was steckt eigentlich dahinter und warum ist digitales Mindset überhaupt wichtig?

„Es reicht nicht mehr aus, sich auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Auch die Arbeits- und Denkweise ist zu verändern. Die Digitalisierung bietet neue Spielregeln und Möglichkeiten. Wer das neue Umfeld versteht, gewinnt das Rennen.“

Dies sagte kürzlich Nick Jue, CEO von ING Deutschland in einem Interview. Mit diesem Statement aus der Praxis unterstreicht er, was seit längerem schon in vielen Artikeln betont wird: Für die digitale Transformation ist eine reine Konzentration auf neue Technologie und das Erlernen von neuen technologischen Fähigkeiten (sog. Hard Skills) nicht mehr ausreichend, sondern es kommt primär auf die Denkweise, das ein sog. digitales Mindset an.

Da der Begriff „Mindset“ keine passgenaue Übersetzung in die deutsche Sprache hat, wird der Begriff häufig sehr unterschiedlich verwendet und interpretiert. Von daher kann die folgende Erklärung als Leitplanke dienen, um den Begriff „Mindset“ besser zu verstehen:

Ein Mindset bezeichnet langfristig veränderbare Persönlichkeitseigenschaften und liegt somit zwischen Haltung und unveränderlichen Persönlichkeitseigenschaften. Mindset ist keine Haltung zu einem bestimmten Thema (z.B. Digitalisierung), da sich die Haltung sehr schnell ändern kann. So kann man z.B. eine positive Haltung zu Kaffee am Morgen haben (Lust auf einen Kaffee, um in den Tag zu starten) und zu Mitternacht eine negative Haltung zu Kaffee haben (Ablehnung, da man noch schlafen möchte). Somit hat sich die Haltung gegenüber Kaffee nur aufgrund einer einzigen Änderung der Umweltbedingungen (in diesem Fall die Änderung der Uhrzeit) verändert. Mindset verändert sich jedoch nicht so schnell. Gleichzeitig ist Mindset keine Persönlichkeitseigenschaft, die unveränderbar ist. Denn Mindset kann langfristig entwickelt und verändert werden, jedoch nur durch ein nachhaltiges und kontinuierliches Entwickeln/Lernen. Somit ist Mindset bildlich gesprochen in der Sandwich Position zwischen Haltung und unveränderlichen Persönlichkeitseigenschaften und kann näherungsweise mit „Mentalität“ übersetzt werden.

Müssen nun alle programmieren? Was „Digital“ mit Mindset zu tun hat

In der aktuellen Diskussion rund um digitale Transformation wird sehr häufig nicht nur von Mindset, sondern vom „Digital Mindset“ oder „digitales Mindset“ gesprochen. Bedeutet dies nun, dass alle programmieren können müssen, um in der Transformation erfolgreich bestehen zu können. Definitiv nein. Nutzen wir die näherungsweise Übersetzung „Mentalität“ wieder und verknüpfen diese mit „digital“, so entsteht der Begriff „digitale Mentalität“. Hierbei geht es nicht um digitale Skills, wie zum Beispiel Programmiersprachen oder Software Kenntnisse, sondern vielmehr um die Ausprägung der Persönlichkeit in erfolgskritischen Dimensionen für die digitale Transformation. Diese Dimensionen sind somit Persönlichkeitseigenschaften, die selbstverständlich auch schon vor der Digitalisierung existierten, nun jedoch in einer anderen Ausprägung relevant sind. Diese Persönlichkeitseigenschaften bzw. Verhaltensdispositionen sind nicht direkt beobachtbar und strukturieren das Denken, Fühlen und Handeln in sozialen und instrumentellen Handlungskontexten der digitalen Transformation. Jedoch sind diese Persönlichkeitseigenschaften (das digitale Mindset) nicht der einzige Einfluss auf das Verhalten in der digitalen Transformation, sondern werden von Umweltbedingungen (z.B. organisationale Rahmenbedingungen) beeinflusst und zum Teil bewusst moderiert (z.B. durch Lernerfahrungen). Somit kann festgehalten werden, dass digitales Mindset Persönlichkeitseigenschaften zusammenfasst, die relevant für die digitale Transformation sind und langfristig veränderbar sind.

Digitales Mindset – Wissenschaftliche Definition

Die nachfolgende Definition nähert sich dem Begriff des digitalen Mindsets wissenschaftlich:

„Als digitales Mindset können solche Persönlichkeitsmerkmale bzw. Verhaltensdispositionen zusammengefasst werden, die nicht direkt beobachtbar sind und das Denken, Fühlen und Handeln in sozialen und instrumentellen Handlungskontexten der digitalen Transformation bedeutsam strukturieren und kanalisieren. Die Ausprägung von Persönlichkeitsdispositionen bewirkt keine absolute, aber wahrscheinliche Verhaltensbereitschaft, die durch äußere Umweltfaktoren, wie Rahmenbedingungen, oder neuen Lernerfahrungen moderiert werden können.

Mit Blick auf die Erfordernisse der digitalen Transformation können sechs erfolgskritische Persönlichkeitsdispositionen herausgearbeitet werden, die insbesondere im berufsbezogenen Kontext ein digitales Mindset beschreiben:

  • Offenheit und Agilität
  • Proaktivität
  • Kreativität und Gestaltungsmotivation
  • Kundenzentriertheit
  • Kritikfähigkeit
  • Offener Umgang mit Scheitern“

(Bredendiek/Knorr, Mai 2020, via dci.digital)

Die sechs Dimensionen des digitalen Mindsets

In einer groß angelegten wissenschaftlichen Studie, die seit November 2017 im DACH Raum läuft, wurden insgesamt sechs Dimensionen des digitalen Mindsets identifiziert. Diese Dimensionen sind allesamt bipolar ausgeprägt, d.h. dass es in jeder Dimension einen Pol und einen Gegenpol gibt (z.B. Offenheit und Agilität vs. Beharrlichkeit). Denn Persönlichkeitseigenschaften sind viel zu komplex und umfangreich, um eine Unterscheidung in vorhanden (in diesem Beispiel „agil“) und nicht vorhanden (in diesem Beispiel „nicht agil“) vorzunehmen. Denn es gibt nicht nur schwarz/weiß in unserer Persönlichkeit, sondern unzählige Graustufen. Durch den jeweiligen Gegenpol werden viele Graustufen möglich, die die Persönlichkeit somit genauer abbilden.

Nachfolgend sind die sechs Dimensionen des digitalen Mindsets mit einer kurzen Erklärung zu finden:

  • Offenheit und Agilität vs. Beharrlichkeit: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, wie sich Menschen verhalten, wenn sie mit neuen oder ungewohnten digitalen Entwicklungsmöglichkeiten konfrontiert werden.
  • Proaktivität und unternehmerische Handlungsorientierung vs. Reaktivität und Lageorientierung: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, in welchem Ausmaß Menschen motiviert sind, die Unternehmung mit Blick auf den Gesamtkontext der Organisation proaktiv voranzutreiben.
  • Kreativität und Gestaltungsmotivation vs. Prozesstreue: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, inwieweit Menschen in der Lage sind, sinnvolle Neuerungen zu schaffen und zu initiiereen.
  • Kundenzentriertheit vs. Aufgaben- und Organisationszentriertheit: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, inwieweit die Kundensicht bei der Findung einere neuen Lösung integriert wird.
  • Kritikfähigkeit vs. Harmonieorientierung: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, inwieweit Menschen eigenes und fremdes Handeln kritisch betrachten können, um konstruktiv Optimierungen zu initiieren.
  • Offener Umgang mit Scheitern vs. Vermeidung von Misserfolg: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, inwieweit Menschen bereit sind mit Misserfolg und Scheitern offen umzugehen.

Es gibt nicht das eine richtige digitale Mindset, sondern es gibt unterschiedliche Ausprägungen des digitalen Mindsets, die allesamt Stärken und Werte haben und die in unterschiedlichen Organisationen und Rollen unterschiedlich stark benötigt werden.

Ökonomische Potentiale des digitalen Mindsets

Digitales Mindset ist nicht nur ein „nice to have“ in der digitalen Transformation, sondern das Fundament für eine nachhaltig erfolgreiche digitale Transformation. In einer Metastudie wurden im Sommer 2020 die ökonomischen und unternehmerischen Potentiale der einzelnen Dimensionen des digitalen Mindsets untersucht und die Ergebnisse waren eindeutig:

So hat zum Beispiel die Digitales-Mindset-Dimension Proaktivität & unternehmerische Handlungsorientierung 6,8 Mrd. € Wertschöpfungspotential für den deutschen Mittelstand in 8 Jahren. Zudem hat allein diese Dimension das Potential den Unternehmenserfolg um bis zu 12,5% zu steigern.

Doch auch Faktoren wie Arbeitszufriedenheit werden durch die Dimensionen des digitalen Mindsets positiv beeinflusst. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die Mindset-Dimensionen Kreativität & Gestaltungsmotivation und Offener Umgang mit Scheitern die Arbeitszufriedenheit um 20% steigern kann.

Diese Zahlen zeigen eindeutig, dass digitales Mindset ein ökonomisch wichtiger Einflussfaktor für eine erfolgreiche digitale Transformation ist. Nick Jue wird bei seinem Statement aus der Praxis der digitalen Transformation somit auch wissenschaftlich unterstützt und belegt.

Mit dem Fokus auf dem digitalen Mindset begleitet Julian Knorr Unternehmen im Rahmen zukunftsgerichteter Organisations- und Personalentwicklung und innovativer Recruiting Lösungen. Mit dem Digital Competence Indicator (DCI) entwickelte er mit seinem Unternehmen hierfür ein wichtiges Tool, um das digitale Mindset der Mitarbeiter messbar zu machen. Er ist Gründer & Vorstand der ONESTOPTRANSFORMATION AG und Gründer & Geschäftsführer der Agile Kitchen GmbH. Zudem ist er Keynote Speaker und Business School Dozent.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish. Accept Read More