Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesens – Treiber der Digitalisierung?

Lehren aus der Pandemie und wie KI dabei helfen kann das Gesundheitswesen besser aufzustellen

Die Corona Pandemie hat unser Verhalten verändert. Bisher weniger oft eingesetzte Technologien konnten davon profitieren und das Leben von Menschen im Lockdown positiv beeinflussen. In diesem Beitrag zeigen die beiden Autoren auf, wie der sinnvolle Einsatz Künstlicher Intelligenz das Gesundheitswesen als Ganzes in Richtung Digitalisierung treiben kann. KI wird in Zukunft selbstständig forschen, analysieren und Entscheidungsvorlagen für Politiker, Manager, Wissenschaftler und Mediziner bereitstellen.

Im Kampf gegen das Virus hat Deutschland bekanntlich auf den Lockdown gesetzt – andere Länder wie Taiwan, Singapur oder Südkorea haben mit beachtlichem Erfolg moderne Technologien zur Nachverfolgung von Kontakten, Bewegungsmustern sowie Warn-Apps genutzt, um die COVID-19-Erreger aufzuspüren. Und das, obwohl in den dichtbesiedelten Regionen in Taiwan oder in Südkorea viel mehr Menschen auf engem Raum zusammenkommen als hierzulande.

Eine wichtige Erkenntnis für künftige Pandemien lautet: Wir wissen noch zu wenig darüber, wie sich Menschen in ihrem Alltag fortbewegen. Damit sich das ändert, ist künstliche Intelligenz (KI) unabdingbar. Denn Bewegungsströme lassen sich mit Hilfe von KI prinzipiell steuern. Schon jetzt gibt es Start-Ups, die Bewegungsströme perfekt analysieren – und Städten, Unternehmen oder Veranstaltern helfen, ihre Besucher, Kunden oder Passanten dorthin zu lenken, wo sie hinsollen, also zum Verkaufsstand etwa, nicht aber zum Ausgang.

Durch KI lassen sich Kameradaten auswerten, es lässt sich in Echtzeit erkennen, wie viele Radfahrer und Fußgänger an einer Ampel warten oder eine Kreuzung passieren, wie viele Menschen an Haltestellen stehen, in Busse und Bahnen einsteigen und wann sie umsteigen. Dabei werden Fotos nicht zwingend gespeichert, alle Daten können auch datenschutzkonform in Kameras verarbeitet werden.

KI unterstützt Politiker im Entscheidungsprozess

Diese Daten helfen Unternehmen und Kommunen, ihren Service zu verbessern – so können Städte perspektivisch zu digital gesteuerten Smart Citys werden. KI sorgt dafür, Parkplatzbelegungen eines Unternehmens klüger zu steuern. Statt Polizisten oder das Ordnungsamt loszuschicken, weil empörte Anwohner Fotos von Menschenansammlungen in Parks oder auf öffentlichen Plätzen veröffentlichen, kann ein KI-basiertes Warnsystem in Echtzeit auf Menschenansammlungen oder zu geringe Abstände reagieren.

Mit einer solchen Datenbasis hätten politische Entscheider in der Corona-Pandemie den Unternehmen und Menschen viel mehr Freiheiten geben können, zum Beispiel bei der Umsetzung von Abstands- und Hygieneregeln. Künstliche Intelligenz kann gerade auch in Krankenhäusern eingesetzt werden und erkennen, wie sich Besucherströme über das Klinikgelände bewegen oder wie lange sich Menschen in Warteräumen aufhalten. Daraus lassen sich dann Infektionswahrscheinlichkeiten berechnen.

Ob Smart City oder Smart Healthcare: Das Prinzip ist das Gleiche. Datengestützte Analyse ist allemal besser als das Trial-and-Error-Verfahren, das unsere Bundesregierung zum Standard der Pandemiebekämpfung erhob.

Social Distancing und die Einhaltung der Hygiene-Regeln können in den kommenden Jahren als Gestaltungsprinzip bereits mitgedacht werden. Konstruktionen und Prozesse, die im Gesundheitswesen bereits zum Standard gehören, können dabei zum Vorbild für öffentliche Räume werden: Dazu zählen die Installation von geeigneten Lüftungssystemen und die Reduktion von Oberflächen, auf denen sich Keime ansammeln.

Beispiele für den gezielten Einsatz von KI und Big Data, um Pandemien in den Griff zu kriegen:

  • KI kann für die Vorhersage der Virusausbreitung und die Entwicklung von Frühwarnsystemen genutzt werden, indem Informationen aus Social-Media-Plattformen und Nachrichtenseiten extrahiert und nützliche Informationen über zukünftige Ausbrüche in gefährdeten Regionen oder neue potenzielle Cluster als epidemiologische Vorhersage für Fachleuten und Politikern bereitgestellt werden.
  • Intelligente Uhren, Mobiltelefone oder Wearables können zur Diagnose, Kontaktverfolgung und effizienten KI-gestützten Quarantäneüberwachung eingesetzt werden.
  • KI kann die Entwicklung von Impfstoffen, Therapien und Medikamenten unterstützen und Ärzte, Pharmaforscher sowie Wissenschaftler beflügeln, noch schneller Ergebnisse zu erzielen. So ist KI in der Lage, permanent nach Veröffentlichungen zu wichtigen Wissenschaftsthemen suchen. Folglich ist es machbar, eine Situation schneller und fundierter zu bewerten, so dass zum Beispiel durch einen raschen Programmstopp viel Geld gespart werden könnte und schneller auf neue Erkenntnisse zurückgegriffen werden kann.
  • Bei der Vorauswahl von theoretischen Molekülen ist KI ein effektiver Helfer: Forscher sparen sich möglicherweise viele Versuche und können gleich auf einem höheren Level beginnen.

Die Pharmaforschung wird schneller und spart durch KI Kosten

Vor allem in der Pharmaforschung ruhen auf dem Einsatz künstlicher Intelligenz für die Zukunft große Hoffnungen So haben zwei forschende Unternehmen – Sumitomo Dainippon Pharma aus Osaka und Exscientia mit Sitz in Oxford – einen Wirkstoffkandidaten mit Namen DSP-1181 druch KI hervorgebracht, der gegen Zwangsstörungen wirken soll. Die angestrebte Indikation, die in der ersten klinische Phase-I-Studie in Japan erprobt wird, ist die Behandlung von Zwangsstörungen. Psychiatrie und Neurologie gehören zu den Forschungsschwerpunkten des japanischen Partners. Sumitomo Dainippon hat für das Projekt seine Erfahrung und sein Wissen in der Monoamin-GPCR-Wirkstoffforschung zur Verfügung gestellt.

Exscientia hat für das Projekt eine KI-Plattform zur Wirkstoffforschung beigesteuert. Neuartige Substanzen werden von KI-Systemen mit Hilfe von Algorithmen automatisch für die Synthese entworfen und priorisiert. So können Verbindungen mit den gewünschten Kriterien schnell identifiziert werden. Die Explorationsforschungsphase zu DSP-1181 hat weniger als ein Jahr gedauert – das ist weniger als ein Viertel des Durchschnittswertes von 4,5 Jahren, der bei Anwendung herkömmlicher Forschungstechniken erzielt wird.

Ein weiteres Anwendungsszenario von forschenden Pharma-Unternehmen besteht etwa für klinische Studien. Gesundheitsdaten könnten mit Blockchain-Verfahren gesammelt und nur dort weitergegeben werden, wo gewünscht und notwendig. Gleichzeitig können Privatsphäre und besonders sensible Informationen von Patienten noch besser geschützt werden. Das stärkt das Vertrauen von Patienten in die Forschung weiter. Gerade klinische Studien für seltene Erkrankungen, für die nur sehr wenige Teilnehmer in Betracht kommen, könnten davon profitieren. Der Zeitaufwand für die Medikamentenentwicklung ließe sich reduzieren, Patienten könnten schneller von neuen Behandlungsoptionen profitieren.

Interim Manager sind diese fehlenden Experten, und sie werden ihren Beitrag zur Digitalisierung des Gesundheitswesens leisten.

KI im Gesundheitswesen in Deutschland noch in den Kinderschuhen

Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist somit vieles möglich, und Deutschland täte gut daran, mit einer offenen Haltung von erfolgreichen Ländern zu lernen. Estland zum Beispiel gilt als Pionier bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Estnische Bürgerinnen und Bürger verfügen über elektronische Patientenakten, die mit der Blockchain-Technologie abgesichert werden (Blockchain in der Medizin & Gesundheit). Weitere Bereiche wurden dort als Schwerpunkte für den möglichen weiteren Einsatz identifiziert: Telemedizin, personalisierte Medizin oder die Archivierung medizinischer Aufzeichnungen – stets geht es auch um Datensicherheit und Datenintegrität.

Angesichts der Dimension der Herausforderung bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens sollten alle existierenden Player bestmöglich zusammenwirken. Der Einsatz professioneller Interim Manager, der in der Industrie bereits Standard ist, gehört wahrscheinlich dazu und dürfte sich auch in der Pharma-Industrie, in der Medizintechnik und im Klinikwesen in den kommenden Jahren deutlich verstärken – da die Probleme ansonsten gar nicht oder viel zu langsam gelöst werden. Es besteht ein objektiver Mangel an Experten, die aufgrund ihrer vielfältigen Kompetenzen und ihres Erfahrungsschatzes in der Lage sind, die Komplexität neuer KI-Prozesse zu managen.

Komplexität – die größte Innovationshürde im Gesundheitssystem

Medizin 4.0 - Wie digital sind Deutschlands Ärzte
Quelle: Bitkom Research: „Medizin 4.0 – wie digital sind Deutschlands Ärzte?, Achim Berg, Bitkom-Präsident, Februar 2021“

 

Die Autoren:

  • Ralf  H. KOMOR
  • Tasso A. ENZWEILER
    Der promovierte Ökonom mit internationalem MBA-Abschluss (Kellogg/WHU) ist Interim Manager, langjähriger Geschäftsführer und Fachbuch-Autor (Springer Gabler). Enzweiler hat zahlreiche Projekte in der Healthcare-Branche begleitet. Sein Schwerpunkt ist die enge Zusammenarbeit mit der C-Level-Ebene, basierend auf fachlichen Kompetenzen wie Marketing, Sales & Communication. (Webseite)
Diplom-Wirtschaftsingenieur Ralf H. KOMOR, ist Executive Interim Manager auf C-Level, zertifizierter Beirat, Most Trusted Adviser für die Beratung von Familienunternehmen und Springer Autor. Er entwickelt neue Geschäftsmodelle und Vertriebsstrategien für Startups, Scaleups und den Mittelstand und begleitet aktiv Veränderungsprozesse in Menschen und Organisationen.

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