Vertrauen oder digitale Überwachung am Arbeitsplatz?

Juristische Datenschutz-Spezialistin Ursula Uttinger erklärt die Stolpersteine von digitaler Überwachung

Die digitalen Möglichkeiten erleichtern die Überwachung von Personen und Mitarbeitern. Dabei müssen die gesetzlichen Regelungen und Vorgaben beachtet werden. Eine Überwachung aus Sicherheitsgründen ist erlaubt, nicht aber eine Verhaltensbeobachtung.

Was erlaubt ist und was tatsächlich gemacht wird, ist oft nicht deckungsgleich – auch bezüglich Datenbearbeitung von Mitarbeitenden. Das Gesetz ist klar: Der Arbeitgeber darf nur Daten bearbeiten, die er für die Beurteilung der Eignung für eine bestimmte Funktion braucht beziehungsweise die zur Durchführung des Arbeitsvertrages relevant sind[1]. Im Weiteren verweist bspw. das  Schweizer Obligationenrecht auf das Bundesgesetz über den Datenschutz[2].

Trotz der grundsätzlichen Erkenntnis, dass die meisten Mitarbeitenden im Homeoffice effizienter arbeiten[3], gibt es Arbeitgeber, die jederzeit wissen möchten, ob die Mitarbeitenden zu Hause tatsächlich arbeiten. Dafür gibt es diverse Software, die es ermöglichen, die Mitarbeitenden zu überwachen[4] – meist ohne Wissen der Mitarbeitenden. Eine solche Überwachung ist klar illegal. Doch es gilt: Ohne Kläger kein Richter. Und wer nicht weiss, dass er/sie überwacht wird, kann nicht klagen.

Es gibt aber auch Arbeitgeber, die offen darüber informieren – jedoch eher bei Videoüberwachungen (z.B. diverse Baustellenvideos[5], „Video ins Studio[6]“); dabei werden in bestimmten Abständen (alle 10 Sekunden, alle 30 Minuten neue Bilder geladen). Teilweise wird „sanfter Druck ausgeübt“, damit Mitarbeitende dieser Beobachtung zustimmen.

Wo beginnt Überwachung?

Wo beginnt die Überwachung? Ist es bereits eine Überwachung, wenn der Arbeitgeber regelmässig misst, wer wie viele Fälle/Arbeitspakete bearbeitet? Nicht nur im Homeoffice, auch in verschiedenen Büros werden die Arbeitsergebnisse der Mitarbeitenden gemessen, verglichen und allenfalls sogar veröffentlicht.

Viele Mail-Systeme zeigen mit einem Ampelsystem, ob jemand gerade aktiv ist (grün), nicht mehr aktiv ist (orange) oder schon länger inaktiv ist (rot); diese Systeme lassen sich allerdings leicht manipulieren: Eine Pseudoaktivität kann zu einer grünen „Ampel“ führen. Bereits solche einfachen Systeme können Stress auslösen. In einem Selbstversuch hat eine Journalistin eine Überwachungssoftware installiert und kam dann schnell zur Erkenntnis: Es führt zu Stress[7].

Passend dazu: Informationssicherheit versus Datenschutz

Zustimmung der Arbeitnehmer

Eine Zustimmung zur Überwachung durch Arbeitnehmende ist kritisch zu hinterfragen. Denn der Arbeitgeber ist meist in der stärkeren Position. Einer permanenten Überwachung durch die  Arbeitgeber/-in muss man nie zustimmen. Wird man dazu gedrängt, ist die Zustimmung nicht rechtsgültig erfolgt.

Oft wird vergessen, dass der immer „smartere“ Büroalltag ebenfalls zu einer Überwachung führt. Eine Hochschule wollte wissen, wie viele Personen in einem Unterrichtsraum sind[8]. Entscheidet sich eine Lehrperson, eine Veranstaltung nicht in einem solchermassen mit Software ausgestatteten Raum durchzuführen, könnten bereits Fragen aufkommen. Eine Überwachung? Auch die Steuerung des Raumklimas misst die Belegung – bereits hier können Schlüsse gezogen werden.

Grundsätzlich gilt es zu beachten: Daten selbst sind weder positiv noch negativ. Oft kommt es zu Befürchtungen, dass Daten gegen die betroffenen Personen genutzt werden[9]. Daten können jedoch auch zugunsten von betroffenen Personen genutzt werden. Vermehrt werden Daten oft einfach mal gesammelt, weil es sich gerade ergibt (z.B. Daten von Zutrittssystemen, die ein Schlüsselsystem ablösen). Und wenn es dann zu einem Vorfall kommt, ist man schnell geneigt, die vorhandenen Daten anders als ursprünglich vorgesehen zu verwenden. Denn wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, etwas zu beweisen, will man diese auch nutzen.

Deshalb kann es tatsächlich sinnvoll sein, möglichst wenige Datenspuren zu hinterlassen. Das oft gehörte Argument „Ich habe nichts zu verstecken“ wird von vielen unbedacht und vorschnell geäussert[10],[11]. Es geht nicht einzig darum, dass man etwas zu „verstecken“ hätte, es kann auch einfach ein „Geheimnis“ sein, das man für sich behalten oder noch nicht mit Dritten teilen möchte. Ein Beispiel: Es gibt doch nichts Schöneres, als jemanden mit einem speziellen Geschenk zu überraschen. Und vor der Übergabe soll das ja ein Geheimnis bleiben.

Manchmal will man Dinge „geheim“ halten, weil man sich vor negativen Äusserungen fürchtet, zum Beispiel eine politische Gesinnung, eine sexuelle Orientierung oder auch einfach eine spontane Aussage, wenn man einen „Mohrenkopf“ statt eines politisch korrekten „Schaumkusses“ gegessen hat.

Berechtigte Überwachung

Nebst verbotenen, gibt es auch berechtigte Überwachungen: Befindet sich eine Person alleine in einem Kühlraum und wird ohnmächtig, kann eine Videoüberwachung dazu führen, dass der Unfall schnell bemerkt und die Person gerettet werden kann. Auch in Sicherheitseinrichtungen können gewisse Überwachungen sinnvoll und notwendig sein. Dabei muss aber immer sichergestellt sein, dass eine minimale Privatsphäre gewahrt bleibt und es nicht zu einer Verhaltensbeobachtung des Personals kommt[12]. Der Gesetzgeber hat dies erkannt und diese Art Überwachung in Art. 26 Verordnung zum Arbeitsgesetz 3 ausdrücklich erlaubt.

Die Digitalisierung erleichtert die Überwachung von Mitarbeitenden. Ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Möglichkeiten ist zwingend notwendig. In unserer Gesellschaft basiert der Umgang der Menschen untereinander auf Vertrauen[13]. Wollen Mitarbeitende den Arbeitgeber tatsächlich ausnutzen, so werden sie Möglichkeiten finden – Überwachung hin oder her. Vertraut eine Firma hingegen ihren Mitarbeitenden, ist dies oft der bessere Weg, und er führt letztendlich zu einem Mehrwert für alle.

Quellen

[1] Art. 328b OR (SR 220): https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19110009/index.html
[2] SR 235.1: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19920153/index.html
[3] Daniel Friedli, Zu Hause arbeiten wir effizienter in NZZ vom 6.6.2020 (https://nzzas.nzz.ch/wirtschaft/home-office-zu-hause-arbeiten-wir-effizienter-ld.1560027 )
[4] https://www.capterra.ch/directory/31087/employee-monitoring/software – Abruf am 10.7.2020
[5] https://www.swisshomeguard.ch/de/projekte Abruf am 12.7.2020
[6] https://www.srf.ch/radio-srf-1 Abruf am 12.7.2020
[7] Vanessa Möller, Im Home-Office überwacht: „Der Gedanke im Hinterkopf verschwindet nie“ in NZZ vom 1.7.2020 (https://www.nzz.ch/technologie/ueberwachung-im-home-office-der-gedanke-im-hinterkopf-bleibt-ld.1561368 )
[8] https://oeffentlichespersonal.ch/arbeit/2019/08/big-brother – Abruf am 10.7.2020
[9] Interview mit Florence Thouvenin in NZZ vom 6.7.2020 (https://www.nzz.ch/schweiz/corona-die-app-laesst-uns-den-datenschutz-neu-denken-ld.1564163?mktcid=smsh&mktcval=OS%20Share%20Hub )
[10] https://www.amnesty.de/informieren/artikel/7-gruende-weshalb-ich-habe-nichts-zu-verbergen-die-falsche-reaktion-auf Abruf am 10.7.2020
[11] https://www.boxcryptor.com/de/blog/post/nothing-to-hide/ Abruf am 10.7.2020
[12] Wegleitung des seco zur Verodnung 3 zum Arbeitsgesetz – März 2013
[13] https://www.nzz.ch/vertrauen/vertrauen-was-ist-das-32-episoden-ld.1421094 Abrfuf am 10.7.2020

Autorin: Ursula Uttinger, lic. iur. / exec. MBA HSG

Der Verband Wirtschaftsfrauen Schweiz ist eine einflussreiche Kraft auf dem Schweizer Wirtschafts- und Arbeitsmarkt mit Fokus auf Frauen und Gender Diversity. Als Kompetenz- und Netzwerkzentrum für Kaderfrauen, Unternehmerinnen und Organisationen greift er aktiv wirtschaftsorientierte Themen zu Beruf, Karriere, Weiterbildung, Umwelt und Ethik auf und engagiert sich für eine divers besetzte und nachhaltig erfolgreiche Schweizer Wirtschaft der Gegenwart und Zukunft.

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