Mittelstandsfinanzierung im digitalen Zeitalter

Moderne Finanzierungsformen für KMUs und Mittelstand

Neben den traditionellen Banken finden FinTechs ihre Nischen im Finanzierungsmarkt für KMUs und Mittelstand. Mit schlanken und transparenten Prozessen wickeln sie Standardgeschäfte schneller und kostengünstiger ab als die großen Kreditinstitute. Ob kurzfristiger Kleinkredit, Investitionskredit oder Forderungsverkauf – für jede Herausforderung gibt es eine Online-Alternative zur Hausbank.

Traditionelle Banken verstehen oft unter Digitalisierung gerade mal das Angebot für Online Banking. Das entpuppt sich dann als reines Frontend mit all den Standardprozessen eines „Thekengeschäfts“. Im Rahmen von Finanzierungen im B2B-Geschäft gehört dazu ein ausführlicher Kreditantrag mit aktueller BWA (betriebswirtschaftlicher Auswertung), die letzten Jahresabschlüsse, eine aktuelle Wirtschaftsauskunft mit Bonitätsrating und, abhängig von der Rechtsform, persönliche Bürgschaften oder Patronatserklärungen. Die Bank prüft den Antrag, entscheidet dann ob dem Antrag so entsprochen werden kann oder ob noch zusätzliche Auflagen nötig sind. Das hört sich nicht nur aufwendig und langwierig an, sondern ist es auch.

FinTechs denken anders

Die Startups im Finanzbereich haben da weitaus bessere Voraussetzungen, da sie keine alten Systeme mitschleppen und Prozesse ganz neu denken und aufsetzen können. Der Kunde steht im Zentrum der Dienstleistung und nicht der Prozess dem der Kunde sich nun mal fügen muss wenn er an sein Geld kommen will. Was erwartet der moderne Kunde von seinem Dienstleister im 21. Jahrhundert? Unkomplizierte und transparente Prozesse die schnell zu einem Ergebnis kommen.

Ob es dabei um die Beantragung eines Kredits oder um den Bestellvorgang eines Kleidungsstücks handelt ist zunächst nebensächlich und werden gleich beurteilt. Bei beiden Vorgängen hat der Kunde einen Bedarf (Geld / Kleidung) und muss etwas von sich preisgeben, damit das Ergebnis passt (Bonität / Konfektionsgröße). Hier findet sich dann auch schon eine weitere Gemeinsamkeit: Solange mein Bedarf und meine Bonität dem Standard entspricht (Konfektion) benötige ich keine Ausnahmeregelung (maßgeschneidert). Also können für einen bestimmt definierten Bedarf die Prozesse standardisiert werden.

Da die FinTechs ja komplett auf Neukunden ausgerichtet sind, können sie nicht auf historische Erfahrung zurückgreifen, wie z.B. die Hausbank des Kunden. Also müssen Instrumente gefunden werden um die Bonität für den Kunden zu ermitteln – und das unkompliziert und schnell. Man könnte sich auf Wirtschaftsauskünfte verlassen die auch bei Verbraucherkrediten genutzt werden und bei einem Dienstleister online einen Score abfragen. Das ist aber ein intransparenter Prozess eines Drittanbieters, der die Formel des Scores nicht preisgibt und Änderungen der Verhältnisse sind nur mit Zeitverzug verfügbar. Die Lösung für die Bonitätsdaten ist das Zahlungsverhalten und die Liquidität. Über eine Schnittstelle wird das Geschäftskonto verbunden und in sekundenschnelle die Kontobewegungen der letzten 12 Monate gelesen und analysiert. Daraus ergibt sich ein Bild über die Umsätze und die Liquidität des Unternehmens. Näher dran am Geschehen geht nicht.

Für jeden Bedarf den richtigen Anbieter

Im Gegensatz zu traditionellen Banken, die alles aus einer Hand anbieten wollen, sind FinTechs Spezialisten. Für eine bestimmte Herausforderung wollen sie die beste Lösung anbieten.

Ist der Finanzbedarf eher kurzfristig (max. 12 Monate Laufzeit) und das Volumen bis 100.000 Euro ausreichend, können die beschriebenen Standardprozesse Anwendung finden und zwischen Kreditanfrage und Überweisung aufs Konto liegen nur 24 Stunden. Auch die Frage nach den Kosten kann standardisiert werden: 2% / Monat abgerechnet taggenau nach Inanspruchnahme. Das kann jeder auf einem Blatt Papier nachrechnen und ist maximal transparent.

Geht es um Investitionen mit höheren Volumen von 100.000 Euro bis 5 Millionen Euro über eine Laufzeit von bis zu 5 Jahren, müssen die Standardprozesse erweitert werden, um das höhere Risiko zu berücksichtigen. Hier kommen Hybridformen zum Einsatz die neben der automatisierten Beurteilung noch einen manuellen Prozess als Expertenmeinung hinzufügt. Auch hier soll die Entscheidung innerhalb von 24 Stunden verfügbar sein. Der Clou ist jedoch die Refinanzierung für den Kredit, welches in einer Art Crowdfunding stattfindet und das Risiko auf viele Investoren verteilt. Eine Win-Win Situation für den Kreditnehmer, der eine schnelle Entscheidung bekommt und den Kreditgeber in der Form von Investoren, die eine höhere Rendite erzielen als bei anderen Geldanlagen.

Vielen KMUs blieb wegen der geringen Volumina der Forderungsverkauf, Factoring, verwehrt. Auch in diesem Bereich erobern FinTechs neues Terrain und bieten mit standardisierten Prozessen blitzschnelle Entscheidungen und schnelle Auszahlung der angekauften Rechnungen. Dabei gibt es Anbieter die nur auf die schnelle Verfügbarkeit der Liquidität spezialisiert sind und keine Ausfälle abdecken und andere, die das volle Debitorenmanagement übernehmen, mahnen und vollstrecken. Gemein haben alle die volle Kontrolle durch Onlineverfügbarkeit über alle mobilen Plattformen.

Keine Angst vor Kollege Computer

Neben all der Automatisierung und Optimierung durch KI kommt der Mensch nicht zu kurz. Die Anbieter legen größten Wert auf Kundenzufriedenheit und lassen den Anwender nicht alleine mit seinen Fragen vor dem Computer sitzen. Vom Livechat bis zur Helpline sind immer persönliche Ansprechpartner verfügbar. Die Identitätsprüfung wird über Skype erledigt so dass einem auch der Weg zum PostIdent-Verfahren in eine Poststelle erspart bleibt.

Da der Finanzmarkt stark reguliert und durch die BaFin überwacht wird, sind alle Anbieter gleichermaßen an die Auflagen der Behörde gebunden und haben lediglich durch die schlanke Abwicklung einen Vorteil gegenüber den etablierten Wettbewerbern. Diese arrangieren sich aber teilweise mit der neuen Konkurrenz und gehen Partnerschaften ein um das für Sie brachliegende Potenzial doch noch in dieser Form für sich zu gewinnen.

Es lohnt sich also durchaus mal neben dem bekannten Kundenberater der Hausbank einen Blick auf die Möglichkeiten der Onlinekonkurrenz zu werfen und neue Finanzierungsquellen zu erschließen.

    Andreas Kassat beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Themen rund ums Rechnungswesen und berät Unternehmen im Risiko-Management zur Optimierung ihrer Liquidität und beschäftigt sich mit Vertriebsthemen. Er ist diplomierter Betriebswirt und geprüfter Bilanzbuchhalter und war über 10 Jahre bei internationalen Leasingunternehmen für IT-Equipment im In- und Ausland beschäftigt. Als kaufmännischer Geschäftsführer leitete er 2 große Märkte einer Elektronikmarktkette und befasst sich nun mit Digitalisierung und Big Data.

    Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

    This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish. Accept Read More