Unternehmenskommunikation wie Influencer – Der Plot. Turbine für das Narrativ.

Unternehmenskommunikation mit erzählenden Influencermerkmalen

Das Narrativ ist eine reizvolle ergänzende Kommunikationssorte in Anlehnung an das klassische Drama. Der Plot wirkt dabei als Antriebsquelle. Für interdisziplinäre Teams ist es die Chance, lebendige Kampagnen zu entwerfen.

Der beeinflussende Text. Gestern und heute. Fast schon eine Influencer-Karriere vom Infinitivsatz – «Gemeinsam Pizza essen» – als Headline über den invasiven Gebrauch von Interpunktion wie dem Ausrufezeichen bis zur Verwendung von Plattitüden (inhaltsleere Texte) wie «Das Management muss sich um die Mitarbeitenden kümmern». Obwohl einige Fragmente der 60er und 70er des letzten Jahrhunderts in der Unternehmenskommunikation da und dort weiter aufflackern, hat sich die Buchstabenvirtuosität bis zum Narrativ enorm gesteigert.

Die Reizüberflutung der letzten 50 Jahre hat auf beiden Seiten Sensibilität und Raffinesse in immer neue Levels gehievt. Seit den Infinitivsätzen haben sich die Textmethoden auf der Autor/innen-Seite fortlaufend geändert, verpuppt, neu lanciert. Gleichzeitig haben die Lesenden mehr Wissen und Erwartungen rund um die Kommunikation aufgebaut. Der beeinflussende Text – anspruchsvoll wie eh und je. Ein Blick auf eine spezifische Textsorte.

Das Narrativ

Diese fast schon evolutionäre Stufe des Storytellings klettert als Buzzword kontinuierlich die Aufmerksamkeitsleiter hoch und führt zu Projekten und Strategieausarbeitungen im Sinne von ergänzenden Kommunikationsmassnahmen. Diese sinnstiftende und zielorientierte Beeinflussung der Lesenden von authentischer Unternehmenskommunikation, oft mit dem Ziel, den integrierten Call-to-Action schmackhaft zu machen, fasziniert und verwirrt.

Bauteile eines Narrativs

  • Eine Geschichte/der Plot – was wird erzählt
  • Ein Diskurs – wie wird es erzählt (auch Framing genannt

Der Plot selbst ist ein Paket mit

  • Ausgangspunkten
  • Ereignissen
  • Zuständen
  • AktivitätenZiel und Zweck


Der Plot

Zweifellos das Kernstück und die Antriebsmaschine eines Narrativs. Bei der Erstellung einer Plotskizze führt kaum ein Weg an Gustav Freytag’s Pyramidenmodell von 1863 (Buch: «Die Technik des Dramas») vorbei.

Freytag's Pyramid - Grafik by Book Reading
Grafik: Freytag’s Pyramide (Book Reading – «Story Design», 2018).

Die Eröffnung bis zum (Happy)End funktioniert ähnlich einer Hero Journey (Joseph Campbell, 1949) – der/die Protagonist/in begibt sich in ein Abenteuer, aus dem er/sie mit gewonnener Weisheit zurückkehrt. Bei Freytag basieren die zentralen Begriffe der Pyramide für die Ausarbeitung von Notizen und Details auf dem Modell des klassischen Dramas:

  • Exposition
  • Erregendes Moment (Umstand)
  • Steigende Handlung
  • Höhe- und Wendepunkt
  • Fallende Handlung
  • Moment der letzten Spannung
  • Lösung des Konflikts

Auch wenn in der späteren Umsetzung des Narrativs nicht alle Details der Plotskizze zur Anwendung kommen – die Ausarbeitung des Plots ist zentral. Mit diesem reichhaltig erstellten Fundament lässt sich ein packendes und eher langfristig eingesetztes Narrativ mit zahlreichen Schattierungen ausfeilen und kommunizieren.

Für die Erstellung einer Plotskizze und eines Narrativs eignen sich interdisziplinäre Teams. Die reine Fachkompetenz von Kommunikationsexpert/innen reicht nicht aus, das einmalige Teilnehmen an einem Design Thinking Prozess auch nicht. Der interne Mix mit überfachlichen Kompetenzen aus Forschung, Produktionsentwicklung und Verkauf beispielsweise ist so befruchtend wie das Verzahnen mit externer Expertise. Bei der Teamzusammenstellung empfiehlt sich die Orientierung am eigenen oder einem passenden Kompetenzmodell:

 

Kompetenzmodell der Kantonalen Verwaltung - Kanton Zürich
Grafik: Kompetenzmodell der Kantonalen Verwaltung, Kanton Zürich, zur Vereinigung von Schlüsselkompetenzen für professionelles Handeln.

Und: Mit einer guten Plotarbeit lassen sich die Bauelemente des Narrativs nicht wie von selbst, aber nach und nach definieren. Meist entsteht Stoff für eine Kampagne mit Seriencharakter, welche die laufende «Standard-Kommunikation» mit einem gerüttelt Mass an magnetisierender Lebendigkeit ergänzt.

Rapid Prototyping und Messbarkeit

In meinen zahllosen Sessions rund um Kommunikationsentwicklungen habe ich immer wieder Methoden für holistisches Denken eingebaut. Auch mit der Hidden Agenda für versierte Entwicklungsteams, wo bei den immergleichen Vorgehensweisen die beabsichtigte Ideenfrische unter Verwelkungseffekten leidet.  Interdisziplinäre, ja transdisziplinäre Teams «erfinden» Schlüssel-Elemente für ein Narrativ oft in der Nutzung von unbekannten, unerwarteten und ungezwungenen Entwicklungsmomenten. Ich lasse zwei davon anklingen.

1. Ideating: Die Meisner Technik

Sanford Meisner (1905 bis 1997) und sein revolutionäres Moment-to-Moment-Game, das auf Repetition und Verankern im Hier und Jetzt für Schauspielerschüler/innen basiert, lässt Teams vor allem den Plot-Teil «steigende Handlung» spielerisch auf Narrativdetails ausloten. Und nebenbei eine ergänzende rhetorisch-stärkende Erfahrung machen.

Die drei Komponenten sind emotionale Vorbereitung, Repetition und Improvisation. Jeweils zu zweit, mit Begleitung einer fachlichen Souffleurin, eines Souffleurs.

Ein Beispiel (siehe auch «The Definitive Guide to the Meisner Technique», backstage, 2019):
4-Minuten Video der Schauspielschule Mainz, Meisner Workshop (2016).

Eine klassische Übungssituation. Eine Person ist zu Hause mit etwas beschäftigt. Die zweite Person klopft an die Tür, mehrmals und immer lauter, bis die erste Person endlich öffnet. Der Dialog entwickelt sich ausgehend vom erst späten Türe öffnen über das sachliche Ansprechen der Tätigkeit bis zum offenen Austausch von Hinterfragungen, Kritik, Frustrationen.

Plotziel: Das Spielen im Duett liefert in der Plotskizze gegenüber dem oft statischen Brainstorming eine interaktive Reibungsfläche in Anlehnung an die Methode des Explorativen Lernens. Das Team erlebt so Dialogaspekte für das spätere Narrativ «am eigenen Leib» und schärft die Sinne für Absender- und Empfängerelemente in den Botschaften.

2. Messbarkeit und Weiterentwicklung: Team-Teaching Lernmodell

Durch das Erlebnis der Meisner Technik hat das Plotteam bereits eine Duett-Erfahrung. Ähnlich dem letzten Kapitel Erfolgskontrolle im Marketingkonzept, ist für ein Narrativ ein leicht geändertes Team-Teaching Modell für die Performancemessung und konstante Erzählqualität  im Format eines KVP – kontinuierlicher Verbesserungsprozess – nützlich.

Team-Teaching ist eine Unterrichtsform, mit der zwei oder mehrere Lehrpersonen einen eher komplexen Wissenstransfer an das Plenum gestalten. Da ein Narrativ aus vielen Komponenten besteht, reicht das blosse Bestimmen von Messpunkten oder KPI’s usw. meist nicht aus – für das Monitoring ist auch eine selbstregulierende Weiterentwicklung sinnvoll:

  • Jede Publikation des Narrativs kommt in ein Team-Teaching Review
  • Die Reviewenden füllen einen Bewertungsraster aus
  • In Review und der Diskussion debattieren die beiden Personen zu den Beobachtungsnotizen und vergebenen Punkten im Raster sowie über die Motivation und Überlegungen in der Publikation
  • Der Raster mit der finalen Bewertung kommt in den digitalen Pool der Reviews und bildet ein durchsuchbares Archiv nach Keywords, installiert eine Form von Knowledge Management
  • Der kollaborative Wissensgewinn im Team findet durch regelmässige Review-Zusammenfassungen statt

Ein Beispiel: Die Notizen zur Rolle und den Merkmalen der Protagonisten und ihrer Taten liefern Rückschlüsse auf mehr oder weniger erfolgreiche Versionen. Details zum Textkörper wie Textlänge, verwendete Wortschöpfungen, Passivsätze und Modalverben, Doubletten, Ausrufezeichen, Satzanfänge usw. in Kombination mit weiteren Bewertungskriterien wie dem verwendeten Call-to-Action sowie den Reaktionen und Aktionen der Empfänger/innen via Print, Internet und Social Media machen die Kriterien sichtbar für eine wiederholbare hohe Narrativqualität im Team. Aufmerksamkeitssteigerung für die Lesenden inklusive.

Plotziel: Feingliedriges Monitoring für eine umfangreiche Kommunikationssorte. Die rein statischen Messungen sind mit einem abgeänderten Team-Teaching Modus angereichert. Die Phase der Nachbearbeitung ist damit keine Pflichtübung, sondern bildet einen interessanten, interaktiven und regelmässigen Arbeitsteil der Kampagne.

Fazit: Plot & Narrativ

Das Narrativ fordert ein Kommunikationsteam. Bei aller Smartness der möglichen Vorgehensweisen fällt eines auf – das macht richtig Spass, hat Platz für ordentliche Lachsalven und Grübelminuten, birgt den Gefahrenmoment gewisser Kommunikationssuchttendenzen. Der Plot selber ist eine heftig rüttelnde Achterbahn der Kreativität. Von disruptivem Getöse bis zu hinreissenden leisen Tönen ist auf der Fahrt alles einsammelbar. Rezepte gibt es keine. Aber eine strukturierte Basis für eine knusprige Teamerfahrung schon.

    Das Masterstudium in Didaktik mit Lehrtätigkeiten im In- und Ausland und bedeutende Sprachstrategie-Entwicklungen bis zur Initiierung des Eidg. Fachausweises Texterin und Texter öffnen die Quelle für das hybride Expertenprofil. Maurice Codourey komplettiert via Gesundheitswesen, einem INSEAD Programm und Methoden wie Design Thinking und Nudge den Beratungskoffer für Ideating und Behavior Change.

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