Transformation Map zu einem neuen, offenen Mindset

Oder: Was haben eigentlich Mucki-Buden mit Organisationsentwicklung zu tun?

Warum brauchen wir ein neues, offenes Mindset? – Wir leben in einer VUCA-Welt, die volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig ist. Die digitale Transformation beschleunigt Innovationszyklen und verändert Innovationsprozesse. Plattform-Ökonomien, Netzwerke und Innovations-Ökosysteme gewinnen an Bedeutung. Neue Innovationsfelder wie vernetzte Mobilität, nachhaltige Energieversorgung oder digitale Gesundheit sind eng mit globalen Herausforderungen und den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDGs) verknüpft und fordern radikal neue Lösungen.

Wie kann ein Mindset-Wandel gelingen?

In unserer Arbeit erleben wir immer wieder, dass innovative Ansätze und Open Practices auf dem Papier toll klingen, in der Praxis aber oft am Mindset, der inneren Haltung von Beteiligten und an der Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit scheitern.

Nun ist es mit der Haltung so eine Sache: Entschließe ich mich dazu eine bestimmte Haltung zu haben? Ja. Manchmal.  Wird meine Haltung bereits von Kindesbeinen an geprägt? Ja. Immer!  Hab ich während meiner Bildungssozialisation gelernt, dass es gut ist, meine Ergebnisse zu teilen, zu kollaborieren und offen zu sein? Selten. Wir erinnern uns sicherlich alle, wie bei Tests die Mäppchen aufgestellt und die Tische auseinandergezogen wurden, damit man ja nicht abschreibt, statt gemeinsam eine umfassende Problemanalyse zu machen, mögliche Lösungen zu diskutieren und informierte Bewertungen vorzunehmen. Werden in der Arbeitswelt meistens Ziele und Ergebnisse honoriert anstatt Prozesse oder Haltungen? Meistens.

Es ist also relativ schwierig, eine neue Haltung etablieren zu wollen, die Offenheit, Kollaboration und Innovation fördert, wenn so vieles aus der individuellen und organisationalen Vergangenheit eine andere Prägung hinterlassen hat und Strukturen und Metriken Offenheit und Innovation nicht wirklich fördern. Da Unternehmen aus Menschen bestehen und Menschen keine Maschinen sind, reicht nicht nur einfach ein neues Software-Update. Was also tun, wenn es darum geht neue, offene und innovationsfördernde Arbeits- und Organisationsformen zu etablieren, um den komplexen, gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen?

Wir beobachten in unserer Arbeit häufig, dass Organisationen neue Prinzipien formulieren und diese als Werte kommunizieren. Wer kennt es nicht, Sprüche wie „Wir sind jetzt selbstorganisiert“ oder „Wir arbeiten über die Abteilungen hinweg kollaborativ“. Sie werden auf Post-it Notes gedruckt und unter den Mitarbeitenden sowie auf jedem Schreibtisch im Unternehmen verteilt – und bewirken in der Regel so gut wie nichts (aber immerhin sind sie praktisch für Kreativitätsübungen). Doch wie geht es dann?

Neue Arbeitsformen und Prozesse, also organisationsentwicklerische Maßnahmen sind wichtig, um „Öffnung“, „Kreativität“, „Agilität“ und „Innovation“ zu fördern. Auf den „New Work“-Zug springen wir also gerne mit auf. Wenn wir aber der Bedeutung der individuellen Haltungen bzw. Prägungen der Mitarbeitenden keine Beachtung schenken, dann fährt dieser Zug ggf. in die falsche Richtung oder sogar ohne die Mitarbeitenden ab. Beide Seiten, Organisation und Person müssen gleichermaßen in die Aufmerksamkeit rücken. Hier ein Versuch…

Verhalten wird durch Strukturen und Prozesse begünstigt oder gehemmt

Um gewohntes Verhalten zu ändern und „Kollaboration” über die Abteilungen und im besten Falle auch über die Unternehmensgrenzen hinweg in die DNA des Unternehmens zu überführen, bedarf es Strukturen und Prozesse, die dieses Verhalten fördern. Das lässt sich am besten verändern durch die Organisationsstruktur in der gearbeitet wird. Groß gedacht können wird das intern durch neue Organisationsformen erreichen, in denen Mitarbeitende statt in festen Abteilungen in „Swarms“ oder „Squads“ arbeiten, zum Beispiel bei Organisationen wie Spotify. Mehr Kollaboration kann aber auch durch die Förderung von agilen Arbeitsweisen unterstützt werden oder durch stärker punktuelle Formate wie „Working Out Loud“, oder „Lean in Circle“. Kleiner gedacht, lässt sich aber auch bereits an Meeting-Routinen ansetzen, die beispielsweise bereichsübergreifend organisiert werden. Extern helfen Formate wie “Crowdsourcing”, “Open Source” und “Co-Creation”, die Offenheit in gezielte Bahnen lenken.

Verhalten wir durch Anreize mitbestimmt

Neue Verhaltensweisen werden einfacher verinnerlicht, wenn sie auch belohnt werden. Daher ist ein passendes und zielgerichtetes Anreizsystem essenziell. Wenn zum Beispiel die Unterstützung von anderen Bereichen, das Herausgeben von Wissen und der Austausch zu relevanten Problemstellungen mit anderen Abteilungen belohnt und individuelles Profilieren gerügt wird, etablieren sich neue Gewohnheiten. Das kann über positives Feedback, das Gewähren von Zeitbudgets oder auch durch ein Bonussystem passieren. Wenn das nicht der Fall ist, ändert sich auch durch „Working out Loud“ und andere Vorgehen leider nicht viel.

Verhalten wird durch Haltungen und Prägungen bestimmt…

… und dem wird unserer Meinung nach viel zu wenig Bedeutung beigemessen. Ein simplifiziertes Beispiel: Alle Mitarbeitenden sollen künftig ihre Arbeit nach „offenen“ Prinzipien gestalten. Erfahrungen, Erkenntnisse, Ergebnisse und Ideen allen Kolleg*innen zugänglich machen und zwar in allen Phasen eines Projektes. Wenn wir in unserer (frühen) Sozialisation bestimmte Glaubenssätze verinnerlicht haben, wie zum Beispiel “das, was ich mache, ist nicht gut genug” oder “Fehler machen wird bestraft”, dann werden wir uns mit offenen Prinzipien sehr schwertun,  vielleicht sogar blockieren. Selbst wenn wir diese rational betrachtet sinnvoll finden. Dieser Widerspruch erzeugt in uns eine Unstimmigkeit, eine Art kognitive Dissonanz. Das Handeln steht im Widerspruch zu unseren Überzeugungen. Im schlimmsten Fall ist unser (positives) Selbstbild bedroht. Kein besonders reizvolles Arbeitsumfeld…

Der Mensch strebt allerdings nach Balance und will diese Dissonanzen auflösen. Dafür gibt es mehrere Wege. Eine Möglichkeit: Das Leugnen, Abwerten oder Nichtwahrnehmen der Sinnhaftigkeit der angestrebten Veränderung. Wir rechtfertigen also lieber den alten, bekannten Weg und müssen unsere Haltung nicht ändern. Veränderung gescheitert.

Oder aber wir werden uns unseren blockierenden Glaubenssätzen und deren Herkunft bewusst, versuchen sie aufzulösen und kommen dadurch in volle Gestaltungskraft. Im besten Fall ist solch eine Dissonanz eine Motivation für diese Selbsterforschung und Veränderung.

Also, neue Prozesse und Arbeitsformen? Ja. Aber vielleicht eher iterativ, gecoacht, mit Wertschätzung der Persönlichkeiten, welche die Veränderung tragen sollen und sich bei einer strategischen Öffnung ebenfalls zu einem open Mindset öffnen müssen. Salamitaktik statt Vorschlaghammer.

Und was machen wir daraus?

Der wichtigste Gedanke zum Schluss: Wer eine Mindset-Veränderung möchte, muss bei sich selbst anfangen, und das ist bekanntlich am schwersten. Zugegebenermaßen erzeugt es zuerst auch ein Zähneknirschen, persönliche Prägungen und deren Bearbeitung in das Arbeitsumfeld “einzuladen”. Aber wir verbringen einen großen Teil unserer Zeit mit Arbeit. Wäre es nicht schön, wenn wir all den Veränderungen dort mit innerer Balance und Offenheit begegnen könnten?

Es gilt also sich die gewünschte Veränderung bewusst zu machen, sich seiner eigenen Prägungen bewusst zu werden und Schritt für Schritt neue Verhaltensmuster einzustudieren. Das gelingt nicht über Nacht, sondern nur durch kontinuierliche Achtsamkeit und Trainieren des neuen Muskels.

Also rein in die Mucki-Bude und trainieren.

Autorinnen: Wiebke Hoffmann und Marte Sybil Kessler, innoSci Forum offene Innovationskultur

Wiebke Hoffmann und Marte Sybil Kessler leiten einen Workshop und sprechen über ihr Thema bei  Mission M 2020, dem Kongress für junge Macher_innen im Mittelstand.

Mission M ist ein Veranstaltungskozept, welches sich an mittelständische Unternehmen richtet. Mission M dient als Plattform für Führungskräfte von heute und morgen, die Verantwortung übernehmen und Veränderungen im Unternehmen antreiben möchten. Im Fokus steht die Frage, wie Innovationen in Leadership, Zusammenarbeit, Arbeitsstrukturen, Technologien und strategischer Ausrichtung sie dabei unterstützen können und auf welche Weise diese Innovationen erfolgreich umzusetzen sind. 2020 wird der Kongress als Hybrid-Event durchgeführt. Nächster Termin ist der 3. und 4. November 2020, Veranstalter ist die Baden-Württemberg Stiftung.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish. Accept Read More