Future Business Thinking – Die VUCA-Welt meistern

Komplexität im Kopf meistern - VUCA-Welt für Future Business

Nachhaltigkeit, Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit – die Zukunft der Wirtschaft ist von vielen Einflüssen abhängig. Im Kontext des Future Business ergeben sich viele Herausforderungen: Wie kann die Komplexität der VUCA-Welt nachhaltig gemeistert werden? Welche Thinking Skills helfen bei der Transformation in die Zukunft? Gedanken zum Future Business Thinking.

Die generelle Fragen im Kontext des Future Business bzw. des besseren Wirtschaften lauten: Warum ist Überzeugungsarbeit für nachhaltiges, verantwortungsbewusstes, digitales und zukunftsorientiertes Wirtschaften überhaupt notwendig? Ist der Erhalt eines funktionierenden Ökosystems nicht Anreiz genug, um das heutige Wirtschaften zu hinterfragen und zu ändern? Der Hashtag „Kopföffner“ (Stephan Grabmeier – Kopföffner) ist gleichzeitig Antwort und Ausgangspunkt meiner Überlegungen zugleich: Warum ist das eindeutig Einleuchtende nicht einleuchtend genug? Warum sind wir die einzige Spezies, die sich Selbsterhaltung wünscht, aber gegensätzlich handelt?

Nachhaltigkeit beschäftigt mich persönlich seit Mitte der 2000er Jahre. Meine private, berufliche und forschende Reise zu diesem Thema ist durch viele „Auf und Abs“ geprägt. Die anfängliche Euphorie prallte auf den harten Boden der Wirtschaft – Greenwashing war eher Standard als Ausnahme. Nun, seit geraumer Zeit, fängt die Debatte wieder an, Geschwindigkeit aufzunehmen – insbesondere durch eine Generation, die im Gegensatz zu meiner, sich dem Thema wirklich annimmt (#zuhören). Danke dafür.

Future Business: auf dem Weg ins VUCA-Land

VUCA ist ein allgegenwärtiges Schlagwort – volatility, uncertainty‚ complexity und ambiguity. Auch wenn dieses Modewort heutzutage quasi für alle (Fehl-)Entscheidungen als ‚Ausrede’ benutzt wird, ist der tieferliegende VUCA-Inhalt einfach: Die Welt ist nicht linear-kausal erklärbar (auch wenn dies viele behaupten); Komplexität ist subjektiv und determiniert durch enge Verknüpfungen einzelner Elemente, zeitliche und räumliche Trennung von Ursache und Wirkung sowie Kontraintuitivität. Kontraintuitivität bedeutet, dass wir aus falschen Annahmen über das Systemverhalten (in diesem Fall die Auswirkungen unseres wirtschaftlichen Handelns) – die durch zeitliche und räumliche Trennung von Ursache und Wirkung bedingt sind – falsche Entscheidungen treffen.

Der Mensch ist sehr schlecht im Abschätzen von Konsequenzen bzw. setzt er hier keine Priorität. Wir sind besser darin, ‚Ad-hoc’-Probleme (Jagen, Feuerholz beschaffen und Flucht etc. ) zu lösen. Folglich lassen sich die Komplexität der Wirtschaft und deren Folgen nicht einfach kausal erklären. Stattdessen versuchen wir häufig komplexe Wirkungsnetze in einfache linear-kausale Wirkungsketten zu zergliedern. Dies führt u. a. zu unvollständiger Ursachenforschung (z. B. lediglich Symptome werden bekämpft), fragmentarischer Erfassung der Gesamtzusammenhänge (z. B. soziale und ökologische Abhängigkeit wird nicht beachtet) und unzureichender Betrachtung der Nebenwirkungen (z. B. Auswirkungen eigener Handlungen werden nicht berücksichtigt) (Vester 1991).

Was bedeutet das nun für das bessere Wirtschaften und das Future Business? Die durch unser Wirtschaftsverhalten verursachten ökologischen und sozialen Auswirkungen können wir nicht direkt und endgültig nachweisen. Wir können diese zwar Antizipieren und auch ein Gefühl dafür entwickeln, aber einen unwiderruflichen objektiven Beweis können wir nicht erbringen (Warum würde es sonst auch noch Zweifel am durch Menschen verursachten Klimawandel geben?). Heinz von Förster fasste dies in einem für mich legendären Zitat zusammen: „Wo ist die Realität? Wo haben Sie die?“

Quelle Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=2KnPBg-tanE

Was ist nun notwendig? Ein Umdenken bedarf des Wandels der Denkweise hin zu einer ganzheitlich-systemischen Perspektive. Wir befinden uns im Zeitalter der Vernetzung – nahezu alles ist miteinander verbunden (durch IoT nun auch unsere Geräte ). Durch die fehlende direkte zeitliche und räumliche Verbindung von umgesetzten Maßnahmen (Ursache: z. B. Handlung führt zu kurzfristigen monetären Gewinnen) und Ergebnis (Wirkung: soziales und ökologisches Ungleichgewicht trifft erst viel später ein und betrifft mich nicht direkt) schieben wir die Verantwortung von uns weg. Fazit: Unser aktuelles wirtschaftliches Handeln (Ursache) wird sowohl für die soziale Gerechtigkeit als auch das ökologische Gleichgewicht drastische Folgen haben (nur eben nicht morgen, sondern in Jahren). Selbiges gilt für die Flucht von Menschen. Alle Menschen, die vor geringer Zeit der ‚Flüchtlingswelle’ mit einfachen Lösungen wie ‚Abschiebung’ begegnen wollten; all diese werden andere Antworten geben müssen, wenn Millionen Klimaflüchtlinge um ihr Leben kämpfen. Linear-kausale Wirkungsketten („Wenn ein Flüchtling kommt, wird er abgeschoben.“) bieten keinerlei Antworten auf die Fragen der Zeit.

Die Komplexität von Future Business Thinking im Kopf meistern

VUCA führt also zu einer Welt des Widerspruchs und Trade-offs. Wie können wir nun den Kopf öffnen bzw. wie ermöglichen wir dies auch anderen? Systemisches Denken eröffnet zumindest die Möglichkeit, die Perspektive zu ändern und bietet Wege zum Umgang mit den Herausforderungen des Future Business. Dazu habe ich fünf Thinking Skills (u. a. Richmond 1993; Ossimitz 2000; Maani & Maharaj 2004) unter die Lupe genommen. Wie also gelingt das Kopf öffnen für das Future Business?

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Fünf Thinking Skills für das Future Business (Quelle: eigene Darstellung)

1. Dynamisches Denken

Verhaltensmuster müssen anstelle von Ereignissen erkannt werden. Bei der Betrachtung von Mustern spielen Zeitverzögerungen zwischen Ursache und Wirkung, Oszillationen und Rückkopplungen eine bedeutende Rolle. Die reine Fokussierung auf die Betrachtung eines Ereignisses (z. B. Jahresabschluss, Klausurergebnisse, Arbeitslosenzahlen) greift zu kurz. Beispielsweise entwickelt sich der Klimawandel nicht linear. Die Verneinung des Klimawandels auf der Basis eines Ereignisses (z. B. Betrachtung eines Sommers) führt daher zu einer falschen Maßnahmenbildung.

2. Denken in Rückkopplungsschleifen

Ursache und Wirkung beeinflussen sich gegenseitig, stehen also in einer reziproken Beziehung. Insbesondere die Fokussierung auf indirekte Wirkungen, die Identifikation von Rückkopplungen und das Verstehen von Wirkungsbeziehungen ist in diesem Kontext nennenswert. Beispielsweise beeinflussen sich die ökologische und die soziale Nachhaltigkeit maßgeblich. Luftverschmutzung führt zu kranken Menschen, dies führt wiederum zu Mitarbeitererkrankungen und somit zu wirtschaftlichen Einbußen; diese wiederum führen zu fehlenden Investitionsgeldern usw.

3. Operatives Denken

Die Frage ist, ob Analysen und daraus initiierte Maßnahmen wirklich zu einer pragmatischen Problemlösung führen? Der Erfolg der Problemlösung muss immer unter praktischen Bedingungen geprüft werden. Werden abgeleitete Maßnahmen zum Beispiel aufgrund von individuellen Präferenzen als ‚Scheinlösungen’ verpackt? Beispielsweise hat das Erstellen eines Nachhaltigkeitsberichtes nichts mit der realen Umsetzung der Nachhaltigkeit bzw. einem Nachhaltigkeitsengagement zu tun, sondern bildet nur einen (zumeist geschönten) Schnappschuss ab.

4. Ursache-liegt-im-System-Denken

Komplexe Systeme sind durch ihre Struktur determiniert. Oder anders ausgedrückt: Durch die vorgegeben Struktur wird das Verhalten beeinflusst. Diese Erkenntnis ist richtungsweisend für jegliche Art von Interventionen. Systeme können nur durch die Veränderung der Struktur (z. B. das Design der Unternehmensstruktur) beeinflusst werden und zu Änderungen des Verhaltens (z. B. der Mitarbeitenden) führen. Beispielsweise werden Innovationen durch offen designte Arbeitsstrukturen (hinsichtlich Fehlerkultur, flacher Hierarchien etc.) und Befähigung (hinsichtlich Verantwortungsbereiche, Erlernen von Fähigkeiten etc.) gefördert. Folglich ist ein Innovationsworkshop, an dem an einem Tag eine Innovation kreiert werden muss/soll, wenig hilfreich. Vielmehr bedarf es des Designs der Unternehmensstruktur (Freiräume, Arbeitsschwerpunkte, Prozesse etc.), um erfolgreiche Innovationen zu entwickeln.

5. In Modellen denken

Diese Fähigkeit zielt auf die bewusste Wahrnehmung der Modellbildung ab. Unsere Annahmen basieren nicht auf unumstößlichen Wahrheiten, sondern auf von uns konstruierten mentalen Modellen. Diese können sich wandeln, jedoch ist der Prozess zeitintensiv. Beispielsweise ist unser Verständnis von besserer Wirtschaft lediglich unsere Sichtweise bzw. unser Modell. Um andere Menschen auf diesen Weg mitzunehmen, bedarf es zunächst des Verständnisses derer Sichtweisen. Missionierung und ‚Du musst’ stoßen auf Ablehnung. Nur durch gegenseitiges Erkunden (und Plädieren für die eigene Meinung) kann eine Öffnung der Denkweisen erfolgen. Damit künftig mehr Menschen ein Future-Business-Bild im Kopf haben.

Und neben all dem Denken gibt es noch einen Weg für besseres Wirtschaften: EINFACH MACHEN!

Stefan Tewes ist Professor für Organisationsentwicklung, Business Models, Digitale Transformation an der FOM University of Applied Science. Er ist Leiter der Berufungskommissionen für Betriebswirtschaftslehre sowie der Vertiefungen „Process & Digital Change“ und „Digitale Transformation“. Seine Forschungsschwerpunkte sind Business Model Innovation, Business Transformation, Digital Management, Entrepreneurship und Future Skills.

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