Digitalisierung und Horizontale Führung als ein Erfolgstreiber
So gelingt Leadership in flachen Strukturen
Horizontale Führungsmodelle werden immer beliebter – nicht zuletzt, weil sie auch durch die Digitalisierung gefördert und gefordert werden. Die Führung als solche darf dabei aber keinesfalls verloren gehen; zu wichtig ist ihre Rolle für den Geschäftserfolg. Warum ist das so? Und wie gelingt Leadership in flachen Strukturen?
Die Digitalisierung bringt vieles mit sich: Effizienzgewinne und Wettbewerbsvorteile auf der einen, (aber auch) neue Herausforderungen auf der anderen Seite. Letztere werden oft nur mit naheliegenden Problematiken wie Ressourcen- oder Know-how-Mangel in Verbindung gebracht; dabei sind es auch die weniger offensichtlichen Aspekte, die nachhaltig Herausforderungen bereiten können. Ein Beispiel: das Thema Leadership. Schließlich hat nicht zuletzt die Digitalisierung dazu beigetragen, dass altbewährte Unternehmensstrukturen zunehmend hinterfragt werden und flache, dynamische Hierarchien die klassischen Silos und Top-Down-Strukturen ablösen. Auch die Rolle der Führungskräfte ist damit im Wandel – was Chancen und Gefahren gleichermaßen birgt.
Index
Strukturen aufbrechen
Allgemein anerkannt ist inzwischen: Die Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse lohnt sich für Unternehmen; denn das bislang vorherrschende Top-Down-Prinzip schränkt die Eigeninitiative und die Innovationskraft der Belegschaft zu sehr ein. Digitale Technologien bedingen und erleichtern den Hierarchieabbau, beispielsweise über mobiles Arbeiten. Sie werden damit dem neuen Typ Mitarbeiter gerecht, der in puncto Rangfolge und Selbstverwirklichung völlig neue Erwartungen stellt.
Was dabei keinesfalls verloren gehen darf: die Kompetenz(-vermittlung) der Führungskräfte. Denn Manager spielen in der Unternehmenskultur eine wichtige Rolle; sowohl im Hinblick auf den Geschäftserfolg als auch die Unterstützung der eigenen Mitarbeiter. Sie übernehmen organisatorische Funktionen, fördern die Weiterentwicklung ihrer Teams und stellen sicher, dass diese ihre Aufgaben erfolgreich bewältigen können. Dabei verstehen sie sich als „Coach“, geben Fachwissen weiter und öffnen ihre eigenen Netzwerke. Diese Mehrwerte müssen auch bei flachen Hierarchien erhalten bleiben, denn nur mit Hilfe dieses „Empowerments“ können Unternehmen langfristig und nachhaltig erfolgreich sein. Was bedeutet das?
Umbau statt Abbau
Einen vielversprechenden Ansatz liefern dabei horizontale Führungsmodelle: Sie bauen um, nicht ab. Sie fokussieren das Arbeiten mit vereinten Kräften, sprich, die gemeinsame Leistung aller projektrelevanten Personen auf einer Ebene. Dieserart arbeiten die „alten Hasen“ mit ihrer Erfahrung, die Fachexperten mit ihrem Know-how, die „jungen Wilden“ mit ihrem Innovationsgeist sowie die Chefs mit ihrem ganzheitlichen Überblick gleichberechtigt für den Geschäftserfolg des Unternehmens. Das erhöht die Anpassungsfähigkeit an neue (Markt-) Bedingungen und verbessert so Flexibilität und Agilität gleichermaßen. Dem Management obliegt es dabei vor allem, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die Mitarbeiter mit den notwendigen Werkzeugen und Fähigkeiten auszustatten und den Überblick zu behalten. Praktische Ansätze für horizontale Führung gibt es bereits viele:
Führung heute – ganz praktisch
Beispiel 1: Der Hamburger IT-Seminardienstleister Oose setzt auf dynamische Entscheidungskompetenzen statt auf traditionelle, personenbezogene Führungspositionen. Innerhalb des 50-köpfigen Teams gibt es keine klassischen Manager, die über andere Angestellte verfügen und Aufgaben delegieren. Stattdessen organisieren sich die Mitarbeiter in verschiedenen thematischen Arbeitskreisen, in denen sie gemeinsam Entscheidungen treffen. Ein Vorstand, gewählt für zwei Jahre, unterstützt bei größeren Entscheidungen, wie beispielsweise Investitionen, die in Plenumsdiskussionen zwischen Vorstand und Mitarbeitern getroffen werden. Der Vorteil des Modells: Die Verantwortlichkeiten einer klassischen Führungskraft werden auf viele Schultern verteilt, aber nicht rationalisiert. Der „Nachteil“: Es handelt sich um einen Ansatz, der sicherlich nicht für jedes Unternehmen gleichermaßen geeignet ist; insbesondere nicht, wenn es sich um größere Unternehmen handelt.
Beispiel 2: Die Hotelsuchmaschine trivago verfolgt bei ihren rund 800 Mitarbeitern einen anderen Ansatz. Um die natürlichen Fähigkeiten und Neigungen ihrer Mitarbeiter bestmöglich auszuschöpfen und ihnen Weiterentwicklungsperspektiven zu ermöglichen, setzt das Unternehmen (wie Oose) auf horizontale Workflows statt auf vertikale Abstimmungsleitern – in diesem Fall allerdings mit Hilfe von gleich drei parallelen Führungsmodellen: Responsibility Leads, Mentoren und Experten. Als treibende Kraft bei der Entwicklung eines Geschäftsbereichs führen die Responsibility Leads ihre Teams strategisch, um Geschäftsziele zu erreichen. Sie schaffen den notwendigen Rahmen und ein Umfeld, in dem ihre Teams effektiv und effizient arbeiten und sich erfolgreich weiterentwickeln können. Dieserart kommen sie dem klassischen mittleren Management am nächsten. Die Mentoren unterstützen ihre Kollegen dabei, ihr volles Potenzial auszuschöpfen – in beruflichen und persönlichen Angelegenheiten gleichermaßen. Die individuelle Unterstützung, die Vernetzung sowie die innerbetriebliche Weiterentwicklung stehen für sie im Mittelpunkt. Durch das Zusammenbringen von Fachkräften mit Mentoren außerhalb ihres Kernteams, verbreitern sie Wissensspektrum und fördern die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens. Die Experten der einzelnen Fachbereiche teilen ihr Wissen und ihre Erfahrung, um die Kompetenzen ihrer Kollegen zu erweitern. Sie tragen zur technischen Entscheidungsfindung bei und unterstützen bei der Rekrutierung.
Flexibel auf der Karrierekletterwand
Vergessen werden darf bei all diesen Ansätzen nicht: Werden – teils hart erkämpfte – Führungspositionen einfach abgeschafft, stößt das selten auf Begeisterung; das Betriebsklima kann sogar massiv Schaden nehmen. Deshalb sollten bei einem Hierarchie-Abbau immer Karriere-Alternativen geschaffen werden. Ein Lösungsvorschlag ist die Karrierekletterwand. Anstatt auf der traditionellen Karriereleiter aufzusteigen, bewegen sich die Mitarbeiter vermehrt horizontal und haben größere Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten und Interessen zu entwickeln; in unterschiedlichen, nicht immer leitenden Funktionen. Diese Rollenflexibilität bringt es mit sich, dass es keine Blamage mehr ist, eine Führungsrolle abzugeben – es ist schlicht kein Rückschritt mehr, sondern eine Seitwärtsbewegung. Diese wiederum eröffnet neue Möglichkeiten, um die eigenen Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen. Sei es in leitender, beratender oder ideengebender Position.
Wie auch immer die horizontale Führung im Detail aussieht, das sogenannte HIPPO-Syndrom (Highest Paid Person´s Opinion) – samt seiner (bildlichen) Schwerfälligkeit – ist für viele Unternehmen nicht länger trag- und haltbar. Denn in Zeiten des digitalen Wandels kann und darf die alleinige Meinung des Chefs nicht das Maß aller Dinge sein. Es gilt, neue, individuell auf das Unternehmen abgestimmte Führungskonzepte zu finden.
Die Kommentarfunktion ist geschlossen.