Meet simple system – Im Interview mit Patrick Weilerswist

Wie steht es um die Digitalisierung in der Beschaffung?

Wir sind im Interview mit unserem Mitglied simple system GmbH Co. KG.. Patrick Weilerswist redet über Corona, die Herausforderungen von E-Procurement und den Vorteilen der Digitalisierung in der Beschaffung.

Patrick Weilerswist Unser #bethechange Mitglied, simple system GmbH & Co.KG im Interview.

Patrick Weilerswist ist ein ausgewiesener und erfahrener Experte im Bereich Procurement. Als Head of Business Development bei der Beschaffungsplattform simple system berät und begleitet er Kunden bei der Digitalisierung ihres Einkaufs.


Sie beschäftigen sich ja viel mit der Digitalisierung von Unternehmensprozessen, speziell das Procurement. Warum haben zahlreiche Firmen das Thema Beschaffung im Zusammenhang mit Digitalisierung nicht auf der Agenda?

In der Beschaffung wird immer noch zu wenig in Prozessen gedacht. In vielen Unternehmen ist der Einkauf dazu aufgefordert, Einsparungen auf Ebene der Stückpreise zu generieren. Dabei denkt keiner an die Savings, die durch die dahinterliegenden Prozesse generiert werden können – vor allem nicht, wenn genügend Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Unternehmen halten an ihren historisch gewachsenen Strukturen fest und verschenken damit die Möglichkeit, auch im Einkauf eine höhere Effizienz zu erzielen.

Dabei ist die Umstellung auf eine digitale Beschaffung, die Prozesse deutlich vereinfacht und beschleunigt, leicht umsetzbar. Der Einsatz einer Beschaffungsplattform etwa entlastet den operativen Einkauf und gibt Kapazitäten frei für strategische, wertschöpfende Aufgaben.

Um zu verdeutlichen, wie groß dieses Einsparpotenzial ist, haben wir ein Tool entwickelt, mit dem Unternehmen ihre individuelle Sparquote in der indirekten Beschaffung errechnen können. Dabei werden folgende Parameter berücksichtigt: das jährliche indirekte Einkaufsvolumen, die Anzahl der jährlichen Bestellungen, die durchschnittliche Skonto-Vereinbarung sowie die Quote der Skonto-Nutzung. Diese Visualisierung hilft uns, Berührungsängste abzubauen.

Warum ist die Digitalisierung der Beschaffungsprozesse in Hinblick auf die Skontonutzung von Vorteil?

Weil sich Unternehmen auch hier eine Menge Geld sparen können. Wenn Sie mit Rechnungen überschwemmt werden und dann erst intern zeitaufwendig klären müssen, wo diese Bestellungen entstanden sind, ist eine Skontofrist von 14 Tagen und zwei Prozent recht schnell verstrichen. Allein durch die Umstellung auf eine digitale Beschaffung lassen sich die Prozesskosten um bis zu 40 Prozent senken – wenn zugleich die Skontonutzung optimiert wird, ist das Einsparpotenzial sogar noch etwas höher.

Wer seine Bestellungen digital per Integration ins Warenwirtschaftssystem abbildet, der kann erfahrungsgemäß bei bis zu 95 Prozent aller Bestellungen die Skontovereinbarung nutzen.

Was sind neben den möglichen Einsparungen weitere Gründe, warum Unternehmen in den digitalen Einkauf investieren sollten?

Die Corona-Pandemie hat uns verdeutlicht, wie wichtig es sein kann, Bedarfe rasch abzudecken. Bis vor Kurzem war es in vielen Fällen ausreichend, wenn der Arbeiter in der Montage eines produzierenden Unternehmens seine Bedarfsanforderung händisch beim Einkauf einreichte. Heute sitzen die Einkaufsteams in vielen Fällen im Homeoffice und können Bedarfsanforderungen weder einfach sammeln, noch rasch bearbeiten. Anders im digitalen Beschaffungsprozess: Ist dieser einmal installiert, muss der einzelne Bedarfsträger nicht mehr bei jeder Bestellung mit der Einkaufsabteilung kommunizieren und eine Genehmigung für die Beschaffung einholen. Er bekommt einen übersichtlichen digitalen Katalog vorgegeben, über den er seine Bedarfe adäquat decken kann.

Die Umstellung von analog auf digital ist natürlich auch ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunftsfähigkeit des Einkaufs, denn sie bildet die Basis für weitere Prozesse in der Beschaffung, die voraussichtlich digitalisiert werden – etwa eine automatische Rechnungslegung oder eine automatische Rechnungsprüfung. Damit wird der Einkauf zu einem wichtigen Baustein der Industrie 4.0.

Die Mitarbeiter profitieren also von einer höheren Autonomie…

…und das System macht die Beschaffung viel transparenter für den Bedarfsträger und den Einkaufsleiter, ja. Die Wertschätzung dem einzelnen Mitarbeiter gegenüber steigt, denn dieser muss sich nicht länger eine Freigabe über mehrere Instanzen einholen. Er hat die Freiheit, seinen Bedarf so zu decken, wie er es für notwendig erachtet.

Sie hatten es ja bereits angesprochen, das Jahr 2020 war aufgrund der Corona-Pandemie für viele Unternehmen eine große Herausforderung. Was waren Ihrer Beobachtung nach die wichtigsten Themen der Beschaffung in diesem Jahr?

Zunächst einmal war das die Verfügbarkeit von Ausstattung, beispielsweise Schutzmasken. Dies war nicht nur für den indirekten, sondern auch für den produzierenden Bereich ein ganz wichtiges Thema. Als Zweites kam mit dem Lockdown Anfang März eine ganz neue Herausforderung hinzu, denn ab da saßen die Mitarbeiter vielerorts im Homeoffice und mussten adäquat ausgestattet werden. Es ging nicht nur um den Wareneinkauf, sondern auch um die Infrastruktur, die das Arbeiten von zu Hause aus möglich macht: Die Einkaufsabteilungen waren plötzlich gefordert, diese Artikel zu besorgen und zur Verfügung zu stellen. Hier waren diejenigen gut beraten, die bereits auf eine digitale Beschaffung umgestellt hatten. Die Mitarbeiter konnten hier aus dem Homeoffice ihren Warenkorb befüllen und sich die benötigten Produkte direkt nach Hause liefern lassen – die Rechnungsstellung erfolgte dann im System.

Das dritte Thema war, dass Unternehmen bewusster auf die Prozesse geschaut haben. Der Einkauf ist ja in der Regel gezwungen, über die Einstandspreise Einsparungen zu erzielen, um den Preis für ein Produkt neutral zu halten. In diesem Jahr war das sehr schwierig, weil die Verfügbarkeit den Preis bestimmt.

Die Unternehmen wurden also in diesem Jahr regelrecht hineinkatapultiert in die Welt der digitalen Beschaffung?

Ja, man kann sagen, dass in diesem Jahr eine wichtige Hemmschwelle überwunden wurde. Wir verzeichnen einen deutlichen Anstieg von Anfragen nach Integrationsprojekten, bei denen unsere digitale Beschaffungsplattform in das unternehmenseigene Warenwirtschaftssystem eingebunden wird. Insgesamt war in diesem Jahr deutlich zu spüren, dass die aktuelle Situation die Unternehmen dazu motiviert hat, Prozesse zu verändern und die Digitalisierung voranzutreiben.

Können Sie bereits jetzt Trends für das kommende Jahr erkennen? Gibt es da von Ihrer Seite Beobachtungen oder Überlegungen, was uns im kommenden Jahr erwartet?

Auch wenn wir nicht wissen, was uns 2021 bringt – ich bin zuversichtlich, dass viele Unternehmen, die in diesem Jahr einen wichtigen Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht haben, diesen Weg auch im kommenden Jahr weiterverfolgen werden. Kunden, die bisher nur die Plattform genutzt haben, orientieren sich jetzt wie gesagt zunehmend in Richtung einer Integration in das Warenwirtschaftssystem. Ob das jedoch ein kontinuierlicher Verlauf sein wird, kann heute niemand voraussagen.

Zeichnen sich denn weitere Branchenthemen von Seiten der Kunden oder der Lieferanten ab?

Generell spielt das Thema Usability eine große Rolle – vor allem bei Beschaffungsplattformen. Was in diesem Zusammenhang mehr und mehr zur Sprache kommt, ist das Thema Single Sign on, also der Log-In mit einmaliger Dateneingabe in alle Bereiche. Diese Wünsche aus dem Markt nehmen wir natürlich auf und orientieren uns bei der Weiterentwicklung unserer Plattform eng an den Bedürfnissen unserer Kunden. Vor kurzem haben wir beispielsweise ein Reporting auf Big Data-Basis eingeführt, um Auswertungen, etwa zu Benutzergruppen, Kostenstellen und Umsätzen je Lieferant tagesaktuell durchführen zu können. Unsere Aufgabe als Plattformanbieter wird es weiterhin sein, das Ohr am Markt zu haben und schnell und flexibel auf neue Rahmenbedingungen oder Kundenwünsche zu reagieren.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish. Accept Read More