Faire Gehälter im agilen Arbeitskontext

So kann's gehen - Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis

Die gute alte Agilität. Lange bekannt, lange irgendwie verkannt. Doch im Zuge der Digitalisierung gewinnt sie zunehmend an Bedeutung. Mehr und mehr Unternehmen befassen sich mit agilen Arbeitsweisen und -methoden und entfernen sich dafür Schritt für Schritt von klassischen Führungsmodellen. Doch neben allen Vorteilen agiler Arbeitsweisen gehen mit ihnen auch neue Herausforderungen einher. Beispielsweise bei der Gehaltsgestaltung oder der Leistungsbewertung von Mitarbeitern. Ein Beispiel aus der Praxis zeigt einen Weg, diese Herausforderung anzugehen.

Was hat es mit Agilität auf sich?

Einfach ausgedrückt wird unter Agilität die Anpassungsfähigkeit einer Organisation verstanden. Fälschlicherweise führt das allerdings dazu, dass Agilität oder die agile Transformation häufig mit Flexibilität verwechselt oder gleichgesetzt wird. Dabei heißt agil sein bedeutend mehr, als einfach nur flexibel zu sein. Agilität lässt sich vielmehr als die höchste Form der Anpassungsfähigkeit bezeichnen. Agilen Unternehmen wird nachgesagt, sich kontinuierlich an eine komplexe und sich ändernde Umwelt anzupassen, beständig zu lernen und dieses (neue) Wissen allen Stakeholdern innerhalb ihrer Organisation zur Verfügung zu stellen. Sie agieren aus sich heraus agil, ohne notwendigerweise einen Trigger von außerhalb für ihre Entwicklung zu benötigen. Damit weisen sie unter anderem ein Merkmal einer lernenden Organisation auf.

Insbesondere für Unternehmen, in denen schnelles Agieren und Reagieren notwendig ist, oder komplexe Fragestellungen mit großen Lösungsräumen beantwortet werden müssen, sind agile Strukturen und Prozesse eine Lösung. Herrscht im Umfeld ein disruptiver Wandel, ein Paradigmenwechsel, in dem bestehende Produkte oder Technologien und Lösungsansätze hinterfragt oder verdrängt werden, kann Agilität zum entscheidenden Faktor für das Überleben eines Unternehmens sein.

Aus der Praxis: Die agile Transformation bei LINK Mobility

Immer mehr Unternehmen befassen sich aufgrund genannter Vorteile mit Agilität innerhalb ihrer Organisation – nicht nur im Bereich der Softwareentwicklung. So auch die deutsche Tochter der LINK Mobility Group. Rund 30 Mitarbeiter arbeiten in Hamburg für die LINK Mobility GmbH (LINK) seit nunmehr fünf Jahren in einem agilen Arbeitsumfeld, egal ob Sales, DevOps oder Marketing.

Entscheidet sich ein Unternehmen für eine Veränderung von klassischen Strukturen und Prozessen hin zum Agilen, lässt sich dieser Wandel nicht ohne eines neues Verständnis von Führung und einer Neuverteilung der Führungsverantwortung vollziehen. Drei Faktoren waren bei LINK maßgeblich entscheidend für den Erfolg dieses Wandels:

  1. Das Teilen von Wissen,
  2. die Delegation der Entscheidungskompetenzen dorthin, wo das entsprechende Wissen im Unternehmen liegt, und
  3. die Etablierung von zusammenarbeitenden Netzwerken zwischen allen Mitarbeitern.

Die Weisheit der Vielen

Für die eigene agile Transformation löste sich LINK nach und nach von bis dahin existierenden Hierarchien. Stattdessen begann das Unternehmen bei Arbeitsabläufen bewusst auf die “Weisheit der Vielen” zu setzen. Abteilungen wurden aufgelöst und stattdessen bereichs- sowie fachübergreifende Teams gebildet. Für jedes Projekt gilt die Frage: Welche Kompetenzen brauche ich in einem Team, um dieses Projekt erfolgreich abzuschließen? 

Networking bei der digitalen Führung

Entsprechend erfolgt die Zusammenstellung eines Projektteams. Zusätzlich trennte sich die GmbH von klassischen Führungsmodellen und verteilte Führungsverantwortung auf die neuen unterschiedlichen Rollen und Teams.

Das bei LINK etablierte Führungsmodell trennt scharf zwischen der Verantwortung für die Strategie, für die zu schaffenden Werte für Kunden, für die Arbeitsmethoden und für die tatsächliche Umsetzung im Team. Verantwortliche Mitarbeiter leben so ihre Kernkompetenzen, ohne selber durch multiple Verantwortung in Rollenkonflikte zu geraten. Es gibt keinen Vorgesetzten mehr, der sich selbst für den besten Fachexperten hält und dadurch vielleicht bei der Formulierung von Arbeitsaufträgen Lösungsräume einschränkt. Ebenso wenig gibt es einen Abteilungsleiter, mit dem ein unbequemes Ringen um die beste Lösung negativen Einfluss auf die eigene Stellung oder das eigene Gehalt haben könnte. Das entsprechende Team mit der Verantwortung für die Umsetzung hat hier freie Hand. Die Erfahrung von LINK hat gezeigt, dass die Qualität der Endergebnisse solcher Teams und die Motivation der Teammitglieder spürbar steigt.

Neue Herausforderungen bei der Leistungsbewertung von Mitarbeitern

Für das Funktionieren der Zusammenarbeit in Teams bedarf es eines Vergütungssystems, das Teamarbeit fördert und die Entstehung von Einzelkämpfer- und Ellbogenmentalitäten verhindert. Aus diesem Grund sind individuelle Boni und Zielvereinbarungen für Mitarbeiter im agilen Kontext eher ungeeignet. Sie fokussieren meist zu sehr die Leistung eines Einzelnen und geraten dadurch nicht selten in Konflikt mit Teamzielen. Entsprechend stellt sich die Frage: Wie kann eine gerechte Leistungsbeurteilung im agilen Kontext aussehen? Insbesondere, wenn es keine Vorgesetzten gibt, die den Beitrag eines Mitarbeiters erfassen und bewerten?

LINK hat für sich die Antwort auf diese Frage in einem zweigeteilten Gehaltsprozess gefunden. Ein Bestandteil dieses Prozesses ist eine jährliche automatische Gehaltsanpassung, die sich auf eine öffentliche Studie zu Gehaltsentwicklungen verschiedener Berufsfelder stützt. Der zweite Teil setzt in Form eines Team-Feedback erneut auf die Weisheit der Vielen.

Faire Gehälter orientieren sich am Markt

Basierend auf prozentualen Steigerungen einzelner Berufsfelder, die sich inhaltlich internen Rollen bei LINK zuordnen lassen, entwickeln sich auch die Gehälter. Ein entsprechendes Geschäftsergebnis vorausgesetzt, werden die Gehaltssteigerungen am Markt 1:1 jährlich auf die internen Gehälter der Mitarbeiter bei LINK übertragen. Sind die am Markt beobachteten Gehälter für beispielsweise Web-Designer im Vergleich zum Vorjahr um 3% gestiegen, bedeutet das eine 3%ige Gehaltsanpassung für den Web-Designer bei LINK. Da nicht alle Berufsgruppen am Markt identische Gehaltsentwicklungen vorweisen, bedeutet diese Vorgehensweise automatisch unterschiedliche Anpassungen für unterschiedliche Rollen. Haben sich die beobachteten Gehälter nur um 0,01% entwickelt, entspräche die Erhöhung diesen 0,01%. Theoretisch. Um zu vermeiden, dass Mitarbeiter eine kaum wahrgenommene Gehaltsanpassung erfahren, hat sich LINK auf einen monatlichen Mindestbeitrag geeinigt. Diese Erhöhung gilt für jeden Mitarbeiter, selbst wenn die Entwicklung des Marktes unter diesem Betrag liegt. 

Die Idee hinter diesem Verfahren ist überraschend einfach: Ein Mitarbeiter, der mit einem von allen Beteiligten als fair empfundenen Gehalt ins Unternehmen eintritt, erhält so automatisch fortlaufend ein faires und der Marktentwicklung entsprechendes Gehalt. Sehen der Mitarbeiter selber oder die Geschäftsleitung eine individuelle Weiterentwicklung, können beide Seiten in diesem Fall einen zusätzlichen Anpassungsprozess starten.

Agile Arbeitsmethoden

Weiterentwicklung ist Teamsache

Möchte ein Mitarbeiter den individuellen Anpassungsprozess starten, bestimmt er zusammen mit einer Vertretung aus der Geschäftsleitung eine Gruppe von Kollegen unterschiedlicher Rollen, mit denen er in jüngerer Vergangenheit zusammengearbeitet hat. Diese Mitarbeiter geben in einer anonymen Software-gestützten Befragung Feedback zu wichtigen Kompetenzen des Mitarbeiters. Dies geschieht immer im Vergleich zu ihnen selbst, um so unfaire oder unangemessene Bewertungen zu vermeiden. Sie können jeweils eine Weiterentwicklung oder eine gleichbleibend gute Leistung je Kompetenz attestieren. In einer moderierten Diskussion wird das Feedback besprochen, um ein gemeinsames Verständnis über die Weiterentwicklung des Mitarbeiters zu erlangen. Basierend darauf wird unter Umständen eine entsprechende Gehaltsanpassung vorgenommen.

Die volle Transparenz der Gehälter gegenüber den Kollegen ist für diesen Prozess an keiner Stelle notwendig. Im Rahmen des Feedbacks und der anschließenden Diskussion besprechen alle involvierten Parteien, ob bei dem entsprechenden Mitarbeiter eine Entwicklung beobachtet werden konnte, oder ob hier noch Potenzial besteht. Dieser zweite Teil des Anpassungsprozesses löst die Abhängigkeit von dem Urteil einer einzelnen Person, die im Zweifel vielleicht nur Ergebnisse, jedoch keine Arbeitsmethoden oder Herangehensweisen eines Mitarbeiters, beurteilen kann.

Ohne eine starke Feedback-Kultur geht es nicht

Eine Gehaltsanpassung mit einem ganzen Team zu besprechen wirkt auf den ersten Blick für die meisten Menschen befremdlich. Auch bei LINK sorgte dieses Vorgehen bei Einführung für anfängliche Skepsis. Letztendlich führt dieser agile Prozess jedoch dazu, dass genau die Menschen Leistungen beurteilen, die auch tagtäglich mitkriegen was ein Mitarbeiter leistet. Entsprechend stößt das Verfahren inzwischen auf breite Zustimmung in der Belegschaft.

Eine notwendige Bedingung für das Funktionieren dieses Prozesses und allgemein von agilen Arbeitsmethoden, sind funktionierende Teamstrukturen und teamdynamische Prozesse. Das Ringen um agile Lösungswege und die Weiterentwicklung in einem Team bedarf eines entsprechenden Reifegrads der Mitarbeiter sowie einer starken Feedback-Kultur. Die persönliche Gehaltsentwicklung primär an dem Feedback von Kollegen festzumachen, verstärkt diese Abhängigkeit. Ist jedoch beides vorhanden, steht der Delegation von gehaltsgestaltender Verantwortung an Mitarbeiter wenig im Wege.

LINK sammelt mit dem hier beschriebenen Prozess zur Gehaltsgestaltung seit etwa drei Jahren erste Erfahrungen. Die Akzeptanz und Unterstützung durch die Mitarbeiter, insbesondere auch wegen der Verfahrensgerechtigkeit deutet auf einen Erfolg hin.

Ob klassische PR, Verbandsarbeit, Investor Relations oder Standortkommunikation: Die Kölnerin hat mehrere Jahre als Kommunikations-Allrounderin auf EU-Ebene für die Erneuerbare Energien-Branche gearbeitet. 2016 trieb die Neugier Laura weiter. Seitdem befasst sie sich Tag für Tag mit den neuesten Entwicklungen im Kontext Digitalisierung, M2M-Kommunikation und dem Internet der Dinge. Hauptberuflich widmet sie sich als Head of Marketing für ein Hamburger Unternehmen im M2M-Umfeld agil und mit großer Begeisterung unterschiedlichen Themen – von SEO und Website-Entwicklung über Marketing-Controlling bis hin zu Business Development.

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