Digitaler Schiffbruch aus rechtlicher Sicht (Teil II)

Wie kann ein Eskalationsverfahren durch staatliche oder private Schiedsgerichten entschieden werden?

Im ersten Teil wurde die allgemeine Problematik in internationalen Rechtsstreitigkeiten erläutert sowie erklärt wie man ein sinnvolles Eskalationsverfahren vertraglich vereinbaren kann. Im zweiten Teil wird nun auf die Unterschiede zwischen staatlichen und privaten Schiedsgerichten eingegangen.

Im ersten Teil wurde die allgemeine Problematik in internationalen Rechtsstreitigkeiten erläutert sowie erklärt wie man ein sinnvolles Eskalationsverfahren vertraglich vereinbaren kann. Im zweiten Teil wird nun auf die Unterschiede zwischen staatlichen und privaten Schiedsgerichten eingegangen.

Gericht Schiedsgericht Mediation
Beide Parteien müssen dem Verfahren zustimmen  

Nein

 

Ja

Ja
Die Parteien können den Richter/Mediator selbst bestimmen Nein Ja Ja
Herbeiführung einer verbindlichen Entscheidung Ja Ja Nein
Das Verfahren ist geheim Nein Ja Ja
Effiziente Streiterledigung in internationalen Verfahren Nein Ja Ja
Die Parteien können die Verfahrensregeln selbst bestimmen Nein Ja Ja
Die Möglichkeit den Entscheid anzufechten Ja Limitiert n.a.
Internationale Vollstreckung Limitiert Ja n.a.

 

Beide Parteien müssen dem Verfahren zustimmen

Sowohl im Mediations- wie auch im Schiedsgerichtverfahren müssen die Parteien diesem Verfahrensweg zustimmen. Im Streitfall wird sich eine nachträgliche Zustimmung meist schwierig gestalten, weshalb dies bereits vorgängig vertraglich vereinbart werden sollte. Ist nichts vereinbart gilt grundsätzlich das Gesetz und jede Partei kann an ein staatliches Gericht gelangen. Selbst wenn man sich für die Option staatliches Gericht entscheidet, können die Parteien vorgängig immer noch ein zuständiges Gericht (Ort) sowie das anwendbare Recht vereinbaren. Von diesem Recht sollte unbedingt Gebrauch gemacht werden, damit kann ein Forum Shopping verhindert werden.

 

Die Parteien können den Richter/Mediator selbst bestimmen

Vor einem staatlichen Gericht können die Parteien den Richter nicht selbst bestimmten, dieser ist bereits vorgängig bestimmt bzw. wird entsprechend zugeteilt. Natürlich kann dies mühsame Diskussionen über die gemeinsame Wahl eines Richters verhindern, die Parteien sind aber der staatlichen Willkür ausgesetzt. Gerade in IT Streitigkeiten wäre es aber vielfach sinnvoll, wenn der Richter rechtliches und technisches IT Fachwissen mitbringt, dies ist aber bei staatlichen Richtern oft nicht der Fall, da sich Richter nicht täglich mit IT Streitigkeiten beschäftigen müssen. In einem Mediations- oder Schiedsverfahren können die Parteien den Richter gemeinsam bestimmen und einen Richter (oder mehrere Richter) mit entsprechendem Fachwissen wählen. Ein Richter mit entsprechendem Fachwissen, kann einem qualitativen und fairen Verfahren zuträglich sein.

 

Herbeiführung einer verbindlichen Entscheidung

Dass ein staatliches Gericht eine rechtsverbindliche Entscheidung herbeiführen kann, ist klar, aber auch Schiedsgerichtsentscheide sind verbindlich und werden als Vollstreckungstitel anerkannt. Sie haben danach die gleiche Wirkung wie ein Urteil vor einem staatlichen Gericht.

 

Das Verfahren ist geheim

Verfahren vor staatlichen Gerichten sind grundsätzlich öffentlich und in gewissen Ländern sind auch die Urteile und Rechtsschriften nicht anonymisiert und öffentlich zugänglich. Selbst wenn nur die anonymisierten Urteile zugänglich sind, kann bei grösseren Fällen oft auf die Streitparteien geschlossen werden. So hat eine IT Streitigkeit zwischen Hertz und Accenture kürzlich für Schlagzeilen gesorgt und zu wohl ungewollter Publizität geführt. Neben einem teuren Gerichtsverfahren kann ein öffentliches Verfahren noch zu ungewollter negativ PR und einem Reputationsschaden führen. Im Gegensatz zu staatlichen Gerichten, finden Schiedsgericht im Privaten statt und werden ohne Zustimmung der Parteien nicht öffentlich.

 

Effiziente Streiterledigung in internationalen Verfahren

Private Schiedsgerichte können Verfahren vielfach effizienter durchführen, da die Verfahrensvorschriften entsprechend so ausgestalten werden können, dass ein internationales Verfahren beförderlicher durchgeführt wird. Verfahren vor staatlichen Gerichten können schnell mehrere Jahre in Anspruch nehmen, was oft von beiden Parteien nicht gewünscht ist. Ein Verfahren vor einem staatlichen Gericht ist in der jeweiligen Landessprache zu führen, was zu einem wesentlichen Mehraufwand in Folge Übersetzungen und doppelter Kommunikation führen kann. Auf der anderen Seite kann ein staatliches Gericht zu einem Heimvorteil führen und es gibt keine Diskussionen über Wahl der Richter oder Verfahrensregeln.

Ein Schiedsverfahren kann somit kostengünstiger und schneller sein, als wenn das Verfahren vor einem staatlichen Gericht durchgeführt wird.

Einen Online Kostenrechner für eine Schiedsverfahren findet man hier.

Die Parteien können die Verfahrensregeln selbst bestimmen

In Verfahren vor staatlichen können die Parteien das anwendbare Recht vorgängig vertraglich festlegen sowie die örtliche Zuständigkeit. Das Verfahrensrecht, die formalen Spielregeln, richten sich jedoch nach dem nationalen Recht und können nicht frei gewählt werden. In einem Schiedsverfahren sind die Parteien dagegen frei die Verfahrensregeln selbst zu bestimmen. Meist wird aber ein international anerkanntes Verfahrensrecht gewählt und nicht ein komplett individuelles Verfahrensrecht definiert. Diverse internationale Schiedsorganisationen stellen entsprechende Verfahrensregeln bereit. Diese Organisationen übernehmen auch die Funktion eines Schiedsgerichts.

Zum Beispiel:

Solche Verfahrensregeln können allenfalls von den Parteien noch zusätzlich angepasst werden. So kann der Ort eines Schiedsgerichts frei gewählt werden, die Parteien können bspw. einen neutralen Ort für den Sitz des Schiedsgerichts bestimmen. Viel wesentlicher ist aber die Bestimmungen der Verfahrenssprache und des materiellen Rechts. Des Weiteren könnte man bspw. spezielle Regelungen zum Beweisverfahren oder für Zeugeneinvernahmen bestimmen, so könnte man auch Videokonferenzen erlauben, um aufwändige Reisekosten einzusparen.

 

Die Möglichkeit den Entscheid anzufechten

Ein Verfahren vor staatlichen Gerichten geht über mehrere Instanzen und bietet daher den Parteien jeweils die Möglichkeit ein Urteil anzufechten und eine neue Beurteilung durch einen anderen Richter zu verlangen. In einem Schiedsgericht sind keine weiteren Instanzen vorgesehen und somit ist das Verfahren verkürzt aber die unterliegende kann kein weiteres Schiedsgericht anrufen, um den Entscheid nochmals prüfen zu lassen. Eine formale Prüfung ist allenfalls vor einem staatlichen Gericht möglich, die Möglichkeiten bleiben aber eingeschränkt.

 

Internationale Vollstreckung

Die internationale Vollstreckbarkeit ist mitunter ein wesentlicher Grund weshalb viele Unternehmen ein Schiedsgericht einem staatlichen Gericht vorziehen. Viele Kläger sind sich nämlich nicht bewusst, dass die Anerkennung und Vollstreckung eines Urteils eines fremden staatlichen Gerichts vielfach mühsam ist und ein anderes Gericht einen solchen Entscheid nicht einfach unbesehen akzeptiert.

Klagt ein Kläger bspw. in der Schweiz auf Schadenersatz und ein Gericht gibt ihm Recht, so ist die Vollstreckung der Forderung unproblematisch, wenn der Beklagte seinen Sitz in der Schweiz hat, ist dies natürlich unproblematisch, da ein Urteil vom Schweizer Gericht natürlich anerkannt wird. Hat man sich vorgängig auf den Gerichtsstand „Schweiz“ geeinigt, so kann es sein, dass der Beklagte seinen Sitz irgendwo im Ausland hat und bspw. ein Vollstreckungsverfahren in der Ukraine geführt werden muss. Dafür muss das Urteil zuerst beglaubigt übersetzt werden und ein ukrainisches Gericht muss es für vollstreckbar erklären und erst dann, kann die Forderung in der Ukraine eingetrieben werden.

Ein Entscheid von einem Schiedsgericht muss natürlich ebenfalls vollstreckt werden, das Urteil selbst wird aber nicht mehr geprüft, sofern das Land das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche unterzeichnet hat. Da 157 Staat diese Abkommen unterzeichnet haben, kann davon ausgegangen werden, dass ein Schiedsurteil in den meisten Ländern ohne grössere Probleme vollstreckt werden kann. Die Vollstreckung eines Schiedsgerichtsurteils ist daher wesentlich einfacher durchsetzbar und einer der grossen Vorteile in einem internationalen Rechtsstreit.

  

Klauseln in den Schlussbestimmungen

Die Parteien sollten am besten bereits vorgängig festlegen, ob ein staatliches Gericht oder ein Schiedsgericht über einen allfälligen Streit entscheiden soll und welches Verfahrensrecht sowie welches materielle Recht zur Anwendung kommen sollen. Die entsprechenden Klauseln finden sich meist in den Schlussbestimmungen. Nachfolgend ein Beispiel für eine Gerichtsstandsklausel mit einem staatlichen Gericht und eine für ein Schiedsgericht.

Staatliches Gericht:

„Auf diesen Vertrag ist schweizerisches Recht anwendbar. Der Gerichtsstand befindet sich am Domizil des Auftraggebers in Zürich.“

 

Schiedsgericht:

“Any dispute, controversy or claim arising out of or in relation to this contract, including the validity, invalidity, breach or termination thereof, shall be resolved by arbitration in accordance with the Swiss Rules of International Arbitration of the Swiss Chambers‘ Arbitration Institution in force on the date on which the Notice of Arbitration is submitted in accordance with these Rules.

 The number of arbitrators shall be one;

 The seat of the arbitration shall be Zurich, Switzerland;

 The arbitral proceedings shall be conducted in English.

 The time-limit with respect to the designation of an arbitrator shall be 15 days. If the circumstances so justify, the Court may extend or shorten the above time-limit. The Expedited Procedure shall apply.

 Notwithstanding the above, the parties may agree at any time to submit the dispute to mediation in accordance with the Swiss Rules of Commercial Mediation of the Swiss Chambers‘ Arbitration Institution.”

 

Weitere Musterklauseln finden sich auf den Webseiten von Schiedsorganisationen (siehe oben).

Yves Gogniat ist Experte für Informations- und Technologierecht mit den Schwerpunkten Datenschutz und IT-, Vertrags- und Gesellschaftsrecht. Er verfügt über ein breites Wissen in den Bereichen Blockchain-Technologie, Krypto-Währungen und hat seine Erfahrungen in verschiedenen Kanzleien sowie in der öffentlichen Verwaltung gesammelt.

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