Software Patent – Kann man Software mittels Patenten sinnvoll schützen?

Das Schützen von Software bietet viele Probleme und wir zeigen wie man es mit einem Patent schützen kann

Es gilt als ein weit verbreitetes Vorurteil, dass man Software-Innovationen nicht mittels Patenten schützen kann. In der Tat hat sich die Rechtspraxis in Europa aber dahingehend entwickelt, dass Computerprogramme, die eine technische Wirkung aufweisen, welche weitergeht als die blosse physikalische Wechselwirkung zwischen Hardware und Software sehr wohl schützbar sind.

Der Ursprung des modernen Patentrechts liegt in der vorindustriellen Zeit

Die Geburt des modernen Patentrechts geht auf das Ende des 18. Jahrhunderts zurück, als unter dem Einfluss der Philosophie des John Locke der Wechsel zwischen dem alten System, bei dem das Patent vornehmlich als herrschaftliches Privileg angesehen wurde, hin zum Konzept des Geistigen Eigentums[1] vollbracht wurde. In dieser Zeit waren Erfindungen beschränkt auf die Gebiete der technischen Mechanik, der Energieproduktion und der Verarbeitung von Materialien. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die industrielle Revolution in vollem Gange und führte zu einer rasanten technischen Entwicklung.

Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts begann eine weitere Entwicklung einen erneuten Produktivitätsanstieg einzuleiten, indem die ersten Mikrochips Arbeitsprozesse und Rechenleistungen automatisierten. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts nahm auch diese Entwicklung endgültig Fahrt auf, und mündete in das, was wir heute die digitale Revolution nennen.

Die Frage, ob ein Schutzinstrument aus dem 18. Jahrhundert, aus einer Zeit in der alle Erfindungen noch eine klare physische Verkörperung besassen, für immaterielle digitale Güter und Prozesse des 21. Jahrhunderts noch das passende Mittel ist, ist daher durchaus berechtigt.

Vieles am modernen Patentrecht ist über die Jahre weitgehend unverändert geblieben. So ist ein Patent ein zeitlich begrenztes Schutzrecht für eine definierte Erfindung, welches es seinem Inhaber ermöglicht anderen die Nutzung dieser Erfindung zu untersagen. Durch das Patentieren wird eine Erfindung zwingend öffentlich gemacht, indem die Patentanmeldung und das Patent von Amtes wegen veröffentlicht werden. In gewisser Weise entsteht so ein Tausch: man erhält ein zeitlich begrenztes Monopolrecht im Tausch gegen die Veröffentlichung, womit es der interessierten Fachwelt möglich wird, an der Erfindung weiter zu arbeiten und darauf aufbauende Erfindungen zu machen.

Neben der grundsätzlich rechtsphilosophischen Frage, ob eine geistige Schöpfung überhaupt ein Eigentum[2] als solches sein soll, gibt es praktische und pragmatische Gründe, die für die gewerblichen Schutzrechte sprechen. Zu diesen gehört nicht zu Letzt der Investitionsschutz.

Das Patentrecht ist zentral für den Schutz von Investitionen

Tatsache ist, dass Entwicklungen auch im Digitalbereich hoher Investitionen bedürfen. Zudem ist die gängige Lehrmeinung davon überzeugt, dass die Möglichkeit, entsprechenden Nutzen aus einer Innovation zu ziehen, dieselbe auch ankurbelt. Mit anderen Worten: der Wettbewerb der Ideen wird dadurch angeregt, dass man sich etwas eigenes, besseres ausdenken muss, anstatt von einer bestehenden Idee durch Kopieren auf eine Freifahrt zu hoffen. Dabei ist die Wirkung eines ausgereiften Schutzsystems auf die Wertschöpfung für wissensbasierte Volkswirtschaften weitgehend unbestritten. Eine gemeinschaftlich vom Europäischen Patentamt (EPA) und vom Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2016 zeigt unter anderem, dass stark auf Geistiges Eigentum fokussierte Industrien ungefähr 90 % des Aussenhandels der EU ausmachen und einen Aussenhandelsüberschuss von EUR 96 Milliarden generieren[3].

Das heisst, jeder dritte Job in Europa ist in einer Industrie ansässig, welche Geistiges Eigentum intensiv nutzt:

https://euipo.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/guest/document_library/observatory/img/IPContributionStudy/1.pdf

Patente sollen also Investitionen begünstigen, und es Innovatoren und Erfindern ermöglichen, die Früchte ihrer Ideen zu geniessen. Wieso stellt sich denn die Frage nach der Eignung von Patentrecht für den Schutz von Software überhaupt?

Zum einen, weil Software durch das Urheberrecht bereits geschützt ist. Dabei schützt das Urheberrecht aber lediglich die konkrete Implementierung, also den Quellcode und den Maschinen-Code, nicht aber die Funktion. Somit kann eine technische Funktion reproduziert werden, ohne gegen das Urheberrecht zu verstossen, indem ein anderer Programmier-Code verwendet wird. Ein Patent hingegen gewährt das Recht einem Dritten zu verbieten Produkte und Verfahren herzustellen, zu nutzen, zu vertreiben, zu importieren, und/oder anzubieten, welche die gleiche Funktion aufweisen wie der patentierte Gegenstand, auch wenn der Code völlig unterschiedlich ist.

Eine andere Schwierigkeit ergibt sich durch den historischen Kontext aus dem das Patentrecht entstanden ist, welches vornehmlich auf Maschinen und damit durchgeführte Verfahren ausgerichtet war.

Entwicklungen zum Schutz von computerimplementierten Erfindungen

Im europäischen Patentrecht und in der Schweiz werden Patente für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind[4]. Neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar: dies sind drei Bedingungen, welche Software zweifellos erfüllen kann. Der Knackpunkt liegt im Begriff «Erfindung». Eine genaue Definition, was eine Erfindung im Kontext des Patentrechtes darstellt fehlt im Gesetz. Im Laufe der Zeit hat sich aber eine Rechtstradition entwickelt, welche eine Erfindung als eine «Lehre zum technischen Handeln» definiert, oder mit anderen Worten, es soll mit technischen Mitteln ein technisches Problem gelöst werden und eben nicht ein mathematisches, betriebswirtschaftliches oder kaufmännisches.

Softwarelösungen, welche als reine Programme Datenverarbeitungsaufgaben erledigen, sind somit in der europäischen Patentpraxis vom Schutz ausgenommen und hier liegt wohl auch der Ursprung des weit verbreiteten Irrglaubens «Software kann man patentrechtlich nicht schützen».

Mittlerweile hat die Rechtsprechung des Europäischen Patentamtes aber eine Entwicklung durchgemacht und wiederholt bestätigt: das Patentierungsverbot betrifft nur Computerprogramme als solche. Mit anderen Worten, Erfindungen mit technischem Charakter, die durch Computerprogramme implementiert sind, können sehr wohl Patentschutz für ein Software Patent erlangen.

Dieser technische Charakter kann durch einen Prozessschritt oder ein Merkmal gegeben sein, der jenseits von der normalen physikalischen Wirkung der Ausführung eines Programms, z.B. elektrische Ströme, stattfindet. Konkret kann dies z.B. die Steuerung eines Roboters, die Kodierung von Audiodaten und das Verschlüsseln/Entschlüsseln oder Signieren von elektronischen Nachrichten sein. Ausgeschlossen wären dann immer noch rein administrative computergestützte Verfahren und softwaregestützte Geschäftsmodelle, wie z.B. das Berechnen von Wettquoten.

Insgesamt ist das europäische Patentsystem also ein geeignetes Mittel, um Erfindungen auf dem Gebiet der Software zu schützen, sofern sie die Anforderungen erfüllen. Diese sind, wie so oft, im Einzelfall abzuklären. 

[1] Geistiges Eigentum oder «intellectual property rights» wird gemeinhin unterteilt in zwei Kategorien, i) dem Urheberrecht und verwandten Rechten und den ii) gewerblichen Schutzrechten, unter die auch Patente und Gebrauchsmuster fallen. Siehe auch auf der Seite der WTO – FAQ about TRIPS (trade-related aspects of intellectual property rights) – https://www.wto.org/english/tratop_e/trips_e/tripfq_e.htm#WhatAre

[2] Explizit in Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als schutzwürdiges Eigentum aufgeführt.

[3] Intellectual Property Rights Intensive Industries and Economic Performance in the E.U.;  October 2016, 2nd edition; Published by the European Patent Office and the European Union Intellectual Property Office ; Munich (DE), Alicante (ES) – ISBN 978-3-89605-164-6

[4] Art. 52(1) EPÜ und analog Art. 1 PatG

    Otto-Martin Willy Bertschinger hat im Verlauf seiner Berufslaufbahn Klienten in einer Vielzahl technischer Gebiete betreut, wie Medizinaltechnologie, Konsumgüter, Fertigungstechnik und Informationstechnologie. Er berät und vertritt als zugelassener Vertreter vor dem Europäischen Patentamt und als Schweizer Patentanwalt Mandanten in allen Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes.

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